Lünerin (48) überlebt Zug-Unfall „Dankbar, dass meine Kinder nicht im Auto waren, die wären tot“

Yvonne Schmiegel (48) überlebt Unfall: Auto stieß mit Zug zusammen
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Eine kaputte Vorderseite am Zug und die komplett zerstörte Rückseite des verunglückten Autos – die Bilder des Bahnunfalls von Donnerstag (31. Oktober) um 10.15 Uhr am Bahnübergang „Am Steinkreuz“ in Lünen-Alstedde sind erschreckend. Da war es nicht verwunderlich, dass die Polizei am Unfallort eine Lebensgefahr nicht ausschließen konnte. Verunfallt war Yvonne Schmiegel, die nach dem Einkauf auf dem Weg nach Hause war. In Lebensgefahr habe sie aber laut eigener Aussage nie geschwebt. „Ich bin komplett gesund, ich habe nichts. Außer, dass mir alles weh tut“, sagt sie keine Woche nach dem Unfall im Gespräch mit der Redaktion.

Schon im Rettungswagen auf dem Weg zum Krankenhaus war die 48-Jährige wieder wach, nach einer Nacht, die sie zur Überwachung im Krankenhaus verbracht hatte, wurde sie entlassen. „Ich bin dankbar für die viele Hilfe, die kam. Es war gefühlt wahnsinnig viel los, aber alle waren sehr freundlich, sehr nett, das tat mir gut. Ich hatte das Gefühl, alle waren sehr besonnen und überhaupt nicht hektisch. Das hat mich entspannt“, zeigt sie sich den Rettungskräften gegenüber dankbar.

Fünf Tage nach dem Unfall sind die Markierungen und die Unfallschäden an den Bäumen zu sehen.
Fünf Tage nach dem Unfall sind die Markierungen und die Unfallschäden an den Bäumen zu sehen. © Calvin Konietzka

Wenn sich Yvonne die Bilder des Unfalls ansieht, kann sie ihr Glück kaum fassen. „Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass man da lebend herauskommt und es einem gut geht. Das ist verrückt, das ist unglaublich. Ich kann das auch gar nicht richtig in Worte fassen. Dankbar, natürlich glücklich – aber unglaublich einfach“, sagt die 48-Jährige.

Keine Erinnerungen an den Unfall

Wie der Unfall abgelaufen ist, daran kann sich Yvonne Schmiegel nicht erinnern – die Strecke über die Bahnüberführung nimmt sie oft. „Ich kann mich nicht genau an diese Fahrt erinnern. Die Erinnerungen setzen erst wieder ein, als ich im Wagen saß und neben mir, ich glaube, erst der Nachbar (Augenzeuge und Ersthelfer Anm. der Red.) saß und dann hinterher der Notarzt. Ich weiß, dass ich losgefahren bin. Ich weiß, dass ich einkaufen war und ich weiß, dass ich zurückgefahren bin. Das weiß ich natürlich, aber es war keine besondere Fahrt“, erzählt sie und fügt an: „Für mich fühlt sich das alles ein bisschen wie die Truman-Show an, weil ich keine Erinnerung habe. Also diesen Schockmoment oder eine tiefe Erleichterung, das habe ich nicht.“

Warum sie möglicherweise das akustische und blinkende Warnsignal – Schranken gibt es an dieser Überführung keine – nicht wahrgenommen hat, kann die 48-Jährige nicht sagen. „Keine Ahnung. Die Sonne steht ja jetzt auch nicht so tief. Keine Ahnung. Ich weiß es nicht.“

Meine Kinder wären gestorben

In einer Sache ist sich Yvonne Schmiegel aber sicher. „Ich bin dankbar, dass die Kinder nicht im Auto waren, die wären tot“, glaubt sie und begründet diesen Gedanken: „Die hätten hinten gesessen. Und hinten ist ja nicht mehr viel vom Auto übrig geblieben.“

Doch die Kinder waren in der Schule. Yvonne Schmiegels Mann kam mit dem Fahrrad zur Unfallstelle, um zu verhindern, dass ihr Sohn den Unfall sieht. „Er fährt genau die Strecke. Ich wollte nicht, dass er das sieht, denn er wäre auf jeden Fall hingefahren und wäre stehen geblieben, weil die Feuerwehr da stand. Das ist ja spannend“, sagt sie und ist sich sicher, dass er das Auto erkannt hätte. Doch wie haben die beiden Kinder den Unfall verkraftet? „Die waren natürlich geschockt. Aber es war in dem Moment schon klar, dass es mir gut geht.“

Auswirkungen des Unfalls

Und dennoch: Auch wenn der Unfall für die Gesundheit von Yvonne Schmiegel keine großen Auswirkungen hatte, hat der Unfall seine Spuren bei der 48-Jährigen hinterlassen. „Ja, das macht es tatsächlich etwas spooky, wenn man dann so gar keine Erinnerungen daran hat“, sagt sie. Sie erklärt, dass sie nun anders über den Bahnübergang fahre als davor: „Ich erinnere mich mehrmals daran: Hast du geguckt? Schaust du auf das Signal? Schaust du auf das Signal? Mehr kann man nicht machen.“

Schmiegel fragt sich, was man tun soll, wenn es mal einen Stromausfall geben sollte. „Was passiert dann? Man kann gar nicht so weit in die Überführung hineinschauen, wegen der Bäume und des Gebüsches.“ Außerdem habe sie Bedenken wegen ihrer beiden Kinder, die regelmäßig mit dem Fahrrad über die Überführung fahren, um zur Schule zu kommen. „Das ist einfach gefährlich!“, findet sie

Warum keine Schranke zum Schutz?

Aus diesen Gründen würde sich die 48-Jährige so wie viele andere Anwohner wünschen, dass dort Schranken von der Deutschen Bahn installiert werden. „Ja, auf jeden Fall – unabhängig von meinem Unfall. Wenn ich mir überlege, dass die älteren Herrschaften hier auch zum Spazieren mit den E-Bikes entlangfahren und die Fahrräder sind ja flott“, gibt sie zu bedenken. Zusätzlich würden oft junge Menschen mit dem Auto über die Bahnüberführung fahren, um zum nahe gelegenen Reitstall zu gelangen.

Ganz ähnliche Sorgen hat auch ein Anwohner, der direkt in der Nähe dieser Überführung wohnt. Genauso wie Yvonne Schmiegel hat auch er große Bedenken wegen der vielen Kinder aus der Nachbarschaft. „Es ist eine Zumutung!“, findet er klare Worte, um die aktuelle Situation zu beschreiben und sagt: „Also für kleinere Kinder, die zur Schule oder zum Kindergarten gehen müssen, ist es immer ein Gefährdungspunkt. Man sieht es ja, hier ist es sehr schwer einsehbar.“

Er fordert von der Bahn nicht nur Schranken, sondern auch, dass die Sträucher und Büsche geschnitten werden. „Da ist die Deutsche Bahn sehr beratungsresistent. Wir fordern schon die ganze Zeit immer wieder einen Rückschnitt der Bäume, sodass man wenigstens ein paar Meter einsenken kann, auch wenn das bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h wenig Sinn macht. Aber vielleicht wird es den ein oder anderen Unfall dann nicht geben“, so der Anwohner. Er wirft der DB vor, sich immer erst zu kümmern, „wenn das Gras am Andreaskreuz teilweise bis zur Mitte hochwächst“.

Das Unfallaufnahmeteam der Polizei bei der Arbeit.
Das Unfallaufnahmeteam der Polizei bei der Arbeit. Demnächst soll es eine Begehung mit der Deutschen Bahn geben. © Calvin Konietzka

Auf Anfrage der Redaktion verwies ein Sprecher der Deutschen Bahn darauf hin, dass die Unfallstelle begangen und die Gefahrensituation neu bewertet werde: „Die Sonderverkehrsschau am Bahnübergang ‚Am Steinkreuz‘ findet in Abstimmung mit allen Beteiligten der Deutschen Bahn, des Straßenbaulastträgers und der Straßenverkehrsbehörden, des Eisenbahn-Bundesamtes sowie der zuständigen Polizei und Bundespolizei zeitnah statt.“

Nicht der erste Unfall

Der Unfall von Yvonne Schmiegel ist nicht der erste dieser Art. Vor zwei Jahren gab es einen ähnlichen Unfall, als ein Mann mit seinem Auto mit der Bahn kollidiert war. Auch damals wurde der Fahrer nicht schwer verletzt.