12.000 Menschen demonstrieren in Recklinghausen für die Demokratie „Wir wollen keine Nazis“

12.000 Menschen demonstrieren für die Demokratie: „Wir wollen keine Nazis“
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12.000 Menschen stehen Schulter an Schulter auf dem Rathausplatz in Recklinghausen. Sie mögen die unterschiedlichsten politischen Meinungen vertreten, aber sie wollen nicht länger schweigen. Den rechten Strömungen und der AfD rufen sie zu: „Wir sind mehr!“

In ganz Deutschland gehen an diesem Samstag (20.1.) Menschen auf die Straße. Nachdem das Recherche-Netzwerk Correctiv aufgedeckt hat, dass bei einem Geheimtreffen von AfD-Vertretern und Gleichgesinnten Pläne für eine „Remigration“, also eine zwangsweise Rückführung von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert wurde, sind viele Menschen wach geworden.

„Wir sind Eltern, Großeltern, Frauen und Männer ohne Kinder... Wir sind alle Menschen. Als Menschen stehen wir hier gemeinsam, um zu signalisieren, dass es keine Wiederholung der Geschichte gibt“, betont Sprecher Peter Gerwinat. Mit dem Bündnis „Es REicht!“ hat der Recklinghäuser die Demonstration organisiert. Dass die Gruppe mit dem Aufruf mehr als ein paar Hundert Menschen erreichen würde, hatte er gehofft. Doch der Blick auf 12.000 Menschen – von Kindern bis zu Großeltern – von der Rathaustreppe aus, raubt ihm den Atem.

Schulter an Schulter standen die Demonstranten auf dem Rathausplatz und machten friedlich Platz für die Nachrücker.
Schulter an Schulter standen die Demonstranten auf dem Rathausplatz und machten friedlich Platz für die Nachrücker. © Jörg Gutzeit

Eine friedliche und familiäre Atmosphäre

Dabei ist beim Start auf dem Altstadtmarkt schon abzusehen, dass sehr, sehr viele Leute aus dem ganzen Kreis Recklinghausen endlich Flagge zeigen wollen. Der Platz füllt sich von Minute zu Minute, sämtliche Zugangsstraßen in der Fußgängerzone sind voller Menschen. Und bereits da ist die rücksichtsvolle, freundliche Atmosphäre dieser Großdemonstration zu spüren. Obwohl es so voll ist, gibt es kein Drängen, Murren oder Schubsen.

Ein Eindruck, den auch die Polizei bestätigt. „Es war friedlich und freundlich“, fasst Einsatzleiter Martin Wilhelm zusammen, als die Demonstration um 14.10 Uhr beendet ist: „Es war eine Gemeinschaft, in der alle die gleichen Interessen hatten.“

Vom Altstadtmarkt aus zieht diese riesige Gemeinschaft geduldig und gelassen über die Kunibertistraße auf den Wallring. Autofahrer, die rechts ranfahren und warten müssen, signalisieren ihre Unterstützung mit Winken, „Daumen hoch“, Lächeln und spürbar wohlgesonnenem Hupen. Hektik und Ungeduld, sonst Alltag im Verkehr, legen eine Pause ein.

12.000 gingen auf die Straße, darunter auch Elke Haase und Anke Westenburger mit dem Schild "EkelhAFD", Familie Lechtenböhmer mit der Forderung "Nazis raus" und Melanie Schäpers (r.).
12.000 gingen auf die Straße, darunter auch Elke Haase und Anke Westenburger mit dem Schild "EkelhAFD", Familie Lechtenböhmer mit der Forderung "Nazis raus" und Melanie Schäpers (r.). © Silvia Seimetz

„Ich möchte nicht mehr still sein“, erklärt Melanie Schäpers, warum sie mit Freunden und einem Schild „Menschenrechte statt rechter Menschen“ dabei ist. „Die Rechten waren bisher lauter als wir, aber jetzt nicht mehr. Denn wir sind die Mehrheit.“

Auch zwei Freundinnen wandern mit. Ihr Schild „EkelhAFD“ sorgt für viel Aufmerksamkeit in ihrer Umgebung. „Meine Tochter hat es gebastelt und schon in Bochum hochgehalten, wo wir am Freitag waren“, erklärt Anke Westenburger, „für heute habe ich es mir ausgeliehen.“ „Wir wollen ein Zeichen setzen, dass die Geschichte sich nicht wiederholen darf“, ergänzt Elke Haase.

Auch Familie Lechtenböhmer hielt es nicht mehr daheim: „Wir waren gestern in Münster, heute zeigen wir in Recklinghausen, dass die AfD keine Alternative ist.“ Die Mädchen halten selbstgemalte Schilder in Hand. „Wir tragen die Verantwortung für die Welt, in der wir leben.“

Nicole Jednoralski musste einfach auf die Straße gehen: „Ich will nicht, dass es bei uns wieder so wird, wie noch zu Zeiten meiner Oma.“ Recklinghausen sei eine so nette, tolle Stadt, „und so soll es auch bleiben“.

Partystimmung auf dem Rathausplatz

Am Lohtor biegt der Demonstrationszug wieder in die Stadt, quert einmal die City, kommt am Steintor zurück auf den Wallring und geht runter zum Rathaus. Der Start der Reden verzögert sich. Langeweile kommt auf dem sich unaufhaltsam füllenden Rathausplatz zu keiner Sekunde auf. Stattdessen herrscht schon Partystimmung, als aus Tausenden Kehlen der Ärzte-Hit „Schrei nach Liebe“ klingt und dazu getanzt wird. Die rund 25-AfD-Vertreter hatten ihren Infostand neben dem Wochenmarkt zu diesem Zeitpunkt schon hurtig aus eigener Initiative abgebaut und das Feld geräumt.

In den unterschiedlichen Redebeiträgen, unter anderem von Bürgermeister Christoph Tesche, Landrat Bodo Klimpel und Ruhrfestspiel-Intendant Olaf Kröck, wird vor der „braunen Gefahr“ gewarnt. „Wir wollen keine Nazis im Kreis Recklinghausen“, ruft der Landrat und erntet viel Applaus.

Tesche mahnt: „So lange wir schweigend auf dem Sofa sitzen, macht es den Eindruck, als ob wir wenige wären. Aber wir sind mehr.“

Der Demonstrationszug zog vom Wall aus über die Münsterstraße quer durch die Altstadt.
Der Demonstrationszug zog vom Wall aus über die Münsterstraße quer durch die Altstadt. © Jörg Gutzeit

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