Vor 105 Jahren war die Elektrische Viktoria eines der ersten Fahrzeuge, das nur mit elektrischer Energie betrieben durch Berlin rollte. Hergestellt von den Siemens – Schuckert Werken in Berlin diente sie mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und einer Reichweite von 80 km vor allem als elegantes Hoteltaxi.

Vor 105 Jahren war die Elektrische Viktoria eines der ersten Fahrzeuge, das nur mit elektrischer Energie betrieben durch Berlin rollte. Hergestellt von den Siemens – Schuckert Werken in Berlin diente sie mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und einer Reichweite von 80 km vor allem als elegantes Hoteltaxi. © Siemens AG

140 Jahre sauber in Bewegung – die Geschichte des E-Autos

rnSerie: Unser Klima

Mobilität: Elektroautos als neue Zukunftstechnologie? Von wegen. Eigentlich sind sie Dinosaurier, die schon vor mehr als 100 Jahren die Straßen bevölkerten. Ein Rückblick mit Höhen und Tiefen.

von Christoph Wegener

05.10.2022, 04:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Elektrische Autos haben sich zu einem Sinnbild für zukunftsorientierte Mobilität entwickelt. Der E-Motor soll auf absehbare Zeit den Verbrenner obsolet machen, die Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen beenden und eine umweltfreundliche Fortbewegung garantieren. Gerne wird dabei vergessen, dass die Geschichte des Elektroautos bis zu den Ursprüngen der Automobilität zurückreicht: Schon vor über 120 Jahren wurde der Antrieb im Straßenverkehr genutzt, sorgte für einige Meilensteine der Mobilität und verlor am Ende trotzdem das Rennen gegen den Verbrennermotor.

Die Anfänge

Pariser Passanten werden am 19. April 1881 ihren Augen nicht getraut haben: Wie von Geisterhand gezogen, rollte auf der Rue de Valois ein Dreirad an ihnen vorbei. Über das Kopfsteinpflaster holpernd, präsentierte der französische Ingenieur Gustave Trouvé der Welt seine Erfindung. Direkt hinter ihm sorgte ein Elektromotor der Firma Siemens für die notwendige Energie.

Der Franzose erreichte mit dem Antrieb 12 km/h, die Reichweite wird auf ungefähr 14 bis 26 Kilometer geschätzt. Aus heutiger Sicht keine beeindruckenden Werte. Doch die Hauptsache war: Das Konzept des E-Dreirads funktionierte – nicht nur auf dem Reißbrett, sondern auch auf der Straße. Und das vier Jahre bevor Carl Benz sich mit seinem benzinbetriebenen Wagen in Mannheim in Bewegung setzte.

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Schon vor Trouvés Ausflug hatte es durchaus erfolgsversprechende Experimente mit Elektromotoren gegeben. 30 Jahre vor der Fahrt durch die Pariser Straßen erreichte beispielsweise die Elektrolok des US-Erfinders Charles Grafton Page 31 Stundenkilometer, dann musste der Versuch wegen technischer Probleme abgebrochen werden. Massentauglich war der überdimensionale Motor im Gegensatz zu Trouvés Konstruktion aber sowieso nicht.

Ein Jahr nach der Fahrt des französischen Ingenieurs bauten William Edward und John Perry ihr eigenes elektrisches Dreirad. Während Trouvés Erfindung von nur einer Bleisäure-Batterie angetrieben und bisweilen zusätzlich über Pedale mit Muskelkraft unterstützt wurde, verknüpften die britischen Professoren direkt zehn Batterien. Durch An- und Abschalten konnten sie die Geschwindigkeit regeln, zudem hatte ihr Fahrzeug eine funktionierende Beleuchtung. 1888 gelang dafür einem deutschen Ingenieur der Durchbruch: Andreas Flocken baute eine vierrädrige hölzerne Kutsche deren Hinterachse mittels Lederriemen von einem Elektromotor bewegt wurde.

Erste Erfolge

In den folgenden Jahren trieben Ingenieure und Erfinder die Entwicklung des elektrischen Autos weiter voran, die Grenzen des Machbaren wurden immer wieder verschoben. So erreichte das elektrische Auto La Jamais Contente (französisch: Die nie Zufriedene) als erstes Straßenfahrzeug im Jahr 1899 eine Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h.

Im Museum steht das zigarrenförmige Elektroauto "La Jamais Contente" (die niemals Zufriedene) von 1899.

Rekordauto mit Elektroantrieb: Mit der zigarrenförmigen "La Jamais Contente" (die niemals Zufriedene) fuhr der Franzose Camille Jenatzy 1899 erstmals in der Geschichte mit einer Geschwindigkeit über 100 Km/h, genau 105,882 Km/h. Das Fahrzeug ist ein Ausstellungsstück des Musée National de la Voiture et du Tourisme in Compiegne. © picture-alliance / dpa

Auch im Alltag schien der E-Antrieb dem Verbrennermotor den Rang abzulaufen. Dieser war zu unzuverlässig, der Umgang mit leicht entzündlichen Kraftstoffen gefährlich und das Fahrzeug musste mit Muskelkraft in Gang gesetzt werden. Der elektrischen Antrieb kam dagegen ohne angestrengtes Ankurbeln aus.

Entsprechend waren die Benziner beispielsweise in den USA um das Jahr 1900 in der Unterzahl, wie Marc Lemmel in seiner Doktorarbeit über Energiespeichersysteme für emissionsfreie Fahrzeuge schreibt. Demnach sei nur jedes fünfte Straßenfahrzeug ein Benziner gewesen, elektrisch wurden 38 Prozent angetrieben und Dampfmaschinen machten mit 40 Prozent immer noch den größten Anteil aus. Im Jahr 1912 waren in den USA bereits rund 35.000 E-Autos angemeldet.

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Probleme mit der Ausdauer

Die geringe Speicherkapazität der Antriebsbatterien war zu dieser Zeit kaum ein Thema, denn es gab wenige gut ausgebaute Straßen, die Städte und Dörfer miteinander verbanden. Lieferfahrzeuge und Taxen legten im urbanen Verkehr keine großen Distanzen zurück. Der elektrische Motor war für solche Aufgaben ideal geeignet. Auch in Deutschland fuhren bald Elektrofahrzeuge wie die Elektrische Viktoria aus den Siemens-Schuckert Werken in Berlin durch die Straßen. Sie diente mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und einer Reichweite von 80 km vor allem als Hoteltaxi. Transporter von Unternehmen wie AEG und Bergmann gab es ebenfalls.

Als mehr und mehr lange Routen für Autos erschlossen wurden, änderte sich die Situation. Benzin war billig, die Zahl an Tankstellen wuchs. Gleichzeitig schafften es die Autobauer nicht, die Reichweite der elektrischen Antriebe signifikant zu erhöhen. Benziner waren zwar laut und stanken, aber sie ermöglichten den Menschen nun eine nie gekannte Freiheit und Flexibilität. Ein Verkaufsargument, mit dem E-Autos in den kommenden Jahrzehnten nicht konkurrieren konnten.

Der EV-! war ein Elektrofahrzeug von General Motors.

Kurzes Gastspiel: Von 1996 bis 1999 baute General Motors den EV-1 insgesamt 117 mal. Sein Motor leistete 101 kW/137 PS und beschleunigte in neun Sekunden auf 100 km/h. Doch man konnte den Wagen nur leasen. Bis heute ist nicht ganz klar, warum der Hersteller 1999 alle Wagen zurückrief und verschrotten ließ. © picture alliance / dpa-tmn

Versuche, neue E-Modelle salonfähig zu machen, gab es trotzdem. 1990 stellte zum Beispiel der US-Autobauer General Motors (GM) das Modell EV-1 vor. Der Konzern betonte selbstbewusst, dass es kein Problem sei, das Fahrzeug zu produzieren und zu verkaufen. 1996 wurde das EV-1 auf den Markt gebracht, nur 1117 Wagen liefen vom Band. Das Auto beschleunigte in 8,5 Sekunden von Null auf 100 km/h, konnte zu Hause geladen werden, hatte aber nur eine Reichweite von 120 bis 160 Kilometer.

Das Hauptproblem war jedoch ein anderes: Das EV-1 konnten Kunden nicht kaufen, sondern nur für drei Jahre leasen. Als Grund wurde unter anderem angeführt, dass die Wartung zu kompliziert und nur von GM selbst durchgeführt werden könnte. 1999 rief der Konzern dann alle Fahrzeuge zurück und ließ sie verschrotten – warum, weiß niemand ganz genau. Vermutet wird, dass es an Ersatzteilen mangelte, weil die Produktion des Fahrzeugs bereits eingestellt worden war. Alleine der Bau der Akkus kostete rund 20.000 Euro pro Auto. Die Fahrzeughalter waren empört und veranstalteten einen Trauerzug durch Los Angeles. Am Schicksal des EV-1 änderte das nichts.

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Die Rückkehr

Nachdem der elektrische Antrieb bei der Entwicklung neuer PKW-Modelle lange kaum eine Rolle spielte und die Nachfrage aufgrund niedriger Reichweite und hoher Anschaffungskosten verhalten blieb, hat das Interesse an E-Autos in den vergangenen Jahren wieder zugenommen. Im Januar 2022 waren nach Angaben des ADAC 618.460 Elektroautos in Deutschland zugelassen. Damit machen die Stromer mit Blick auf die Gesamtzulassungen zwar einen Bruchteil aus (1,3 Prozent), aber nicht zuletzt wegen steigender Benzin- und Dieselpreise werden die Fahrzeuge immer mehr zu einer echten Alternative.

Die Reichweite elektrischer Autos steigt dank neu entwickelter Akku-Technologien an. Überholt wurden die Verbrenner dabei noch nicht, aber öffentliche Ladesäulen sind inzwischen weiter verbreitet. Zudem werden elektrisch angetriebenen PKW bezahlbarer und politisch gefördert.

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Entscheidungen wie das Verbrenner-Verbot der EU ab dem Jahr 2035 treiben die Verkehrswende voran. Auch deutsche Hersteller wie Audi und Volkswagen sind dadurch gezwungenermaßen an der ernsthaften Weiterentwicklung von elektrischen Autos interessiert. Ein dringend notwendiger Schritt: Die Konsequenzen des Klimawandels sind längst global spürbar, ein Festhalten an der umweltschädlichen Verbrennertechnologie auch vor dem Hintergrund schwindender Ressourcen ist keine Option mehr.

Innovative Modelle wie die Fahrzeuge von Tesla sorgen für breiteres Interesse an der Technologie und polierten das Image der Stromer nachhaltig auf. Die Autos des US-Autobauers punkteten von Beginn an mit futuristisch elegantem Design. Dadurch entwickeln sie trotz hoher Anschaffungskosten einen eigenen Reiz, bringen optisch frischen Wind in die Welt der Mobilität.

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Andere Autobauer folgten diesem visuellen Anspruch. Auch deswegen erleben E-Autos nun eine Renaissance, nachdem sie jahrzehntelang im Schatten von Dieselfahrzeugen und Benzinern standen. Ob sich die Elektromobilität in den kommenden Jahrzehnten als alternativlose Lösung herausstellt, wird sich jedoch erst zeigen. Schließlich wird ebenso an anderen Antrieben, die beispielsweise mit Wasserstoff arbeiten, geforscht.

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