„Zwischen AfD und Scientology“ Theater-Stück in Lünen spaltet die Gemüter

„Zwischen AfD und Scientology“: Theater-Stück spaltet die Gemüter
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„Heimat?“ nannte Jelena Ivanovic ihre Tanz- und Theater-Produktion, die sie mit Kompositionen des Musikers und Tänzers Markus Stollenwerk auf dem städtischen Außengelände um das Schloss Schwansbell in Lünen inszenierte.

Die Uraufführung war im August 2020 in einer Essener Kleingartenanlage. Seitdem hat sie das Stück an verschiedenen Orten in Deutschland mit Erfolg in Fußgängerzonen und Landschaftsparks aufgeführt. „Das Gelände um ein Schloss hatten wir noch nie dabei“, gestand Ivanovic nach der Aufführung.

Anfangs wurden die rund 50 Besucher fast schon brüskiert, denn sie mussten einen „Fragebogen zum Erlangen des Tages-Passierscheins für Heimland-Besucher“ ausfüllen. Nicht alle füllten den Bogen aus, der sehr direkte Fragen zum Begriff Heimat enthielt. Dennoch durften alle „Heimland-Besucher“ weitere 12 Stationen im Park des Schlosses und im und am Museum Lünen besuchen.

Der "Heimland Tours Guide" führte die Besucher durch das Gelände.
Der "Heimland Tours Guide" führte die Besucher durch das Gelände. © Elvira Meisel-Kemper

Ein stummer „Heimland Tour Guide“ führte die Gruppe zu den Stationen, an denen die Akteure bereits warteten. Erkennungsmerkmal aller sieben Akteure waren orangefarbene Schuhe. Stollenwerk erwartete sie mit dem Akkordeon und dem veränderten Kinderlied „Maikäfer flieg“, in dem er von Krieg und Zerstörung berichtet und sogar den Nachbarschaftsstreit um einen Baum einbezog.

Manches ließ die Zuhörer schmunzeln, aber die grausame Wirklichkeit von Neid und Zwist der Menschen untereinander holte sie dennoch ein. Das wurde auch an anderer Stelle sichtbar, als zwei Tänzer links und rechts des Weges ihren Streit pantomimisch und tanzend ausfochten, ohne sich zu berühren.

Marschmusik erklang, als fünf Tänzer und zwei Frauen, darunter die Choreografin, sich Stück für Stück am Schloss tanzend auf die Zuschauer zu bewegten.

Die Tänzerinnen und Tänzer waren vor allem durch ihre orangenen Schuhe sehr auffällig.
Die Tänzerinnen und Tänzer waren vor allem durch ihre orangenen Schuhe sehr auffällig. © Elvira Meisel-Kemper

Malerisch in die Natur eingebettet tanzte eine Tänzerin zu den Keyboardklängen von Stollenwerk. Es wirkte wie ein Hauch von Harmonie, während danach der „Heimlander“ im Gartenpavillon wortreich den Zuhörern den Unterschied zwischen Heimlander und Heimländer erklärte: „Ich bin hier geboren. Ich bin ein Heimlander. Meine Frau Inge ist Heimländerin, weil sie hier nicht geboren wurde.“

Daraus sprach Abgrenzung und Beschreibung der eigenen Identität und Sicherheit, in der nach Regeln verfahren werde. Jeder, der diese nicht beachte, werde ausgeschlossen. Dazu passte die spätere Bemerkung von Ivanovic: „Das Stück könnte man irgendwo zwischen AfD und Scientology ansiedeln. Es soll zum Nachdenken anregen und zum Hinterfragen des eigenen Heimatbegriffs.“

In dem Theaterstück gab es viele ausdrucksstarke Szenen.
In dem Theaterstück gab es viele ausdrucksstarke Szenen. © Elvira Meisel-Kemper

Auch Lieder wie „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ von Franz Joseph Degenhardt zielten in diese Richtung. Am Ende tanzten alle sieben Akteure noch gemeinsam und freuten sich über den ausgiebigen Applaus.

Besucher Harald Boese aus Kamen war ebenso begeistert: „Aggression und Nachbarschaftskonflikte konnte man gut erkennen. Eine Lösung zu den aktuellen Konflikten um Migration und Integration wurde nicht erkennbar.“

Veranstalterin Barbara Elisabeth Kastner, Fachdienst Kultur der Stadt Lünen, war ebenso begeistert von dieser Darbietung: „Es ist eine Auseinandersetzung mit Regeln durch Sprache in Verbindung mit Tanz und Musik. Es ist unterhaltend und erweitert den Horizont.“

Ein "Heimlander" regte sich auf.
Ein "Heimlander" regte sich auf. © Elvira Meisel-Kemper

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