AfD bejubelt verheerende Fehler der etablierten Parteien „Auf in den politischen Selbstmord!“

AfD bejubelt verheerende Fehler der etablierten Parteien: „Auf in den politischen Selbstmord!“
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Ulrich Breulmann

Vor ein paar Tagen hat sich der Bundestag in die Sommerpause verabschiedet. Endlich. Das grausame Schauspiel des politischen Berlins in den vergangenen Wochen mag Freunden des schwarzen Humors gefallen, aber: Es treibt auch die Umfragewerte der AfD in die Höhe. Und das ist nicht lustig.

Wenn die große Mehrheit völlig normaler, keineswegs radikaler Durchschnitts-Menschen über politische Entscheidungen nur noch den Kopf schüttelt, dann kommt die AfD vor Lachen nicht in den Schlaf. Das sind Steilvorlagen, aus denen die rechtsextreme Partei ihre populistischen Parolen saugt.

Das haarsträubende Gezerre um das Heizungsgesetz ist da nur das prägnanteste Beispiel. Miserable Kommunikation, stümperhafte Vorbereitung, gezielt von der FDP gestreute Indiskretionen und das Brechen längst getroffener Vereinbarungen zwischen den Ampel-Partnern reihen sich hier aneinander: Ein Lehrstück, wie Politiker es nicht machen sollten. Die AfD jubelt: „Die Ampel vernichtet unseren Wohlstand“. Völliger Blödsinn, aber so ein Spruch sitzt.

„Klientelpolitik statt sozialer Marktwirtschaft“

Doch es ist ja nicht nur das Heiz-Debakel, das Menschen von den etablierten Parteien entfremdet. Drei aktuelle Beispiele:

1. Das Elterngeld. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat den meisten Ministerien Sparvorgaben gemacht. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sieht sich daher gezwungen, die Einkommensgrenze beim Elterngeld von 300.000 auf 150.000 Euro im Jahr zu halbieren. Wohlgemerkt, es geht um das zu versteuernde Einkommen, was gerne unterschlagen wird. Das Bruttoeinkommen liegt in diesen Fällen jenseits von 200.000 Euro. So viel Geld haben nur fünf Prozent der Bevölkerung, allesamt sehr, sehr gut verdienende Menschen.

Da scheint eine Kürzung prinzipiell verkraftbar zu sein. Doch dieser Paus-Vorschlag gefällt der FDP nun wieder auch nicht, träfe er doch genau das im Schnitt gut verdienende FDP-Klientel. Stattdessen, tönt es aus dem liberalen Dunstkreis, könne Lisa Paus doch die Elterngeld-Leistungen für alle kürzen, also auch für 95 Prozent der Menschen, die nicht so ein dickes Portemonnaie haben.

Man muss schon sein Verständnis von der „sozialen“ Marktwirtschaft gegen eine LKW-Ladung Klientelpolitik eingetauscht haben, um an solch einen Vorschlag überhaupt zu denken. Im Übrigen: Wieso muss ausgerechnet bei den Familien gespart werden, wenn der Bund gleichzeitig an den Intel-Konzern rund 10 Milliarden Euro für den Bau einer Chip-Fabrik in Magdeburg überweist?

Ob die Intel-Förderung richtig oder falsch ist, kann ich nicht beurteilen. Offensichtlich ist für mich aber eines: Mit jedem Euro, der zeitgleich bei Leistungen für Familien gekürzt wird, sinkt die Akzeptanz für die Milliarden an den US-Riesen und schwindet das Vertrauen in die politisch Handelnden. Ein gefundenes Fressen für alle, die mit purem Populismus auf Stimmenfang gehen.

Wieso sitzt Andreas Scheuer noch im Bundestag und kassiert hohe Diäten?

2. Andreas Scheuer: Im Mai 2015 beschloss der Bundestag die Pkw-Maut. Im Dezember 2018 unterschrieb der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Lieferverträge mit den Maut-Firmen. Zuvor war er von zig Seiten gewarnt worden, genau das nicht zu tun. Er möge bitte das in Kürze zu erwartende, aller Voraussicht nach vernichtende Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten. Scheuer unterschrieb trotzdem, das Gericht verschrottete im Juni 2019 die Maut-Pläne und jetzt muss der Bund 243 Millionen Schadensersatz leisten.

Und Herr Scheuer? Der sitzt weiter für die CSU im Bundestag, kassiert Monat für Monat 10.591,70 Euro Diäten plus 4.725,48 Euro Aufwandsentschädigung. Politiker mit einem Funken Anstand im Leib hätten sich längst voller Scham und Reue selbst kasteit und freiwillig ihr Bundestags-Mandat zurückgegeben. Warum die CSU ihn bis heute stützt, ist mir ein Rätsel. Und dass Scheuer bisher und wahrscheinlich auch in Zukunft keinen Schadenersatz für die Verschleuderung von Millionen mit Ansage leisten muss, ist skandalös.

Wie kann man nur gegen ein Rauchverbot im Auto sein?

3. Zum Schluss noch die Geschichte mit dem Rauchverbot im Auto. Gesundheitsminister Karl-Lauterbach (SPD) hat angekündigt, das Rauchen im Auto zu verbieten, wenn Schwangere oder Kinder im Auto mitfahren. Ehrlich gesagt: Ich war davon ausgegangen, dass das längst verboten ist, und frage mich, warum Rauchen im Auto nicht generell untersagt wird.

Welcher Mensch, der auch nur halbwegs bei Sinnen ist, raucht in einem Auto, wenn andere Menschen mitfahren? In Kneipen ist Rauchen seit 10 Jahren untersagt. Wieso ist es noch immer erlaubt, Schwangere, Kinder und alle anderen in einem Auto zu transportieren, das Raucher in eine Gift-Kapsel verwandeln? Wieso schützt der Staat sie nicht?

Das Schlimmste an der Sache: Aus der CDU und vom Ampel-Partner FDP wird auch diese längst überfällige Maßnahme torpediert. Statt auf Verbote solle man eher auf Aufklärung setzen, Lauterbach solle seinen „Gesundheitswahn zuhause ausleben“ (Kristine Lütke, drogenpolitische Sprecherin der FDP), die „Bevormundung mündiger Bürger“ müsse aufhören. Welch ein Unfug, aber genau das Horn, in das auch die AfD immer wieder bläst: „Die da oben nehmen uns unsere Freiheit“.

Vernünftige Menschen benötigen kein Rauchverbot, das stimmt. Bei allen anderen helfen aber weder Aufklärung noch Appelle: Hier wirkt nur ein striktes Rauchverbot mit der Androhung saftiger Bußgelder.

Einfach nur dumm: die neue Debatte um das Ehegatten-Splitting

Ich hatte gehofft, dass sich in der Urlaubszeit die in den vergangenen Wochen offenbar völlig überhitzten Berliner Köpfe wieder abkühlen und sich vom Weg in den politischen Selbstmord verabschieden würden. Ich fürchte, ich werde enttäuscht.

Ausgerechnet jetzt hat die SPD die nächste Harakiri-Diskussion losgetreten: die Abschaffung des Ehegatten-Splittings. Selbst wenn darüber eine Diskussion sinnvoll sein könnte, gäbe es keinen schlechteren Zeitpunkt als ausgerechnet jetzt nach diesen desaströsen Berliner Monaten. Sie jetzt zu entfachen, ist einfach eine unsägliche politische Dummheit.