Diese Gewalttat gab der politischen Debatte über eine schnellere Abschiebung ausländischer Straftäter neuen Zündstoff: Der 20-jährige Philippos war nach einer Abi-Feier in der Nacht zum 23. Juni im Kurpark von Bad Oeynhausen zu Tode geprügelt worden. Ein 18-jähriger Syrer soll auf seinen Kopf eingeschlagen und eingetreten haben. Philippos starb wenige Tage später im Krankenhaus. Viele Menschen nahmen Anteil, Hunderte gingen zur Trauerfeier. CDU-Chef Friedrich Merz forderte eine schärfere Migrationspolitik: Die Tat, sagte er, reihe sich ein „in eine lange Reihe schwerer Übergriffe und Gewaltverbrechen, begangen von jungen Männern mit Migrationshintergrund“.
Die Marler Anwälte Burkhard und Siegmund Benecken verteidigen den Tatverdächtigen, der in Untersuchungshaft sitzt. Wie schon öfter in heiklen Fällen arbeiten Vater und Sohn zusammen. Unsere Redaktion sprach mit Burkhard Benecken (48) über das Verfahren und den politischen Hintergrund.

Wie würden Sie Ihren Mandanten beschreiben? Was ist er für ein Mensch?
Er ist ein ruhiger und besonnener junger Mann. Nach allem, was ich in den Medien gelesen hatte, hatte ich eine andere Persönlichkeit erwartet. Er ist extrem höflich, spricht völlig akzentfrei Deutsch und macht einen sehr betroffenen Eindruck. 2016 ist er mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Deutschland gekommen. Die Familie hat zunächst in Pforzheim gelebt, seit einem halben Jahr wohnt sie in Bad Oeynhausen.
Bisher ist unklar, wie es zu der Tat kam. Hat Ihr Mandant sein Opfer aus nichtigem Anlass zu Tode geprügelt und getreten?
Wir werden uns zur Sache nicht äußern, weil die Ermittlungen noch laufen. Nur so viel: Es gibt viele Zeugenaussagen, die voneinander abweichen und an vielen Punkten unergiebig sind. Möglicherweise, weil Alkohol im Spiel war. Nach diesen Aussagen sind zwei größere Gruppen von Jugendlichen im Park aneinandergeraten. Es ist nicht ganz klar, wie viele dabei waren. Bei unserem Mandanten bis zu zehn, bei dem anderen drei bis fünf. Die Gruppe von Philippos wurde von der Gruppe unseres Mandanten angesprochen. Dann kam es nach Aktenlage zu einem Tumult, zu körperlicher Gewalt von Verschiedenen wegen Nichtigkeiten.
Welche Rolle spielte dabei Ihr Mandant? Ist er ausgerastet?
Nochmals: Wir erklären nichts zur Sache. Nach den Zeugenaussagen aus der Akte soll es zu Provokationen und einem Schlagabtausch aus Nichtigkeiten gekommen sein.
Das Opfer starb wenige Tage später im Krankenhaus an den Folgen der Gewaltattacke...
Es gibt einen Obduktionsbericht in der Akte. Wir als Verteidiger haben hier noch die eine oder andere Frage zu klären. Es kursiert das Gerücht, dass ein Mädchen im Park ein Video von der Tat aufgenommen haben soll. Ein solches Video liegt uns nicht vor. Wir haben aber ergänzende Akteneinsicht beantragt.
Viele Menschen in Deutschland reagierten bestürzt. Der Fall hat die Debatte über die Frage, wie man mit der Kriminalität ausländischer Täter umgeht, neu entfacht. Wie sehen Sie diese Debatte?
Ich begrüße, dass wir uns darüber Gedanken machen, wie die Gesellschaft sich besser aufstellt. Auf die Kriminalität junger Menschen reagieren wir immer noch zu spät, erst wenn die Täter 14 Jahre und strafmündig sind. Vorher gibt es keine Sanktionen. Da ist der Gesetzgeber gefordert. Nach meiner Meinung müssten wir die Strafmündigkeit auf das zehnte Lebensjahr herabsetzen, damit wir reagieren können, wenn Kinder kriminell werden. Das heißt nicht, dass wir Elfjährige einsperren, aber dass wir sie pädagogisch erfassen, bevor sie 14 sind und 30 Straftaten begangen haben. Sonst ist es zu spät, sie wieder auf den rechten Weg zu bringen. Da sind Sozialarbeiter gefragt, die müssen in die Familien schauen und mit den Eltern sprechen.
Aber ich sehe es kritisch, wenn dieser konkrete Fall politisch genutzt wird, um die Abschiebung von Migranten voranzutreiben. Es ist noch gar nicht geklärt, was tatsächlich passiert ist. Man sollte das Gericht erstmal das Verfahren durchführen lassen, das Urteil abwarten und dann daraus Schlüsse ziehen. Zum Beispiel erweckt das rechte Lager den falschen Eindruck, dass unser Mandant ein Intensivtäter ist. Dabei wird verschwiegen, dass er ein sauberes Führungszeugnis hat, ohne Vorstrafen.
Aber er ist doch in der Vergangenheit durch Gewalt- und Eigentumsdelikte aufgefallen...
Unser Mandant hat ein sauberes Führungszeugnis. Es gibt keinen Eintrag. Allein dieser Umstand ist für die strafrechtliche Würdigung entscheidend.
Wie kam es dazu, dass Sie den jungen Syrer verteidigen?
Zunächst wurde ein Pflichtverteidiger beauftragt. Seine Eltern haben sich dann erkundigt und wir sind ihnen empfohlen worden. Sie sind dann nach Marl in unsere Kanzlei gekommen und wir sind direkt zum Jugendgefängnis nach Herford gefahren. Wir haben ihn dort bisher viermal besucht.
Wann und wo findet der Prozess statt?
Das Ermittlungsverfahren läuft noch, aber die Staatsanwaltschaft hat verkündet, dass es schnell zu einer Anklage kommen soll - höchstwahrscheinlich vor der Jugendkammer des Landgerichts Bielefeld. Denn unser Mandant war zur Tatzeit 18 Jahre alt. Wir rechnen damit, dass die Staatsanwaltschaft ihn wegen Totschlags anklagt und dass der Prozess Ende des Jahres stattfindet. Er wird sehr arbeitsintensiv, sicher mit mehreren Hauptverhandlungstagen.
Welche Reaktionen haben Sie erlebt, als bekannt wurde, dass Sie den Mann verteidigen?
Bei Social Media schreiben uns viele Leute. Man merkt, dass dieser Fall emotionalen Sprengstoff hat. Wir reagieren sachlich - egal, ob uns jemand aus der politisch linken oder rechten Ecke angreift. Viele Menschen haben große Sorge vor Kriminalität von Menschen mit Migrationshintergrund. Und sie sagen: Wie könnt Ihr so jemanden verteidigen?
Was antworten Sie ihnen?
Wir leben in einem Rechtsstaat und das ist auch unser Anspruch. Auf Seiten des Staates gibt es gute Juristen. Da ist es wichtig und gerecht, dass auch Beschuldigte die bestmögliche Verteidigung bekommen, damit Waffengleichheit herrscht.