Anderthalb Jahre nach dem Schul-Skandal in Herten Was macht eigentlich Susanne Schäfer?

Anderthalb Jahre nach dem Drama: Was macht eigentlich Susanne Schäfer?
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Keine Personalie hat in den letzten Jahren in Herten so viel Wirbel ausgelöst wie der erzwungene Weggang der Rektorin Susanne Schäfer. 2021 noch als beste Schulleitung des Landes preisgekrönt, begann im März 2023 das Drama um ihre Ablösung vom Chefposten der Grundschule Herten-Mitte. Kurz vor den Sommerferien endete der Skandal mit Susanne Schäfers förmlicher Abordnung nach Datteln und dem ausdrücklichen Verbot, ihre alte Schule noch zu betreten – trotz massiver Elternproteste in Herten, die sich mit hitzigen Wortgefechten bis den Sitzungssaal im Rathaus ausweiteten.

Vor etwa einem Jahr, im Herbst 2023, wurde es dann still um die profilierte Schulleiterin, die zu dem Zeitpunkt mit den Nerven am Ende und erkrankt war.

Wie geht es ihr, nachdem die bundesweiten Schlagzeilen, die persönlichen Anfeindungen und Solidaritätsbekundungen langsam verebbten, und was macht die Ex-Schulleiterin von Herten-Mitte jetzt?

Alina Kubacki und André Lippitz, im März 2023 vor dem Hertener Rathaus.
Alina Kubacki und André Lippitz, im März 2023 aktiv in der Schulpflegschaft der Grundschule Herten-Mitte, starteten eine Online-Petition für Susanne Schäfers Verbleib in Herten. Mehrere tausend Bürger haben sie unterstützt, am Ende vergeblich. © Oliver Prause

„Ich leite wieder eine Schule. Es ist wie in Herten-Mitte eine Schule in einem sozialen Brennpunkt, in Duisburg-Untermeiderich. Eine Schule, mit 360 Kindern an zwei Standorten, ähnlich groß wie Herten-Mitte. Eine Schule, die lange ohne feste Schulleitung war. Spannend, eine Herausforderung. Ich bin damit glücklich“, sagt Susanne Schäfer, die weiterhin in Herten-Disteln wohnt.

„Bergschule Duisburg-Meiderich“ heißt ihr neues berufliches Zuhause. Aber warum Duisburg und nicht Datteln? Warum der weite Weg in den Regierungsbezirk Düsseldorf? Der Verdacht liegt nahe, dass ihr so die Schulaufsicht in Recklinghausen und Münster nicht mehr auf die Füße treten kann. Ist das so? Susanne Schäfer redet bei dieser Frage nicht um den heißen Brei herum: „Ja, das ist der Grund. Ich habe das bei der Schulaufsicht auch offen angesprochen.“ Sie wollte „einen Wechsel der Menschen“, weg von den Beamten, die sie in Herten-Mitte vor die Tür gesetzt hatten. „Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis Münster mich freigegeben hat, nämlich bis November 2023.“

In Duisburg wurde die in Fachkreisen bundesweit bekannte Hertenerin (108.000 Follower auf Social-Media-Kanälen wie Instagram) kurz darauf mit offenen Armen empfangen, konnte zwischen mehreren Schulen wählen. „Ich hatte sogar Angebote von deutschsprachigen Schulen in New York und Mexiko, aber ich bin dafür zu heimatverbunden, habe ja auch noch meine beiden Töchter hier, die in Marl wohnen.“

Drei Konflikt-Parteien, ein Skandal

Wie es zu dem Skandal kam, der den Abgang von Hertens bekanntester Lehrerin auslöste, ist ein beispielloser Vorgang. Bei einem Streit hinter verschlossenen Türen, von dem aus Personen- und Datenschutz-Gründen bis heute keine Details öffentlich bekannt sind, ging es um den Ausbau und die Organisation des Offenen Ganztags (OGS) in Herten-Mitte. Die öffentlich bekannten Fakten dazu: Unmittelbar nach dem Streit hatte die AWO als OGS-Träger die Hertener Stadtverwaltung ultimativ aufgefordert, Susanne Schäfer von ihrem Posten zu entfernen, eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Schulaufsicht eingereicht und der Stadt mit einer Kündigung der OGS-Verträge gedroht, wie aus dem Rathaus zu hören war. Der Schuldezernent der Stadt Herten, Hermann Pieper, schrieb daraufhin der Schulaufsicht in Münster, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Stadt und Schulleiterin irreparabel beschädigt sei und eine konstruktive Zusammenarbeit unmöglich. Münster reagierte in Piepers Sinn.

„Kinder sind zauberhaft – in Duisburg wie in Herten“

Der öffentliche Streit, die Vorladungen bei Vorgesetzten, Turbulenzen im Hertener Stadtrat – all das ist anderthalb Jahre her. Wie ist es nun, in Duisburg wieder „ganz normal“ zu arbeiten? Und: Vermisst sie ihre alte Schule in Herten?

„Duisburg ist eine Großstadt, das macht vieles anders. Es gibt dort 110 Grund- und Förderschulen. Bei einer Schulleiter-Besprechung in Herten saßen 12 oder 13 Menschen am Tisch, in Duisburg bin ich eine von mehr als 100. Da bin ich unter dem Radar, spiele keine so große Rolle.“ Zum Wiedereinstieg habe ihr das sehr gefallen, erzählt die Hertenerin.

Und: Duisburg ist nicht irgendeine Großstadt, sondern eine mit großen sozialen und wirtschaftlichen Problemen. Auch die Probleme an den Schulen „sind wesentlich gravierender als in Herten“, sagt Susanne Schäfer. Etwa in puncto Lehrermangel: „Nach Duisburg? Da will keiner hin“, erzählt die 52-Jährige offen. Und der bauliche Zustand? „Wesentlich schlechter. An unserem zweiten Standort sind wir zum Beispiel ohne Turnhalle. Als ich hier anfing, gleich in der ersten Woche, kam in der Turnhalle die Decke runter. Auch als ich die neue Schule betrat, dachte ich manchmal schmerzhaft an Herten zurück. In Herten-Mitte betrat man ein helles, lichtdurchflutetes Gebäude, und hier sind die Gebäude ... naja, anders“, sagt sie ohne Bitterkeit. Nach einer „Phase des Trauerns“ blickt sie jedoch längst nach vorne: „Das wichtigste ist, dass ich hier wieder eine Klasse habe, Kontakt zu den Kindern und zum Team, mit dem ich etwas bewegen will. Und Kinder sind ja einfach zauberhaft, in Duisburg genauso wie in Herten und in sozialen Brennpunkten genauso wie woanders.“

Es läuft „sehr gut“ ohne die AWO

„Sehr gut“, findet sie es, „dass ich an meiner neuen Schule nichts mit der AWO zu tun haben muss wie in Herten. Die OGS-Betreuung macht dort das evangelische Bildungswerk, und die Betreuung funktioniert hervorragend.“ Ein gezielter Seitenhieb auf ihre alten, ziemlich besten Feinde in Herten.

Rückblickend wirft sich Susanne Schäfer selber keine Verfehlungen vor, die 2023 ihre Abordnung auslösten: Sie mache ihren Job für möglichst gutes individuelles Lernen der Kinder seit eh und je mit Herzblut und Haltung. Sie habe sich 2023 nicht verbogen, wollte „nicht diplomatisch sein, nur um meine Stelle in Herten zu behalten. Ich habe mein Gesicht nicht verloren und habe mich in der Sache absolut korrekt verhalten.“

Susanne Schäfer ab 2025 im Stadtrat?

Auf dem Höhepunkt der Affäre hatte Hertens streitbare Schulleiterin die Umstände ihrer Abordnung als undemokratisch kritisiert und laut darüber nachgedacht, „selber in die Politik zu gehen“. Was aus dieser Idee geworden ist? „Interessante Frage“, antwortet sie. „Ich habe tatsächlich gerade zwei Angebote aus Herten. Ich bin schon immer ein politischer Mensch gewesen, darum reizt mich das. Das einzige, was mich noch bremst, ist der Zeitfaktor. Denn ich habe jetzt bei den Staus im Ruhrgebiet einen sehr langen Weg von und zur Arbeit.“ Entschieden habe sie noch nicht, verweist auf laufende Gespräche.

Welche Parteien sie gerne im nächsten Stadtrat sähen, will Susanne Schäfer nicht verraten. Den Tipp, dass die SPD angesichts ihres Konflikts mit der SPD-nahen AWO und SPD-Schuldezernent Pieper nicht dabei ist, kommentiert sie nicht. Sie sagt nur so viel: Es gebe im Hertener Rathaus immer noch Leute, die Unwahrheiten über sie verbreiteten. „Ich wurde mehrfach von Leuten angesprochen, denen erzählt wurde, ich dürfe nicht mehr als Schulleitung arbeiten. Traurig, dass jemand es offenbar immer noch nötig hat, so etwas in die Welt zu setzen.“

(Hinweis der Redaktion: Der Text erschien ursprünglich am13. Oktober 2024)

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