„Am Steinkreuz“ heißt die Straße im Lüner Ortsteil Alstedde, die die Bahnlinie Dortmund-Enschede kreuzt – ohne Schranken. Allein Rotlicht und Warnton halten Autofahrerinnen und -fahrer davon ab, die Schienen zu queren – oder eben nicht. Zuletzt war es am 31. Oktober zu einem schweren Unfall gekommen.
Die Regionalbahn hatte am Vormittag den Audi einer 48-jährigen Frau aus Lünen-Alstedde erfasst. Dass sie das fast ohne Kratzer überlebt hat, grenzt an ein Wunder. Genauso wie die Tatsache, dass zwei Jahre zuvor ein Autofahrer aus Dortmund an gleicher Stelle die Kollision mit dem Zug überlebt hat. Auf weitere solche Wunder möchten sich Anwohner und Politik in Lünen lieber nicht verlassen müssen.
Sie fordern von der Deutschen Bahn (DB), für mehr Sicherheit zu sorgen – am besten mit einer Schrankenanlage. Tatsächlich plant die DB „Am Steinkreuz“ noch darüber hinaus, wie am Dienstagabend (19. November) im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung eher beiläufig bekannt geworden ist. Die Sache hat aber einen Haken.
In einem Dringlichkeitsantrag für die Sitzung hatte die SPD-Fraktion „Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit an unbeschrankten Bahnübergängen“ gefordert, die „nach den jüngsten Ereignissen unseres Erachtens keinen Aufschub“ mehr duldeten. Die Stadt solle „alles Mögliche unternehmen, um potenzielles Fehlverhalten und dessen Folgen weitestgehend auszuschließen“. Konkret: Die Verantwortlichen der Stadtverwaltung sollten also umgehend das Gespräch mit der Bahn suchen und auf Abhilfe drängen, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Rüdiger Billeb. Nicht nur er war verblüfft, als er hörte, dass das längst erfolgt sei und der Antrag deshalb eigentlich nicht mehr notwendig sei.

Ortstermin schon vor dem Unfall
„Wir hatten bereits mit der Deutschen Bahn einen Ortstermin“, sagte Albrecht Buscher, der Lüner Fachdienstleiter Mobilitätsplanung und Verkehrslenkung. Das Planungstreffen habe im Oktober stattgefunden – und zwar noch bevor der Zug den Audi auf den Gleisen mitriss. Es ist dabei nicht nur darum gegangen, den Bahnübergang „Am Steinkreuz“ mit Halbschranken und neuen Signalanlagen zu versehen. Dort werde größer gebaut: Ein Haltepunkt für Alstedde soll entstehen, neben Hauptbahnhof und Bahnhof Preußen der dritte Bahnhalt im Lüner Stadtgebiet. Einziger Wermutstropfen: Die Umsetzung der Maßnahme ist laut Büscher erst für 2030 geplant. „Das ist für die Bahn aber eigentlich schnell“, meinte er.
Bereits Ende 2022 hatte die DB auf Anfrage der Redaktion angekündigt, den seit mehr als 40 Jahren in der Diskussion befindlichen Haltepunkt für den großen Altlüner Stadtteil endlich bauen zu wollen.
Damals war noch davon die Rede, die Maßnahme „bis 2029“ umsetzen zu wollen. Ende Juni 2023 konkretisierte die DB wieder auf Anfrage ihr so lange gefordertes Bauvorhaben. Nicht etwa am Römerweg oder an den Hummelknäppen solle der neue Bahnsteig mit barrierefreier Zuwegung, Wetterschutzhaus, Bänken und Infotafel entstehen, sondern kurz hinter der Kreuzung „Am Steinkamp/Marienburger Straße“.
Bei dem Ortstermin im Oktober 2024 seien alle Standorte noch einmal geprüft worden, so Buscher. An dem Ergebnis änderte das aber nichts: Menschen aus Alstedde brauchen künftig nicht mehr nach Bork oder zum Hauptbahnhof Lünen zu fahren, um in den Zug zu steigen, sondern es genügt, zum Steinkreuz zu gehen.
„Höre ich zum ersten Mal“
Viele mögen schon gar nicht mehr damit gerechnet haben, dass aus der alten Idee eines dritten Haltepunkts überhaupt noch etwas werden würde. Alfred Meermann, der letzte Bürgermeister der einst selbstständigen Gemeinde Altlünen, hatte sich ab 1980 immer wieder dafür starkgemacht. Längst war es darum aber still geworden. „Ich höre jetzt zum ersten Mal, dass da etwas ‚Am Steinkreuz‘ geplant ist“, sagte Rüdiger Billeb am Dienstag im Ausschuss.
Weder die Stadt noch die DB hatten das so lange erwartete Vorhaben nach dem dramatischen Unfall Ende Oktober in Erinnerung gebracht. Auf Presseanfragen, ob und wie die chronische Unfallstelle in Alstedde entschärft werden könne, hatten Bahnsprecher mehrfach darauf verwiesen, dass die „Unfallstelle begangen und die Gefahrensituation neu bewertet“ werden müsse. Die Frage, was das konkret bedeute, ließen sowohl die Pressestelle der Stadt Lünen als auch die der Bahn bislang unbeantwortet. Kein Wort von den parallel laufenden Vorbereitungen für den Bau des Haltepunktes. Ein Versäumnis, das nicht nur Rüdiger Billeb ärgerte.
Antrag: Baubeginn vorziehen
Braucht es denn überhaupt noch den SPD-Dringlichkeitsantrag? Fraktionssprecher Billeb meinte Ja. Die Stadt solle versuchen, die Bahn dazu zu bewegen, die Arbeiten am Bahnübergang vorzuziehen. Je eher „Am Steinkreuz“ Schranken verhinderten, dass Autos auf die Gleise rollten, umso besser. Und nachdem die letzten beiden Unfälle innerhalb von nicht einmal zwei Jahren erfolgten, drohten für die nächsten fünf Jahre noch einige gefährliche Zwischenfälle.
Dass ein vorgezogener Baustart zu begrüßen sei, war einhellige Meinung im Ausschuss, wie die Abstimmung zeigte. Der zuständige Mitarbeiter der Stadtverwaltung Lünen, Albrecht Buscher, ließ allerdings durchklingen, dass er sich von dem Auftrag zum kommunalen Drängeln wenig Erfolg verspricht. Bei der Deutschen Bahn, sagte er mit Blick auf zwei unbesetzte Stellen im eigenen Fachbereich, „ist auch Not und Elend“.