Im Fall des vermeintlichen „falschen Doktors“ ist jetzt das Amtsgericht Borken am Zuge. Dort werden nach dem Abschluss des Ermittlungsverfahrens die von der Staatsanwaltschaft übermittelte Anklageschrift und die umfangreichen Akten geprüft. Wie lange diese Prüfung dauern werde, lasse sich noch nicht absehen, so Amtsgerichtsdirektor Dr. Martin Middeler auf BZ-Nachfrage.
Nach einer Anzeige hatte die Polizei Anfang März 2024 Ermittlungen gegen einen jungen Mann aufgenommen. Dabei ging es zunächst um den Vorwurf des Titelmissbrauchs, in der Folge auch um mutmaßlichen Betrug sowie Körperverletzung. Der Beschuldigte soll widerrechtlich einen medizinischen Doktortitel geführt haben und ohne ausreichende fachliche Qualifikation mehrere Monate in einer Arztpraxis in der Region tätig gewesen sein.
In der Folgezeit weitete sich der Fall aus. Die Ermittler werteten die von der Praxis zur Verfügung gestellten Akten aus und baten betroffene Patienten um Rückmeldung. Wie die Polizei im August auf Nachfrage erklärte, hatte der Mann während seiner Tätigkeit Kontakt zu 338 Praxisbesuchern. In 31 Fällen soll es zu Eingriffen wie zum Beispiel dem Verabreichen einer Schmerzinfusion oder dem Entfernen eines Muttermals gekommen sein. Bis dahin gingen bei der Polizei 88 Strafanträge wegen Körperverletzung ein.
62 Zeugen geladen
Der Fall dürfte einer der umfangreichsten werden, mit denen das Borkener Amtsgericht in den vergangenen Jahren zu tun hatte. Laut Behördenleiter Middeler hat die Staatsanwaltschaft 62 Zeugen und zwei Sachverständige benannt. Verhandelt werden soll, sofern die Anklage zugelassen wird, vor dem erweiterten Schöffengericht. Das tritt eher selten zusammen und ist mit je zwei Laien- und zwei Berufsrichtern besetzt. Üblich ist ein Berufsrichter.
Laut Gerichtsverfassungsgesetz ist es aber möglich, dass bei Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Hinzuziehung eines zweiten Richters beim Amtsgericht beschlossen werden kann, „wenn dessen Mitwirkung nach dem Umfang der Sache notwendig“ erscheine.
Generell werden vor einem Amtsgericht ausschließlich Fälle mit einem möglichen Strafmaß von maximal vier Jahren Freiheitsstrafe verhandelt. Sollte eine zu erwartende Strafe über dieses Maß hinausgehen können, wäre das Landgericht für den Prozess zuständig.