An den Tesla-Chef: „Was erlauben Musk?“ Söders Kardinalfehler und das Geschwätz von gestern

Söders Kardinalfehler und das Geschwätz von gestern: An den Tesla-Chef: Was erlauben Musk?
Lesezeit
Ulrich Breulmann

In der Biographie von Alexei Nawalny fand ich ein bemerkenswertes Zitat von Alexei Yurchak: „Alles war für ewig, bis es nicht mehr da war“. Mir scheint, dass wir mit dieser Erkenntnis das Jahr 2025 angehen sollten.

Sie macht uns bewusst, dass all unsere Gewissheiten jederzeit durchkreuzt werden können. John Lennon drückt das so aus: „Leben ist das, was passiert, während Du dabei bist, andere Pläne zu machen.“

Das gilt für das Leben jedes einzelnen, als auch für Staaten. Die Älteren erinnern sich sicher an die Zeit, als die deutsche Wiedervereinigung eine Utopie war. Dann kam 1989. Unvorstellbares geschieht. Immer wieder.

Und wenn bis dahin Undenkbares selbst verursacht ist, greift die Politik zum geflügelten Wort „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an“. Das passt zu 180-Grand-Wenden von Politikern. CSU-Chef Markus Söder sollte sich diesen Satz schon mal für die Zeit nach der Wahl notieren.

Seine kategorische Absage an eine Koalition mit den Grünen ist vielleicht schon am Wahlabend Makulatur. Derzeit spricht viel dafür, dass die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Dann gäbe es ohne AfD nur zwei realistische Koalitionen: CDU/SPD oder CDU/Grüne. In dieser Situation eine Zusammenarbeit mit einer der beiden Koalitions-Kandidaten auszuschließen, ist dumm.

Dass CDU und CSU eine absolute Mehrheit erhalten und keinen Partner benötigen, ist so wahrscheinlich wie die Wahl einer Frau zur Päpstin. Selbst Söder weiß das, auch wenn sein Plan aufgehen und er mit seinem Grünen-Bashing ein paar Stimmen von Rechts abfischen sollte. Also bleibt Rot und Grün als Option.

Es ist ein taktischer Kardinalfehler, die Chance aus der Hand zu geben, in Verhandlungen zwei Parteien gegeneinander ausspielen und das Beste für die eigene Klientel herausholen zu können.

Im Übrigen dürfte Söder es – abgesehen vom Zwang zu Kompromissen in einer Koalition – ohnehin schwer haben, seine Versprechen (Steuersenkungen, Infrastruktur, Aufrüstung...) zu finanzieren, ohne die Schuldenbremse zu lockern. Wie gesagt: Geschwätz von gestern.

Wie unverfroren Politiker Versprechen brechen, zeigen gerade Donald Trump und Elon Musk in den USA. Das zentrale Thema im US-Wahlkampf war die Ankündigung, mit aller Härte illegale Migration zu bekämpfen.

Weil ihm jetzt dämmert, dass Anti-Migrations-Politik seinen wirtschaftlichen Interessen massiv schaden würde, ist Musk umgeschwenkt und hat Trump mitgerissen. Was schert ihn sein Geschwätz von gestern?

Jetzt müsste auch dem letzten klar sein: Die wahre Macht in den USA liegt nicht beim künftigen Präsidenten Trump, sondern beim reichsten Mann der Welt. Geld regiert die Welt. Stimmt also doch.

„Elon Musk ist eine Krake“

Bei aller Gelassenheit gegenüber Überraschungen, die uns 2025 erwarten, müssen wir höllisch aufpassen. Musk ist eine Krake. Ihm reicht es nicht, die Politik der USA zu bestimmen. Er will auch in Deutschland die Fäden ziehen.

Wie Trump ist Musk überzeugt, dass er sich alles erlauben kann. Schamlos mischt er sich in den deutschen Wahlkampf ein, als sei das das Selbstverständlichste der Welt. Die AfD sei der „letzte Funken Hoffnung“, skandiert er, nur sie könne Deutschland retten, der Bundespräsident sei ein „antidemokratischer Tyrann“. Mir fällt Giovanni Trapattonis Wutrede von 1998 ein. Heute müsste es heißen: „Was erlauben Musk?“

Zudem ist es ja Unsinn, was Musk da verzapft. Die AfD will raus aus der EU, sich abschotten, dabei ist Deutschlands Wohlstand vom Export abhängig.

Und in Sachen Migration, die die AfD ebenso bekämpft wie einst Trump und Musk, geht es Deutschland wie Tesla: Wir brauchen Zuwanderung, für die Wirtschaft, in der Pflege und zur Sicherung unserer Sozialsysteme. Wie schizophren muss ein Milliardär sein, der seinen Reichtum E-Autos verdankt, aber bei uns die AfD unterstützt, die E-Autos ablehnt und auf Verbrenner setzt?

Weiß der Tesla-Guru all das nicht? Hat ihm das seine Einflüsterin – die 24-jährige Naomi Seibt aus Münster – all das nicht gesagt? Seibt gilt als Social-Media-Star der rechtsextremen Szene. Zuletzt verbreitete sie, dass Friedrich Merz eine schwarz-grüne Koalition plane und lieber Deutschland in den „Selbstmord“ treibe, als mit der AfD zu koalieren.

„Als wenn Björn Höcke in Deutschland Kanzler würde“

Der sich selbst als supercooler Technik-Zauberer gerierende, um seine Teslas tänzelnde Musk ist weder cool noch hip. Musk und die AfD sind eine Gefahr für die Demokratie, die uns seit fast 80 Jahren inneren und äußeren Frieden in noch immer beneidenswertem Wohlstand beschert hat.

Wer davor die Augen verschließt, darf sich nicht wundern, wenn er eines Morgens in einem Land aufwacht, das so ganz anders ist, als ihm das die rechte Propaganda verheißen hat. Österreich erlebt gerade solche Zeiten. Herbert Kickl von der in Teilen rechtsextremen FPÖ soll da jetzt Bundeskanzler werden. Das ist, als wenn in Deutschland Björn Höcke Kanzler würde. Das kann niemand, der bei Verstand ist, ernsthaft wollen.