Segnung von homosexuellen Paaren: 103 deutsche Pfarrer nehmen es mit dem Vatikan auf

Kirche

Sie wollen homosexuelle Paare segnen, sie wollen Geschiedene segnen. 103 katholische Pfarrer planen Segnungs­gottes­dienste – und lehnen sich damit gegen ein explizites Verbot des Vatikan auf.

von Geraldine Oetken

, 08.05.2021, 10:48 Uhr / Lesedauer: 3 min
Im Kölner Dom wird es keinen Segnungsgottesdienst für homosexuelle Paare geben – dafür aber in 103 Gemeinden in ganz Deutschland.

Im Kölner Dom wird es keinen Segnungsgottesdienst für homosexuelle Paare geben – dafür aber in 103 Gemeinden in ganz Deutschland. © picture alliance/dpa

103 katholische Gemeinden in ganz Deutschland wollen am Montag ein Zeichen im Namen der Liebe setzen – und Paare segnen, die eigentlich nicht gesegnet werden sollen, wenn es nach dem Vatikan geht. #liebegewinnt heißt die Aktion, in der homosexuelle Paare und auch schon mal Geschiedene Gottes Segen empfangen sollen.

„Wir möchten ein anderes Gesicht der katholischen Kirche zeigen für diejenigen, die in der Vergangenheit von ihr verletzt wurden“, sagt Jens Ehebrecht-Zumsande, einer der Initiatoren der Aktion und langjähriger Entwicklungspädagoge im kirchlichen Dienst. Einen neuen Grund gab es erst Mitte März: Da verschickte der Vatikan ein Schreiben, in dem die Segnung homosexueller Paare im Vatikan verboten werden sollte. Die Römische Glaubenskongregation, der Zentralbehörde der katholischen Kirche, teilte dadurch mit, dass die Kirche nicht die Vollmacht besitze, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Dies entspräche nicht dem göttlichen Willen.

In Deutschland fachte das Schreiben die innerkirchliche Debatte weiter an. Zwei Priester sammelten unter den Seelsorgern Unterschriften gegen dieses Schreiben. Und nach ein paar Wochen reifte ein Plan heran: Den Unterschriften sollten auch Taten folgen: Am 10. Mai wollen sich die teilnehmenden katholischen Gemeinden für die Liebe starkmachen und homosexuelle Paare segnen oder auch solche, bei denen eine Person bereits verheiratet war und nun geschieden ist.

Shitstorm für #liebegewinnt aus konservativen Kreisen

Doch stößt die Aktion in Kirchenkreisen auch auf Kritik: „Es gab einen Shitstorm aus den erwarteten konservativen Kreisen“, so Ehebrecht-Zumsande. Darunter sei auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, gewesen. „Es wurde gesagt, dass wir nicht im Zentrum der katholischen Kirche stehen würden – oder dass wir den Gottes­dienst für Protestaktionen missbrauchen würden.“ Dem widerspricht der Entwicklungspädagoge vehement. „Auch wenn die Gesamtaktion schon eine Form des Protests ist, geht es im Gottesdienst nur um die Paare. Um das Menschliche.“

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Mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen die Macher hinter der Aktion erst einmal nicht: Auch wenn schon manch ein Priester einen unerfreuten Bischof am Telefon hatte. „Von manchen Webseiten im Bistum musste dann der Hinweis herunter­genommen werden“, berichtet Ehebrecht-Zumsande. Doch lassen sich die Frauen und Männer, die sich für ein diverses Bild der katholischen Kirche einsetzen, davon nicht entmutigen.

„Der Segen Gottes gehört nicht der Kirche“

„Ich bin immer wieder fassungslos, dass diese Menschlichkeit nicht als selbstverständlich in der katholischen Kirche angesehen wird“, sagt Ehebrecht-Zumsande. Ein Verbot der Segnung von Homosexuellen versteht er erst recht nicht. „Der Segen Gottes gehört nicht der Kirche. Das ist ein Dienst.“ Das Engagement für die Segnung homosexueller Paare fuße damit fest auf spirituellem Grund. Doch werde so viel diskutiert. „Jetzt wollen wir diese Menschen einfach feiern. Und die Stimmen von denen hören, über die wir sonst nur reden.“

Dass homosexuelle Paare eines Tages die Möglichkeit haben, auch in katholischen Kirchen zu heiraten, glaubt Jens Ehebrecht-Zumsande fest. „Der Tag wird kommen. Aber ich habe in der katholischen Kirche gelernt, dass man nicht einfach warten und hoffen kann, dass die Kirchenleitung irgendetwas gewährt.“ Als er vor 25 Jahren im kirchlichen Dienst anfing, habe sich die Basis gegen die Leitung aufgelehnt.

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Doch wenn heute über die Rechte von Frauen, Homosexuellen oder Geschiedenen in der Kirche oder über den Zölibat diskutiert wird, gehe ein Ruck quer durch alle Hierarchien. „Da gibt es auf jeder Ebene diejenigen, die Reformen befürworten, und die, die sich dagegen wehren.“ Die Corona-Pandemie beschleunigt seiner Meinung nach die Diskussion, die seit zwei oder drei Jahren verstärkt geführt werde. „Wir merken, dass die Kirche immer weniger anschlussfähig ist.“

Suchen homosexuelle Paare noch den Anschluss an die katholische Kirche?

Doch gibt es nicht nur die Kritiker aus der Kirche, die die Aktion ablehnen. Es könnte auch sein, dass sich homosexuelle Paare nicht segnen lassen wollen. „Die Pfarrer, die die Gottesdienste anbieten, wissen letztendlich nicht, ob da auch wirklich Leute kommen. Die katholische Kirche hat in den letzten Jahren so viele Paare verletzt, dass es sein kann, dass sie sich ganz von der katholischen Kirche abgewendet haben. Manche sagen auch, dass so ein Segen sich anfühlt wie eine Ehe zweiter Klasse.“ Für diese Leute komme so eine Aktion wie #liebegewinnt einfach ein paar Jahre zu spät. Sie haben sich von der katholischen Kirche bereits abgewandt.

Doch glaubt der Entwicklungspädadoge, dass das Ringen um die zentrale Frage ist: Wie sehen wir uns als christliche Gemeinschaft im 21. Jahrhundert in einer Gesellschaft im radikalen Wandel?“, sagt Ehebrecht-Zumsande. Wie so eine Kirche im 21. Jahrhundert aussehen kann, lässt sich dann am Montag beobachten. „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ Das wusste auch schon Apostel Paulus.