Knapp vier Monate hatte das Unternehmen „Woodstyle360 Store GmbH“ an der Cappenberger Straße in der Lüner Innenstadt geöffnet und bot im alten Bürohaus Brauch verschiedene Holzprodukte an. Dann folgte wegen nicht gezahlter Mieten im Frühjahr 2023 die Kündigung. Darin inkludiert war eine Frist bis zum 27. April, das Erdgeschoss komplett zu räumen.
Drei Monate später befinden sich weiterhin Kisten, Tische und andere Artikel in den Räumlichkeiten. Auch das Logo ist sowohl von außen als auch im Inneren noch nicht abmontiert. Neben diesen ersichtlichen Verzögerungen erhebt nun der Eigentümer der Immobilie Vorwürfe gegen den Woodstyle-Chef sowie gegen die Stadt Lünen. Die Verwaltung hat für das Projekt „Erlebnis.Raum“ und durch den Verfügungsfonds Anmietung das Objekt an der Cappenberger Straße angemietet und zu einer reduzierten Miete weitervermietet - in diesem Fall an das Unternehmen „Woodstyle360 Store GmbH“.
Bedrohung per Whatsapp-Nachricht
Dr. Özkan Kalem gehört das ganze Objekt an der Cappenberger Straße, das neben den Geschäftsräumen auch noch Wohnungen beinhaltet. Nach eigener Aussage hat der im saarländischen Sulzbach arbeitende Chefarzt in den vergangenen Monaten viel Zeit in Telefonate und Mails wegen der „Woodstyle360 Store GmbH“ stecken müssen. Bislang ist das Unternehmen durch Insolvenzverfahren gegen den Geschäftsführer und Betrugsvorwürfe in einem negativem Licht aufgetaucht. Dieses Bild zeichnet sich nun erneut ab.
Als Kalem durch die Stadt Lünen von Kündigung und Räumungsfrist erfahren hat, gingen für ihn die Probleme los. „Der Mieter hat von mir 40.000 Euro für die eingebrachte Renovierung eingefordert. Ich habe ihm dann gesagt, dass er mir eigentlich Geld schuldet, weil der Ursprungszustand der Ladenfläche nicht mehr vorhanden ist.“ Das stünde auch im Mietvertrag, der der Redaktion jedoch nicht vorliegt. Der Woodstyle-Chef berichtet hingegen auf Anfrage von „positiven Gesprächen, was die vertraglich geregelte Übernahme der eingebrachten Sanierung angeht“.

Nachdem Dr. Özkan Kalem den Zahlungen nicht zugestimmt hatte, sei er von dem Geschäftsführer per Whatsapp-Nachrichten bedroht worden. „Er hat gesagt, dass er alles kaputt machen will“, so der Chefarzt. Daraufhin habe er versucht, mit der Stadt Lünen telefonisch und per Mail Kontakt aufzunehmen, um nach Lösungen für die Situation zu suchen. Laut dem Eigentümer sei hier keine hilfreiche Rückmeldung erfolgt.
Um seine Immobilie abzusichern, hat sich Kalem dann Hilfe bei seinem Anwalt gesucht, der ihm das Recht eingeräumt hat, sein Objekt zu schützen. Im Anschluss blockierte der Eigentümer den Eingangsbereich und tauschte an weiteren Türen die Schlösser aus. Auch diese Situation habe Kalem der Stadt Lünen geschildert.
Zeitverzögerung durch Blockade
Das Problem war nun aber, dass nicht nur der Woodstyle-Chef keinen Zugang mehr hatte, sondern auch ein bereits beauftragter Insolvenzverwalter. Dass hier ein Verfahren im Gange gewesen ist, habe Kalem laut eigener Aussage nicht gewusst. Das Eröffnungsverfahren gegen die „Woodstyle360 Store GmbH“ ist laut Insolvenzregister am 13. April angeordnet worden, also circa zwei Wochen nach Ablauf der Räumungsfrist durch die Stadt Lünen. Zu diesem Zeitpunkt habe man schon keinen Zugang mehr zur Immobilie gehabt, erklärt die vorläufige Insolvenzverwalterin Britta Hoff.
Auf Anfrage bestätigt der Woodstyle-Chef die Blockade, die Mitte April gestartet haben soll, und bezeichnet sie als „unfassbaren Vorfall“. Er erklärt weiter, dass „jegliche Kontaktaufnahme durch (ihn) oder den Verwalter ignoriert“ worden seien – „sowohl von ihm (Eigentümer, Anmerkung der Redaktion) als auch von der Stadt“.
Dem widerspricht Kalem in Teilen. Er habe mit dem Insolvenzverwalter gesprochen und einen Termin ausmachen wollen, um die Blockaden aufzulösen. Durch seine Arbeit im Saarland sei es ihm aber nicht möglich gewesen, kurzfristig nach Lünen zu kommen, sodass sich die ganze Sache zeitlich immer weiter verzögert hat. Der Eigentümer spricht von vier Wochen, der Insolvenzverwalter sowie der Firmenchef von gut drei Monaten, in denen sie keinen Zutritt zur Immobilie hatten.

Kalem sei dann von der Stadt Lünen kontaktiert worden, die ihn aufgefordert habe, die Türen aufzumachen. Des Weiteren habe die Frage im Raum gestanden, ob die Stadt das Mietverhältnis wegen der Türblockade kündigen könne. „Erst reagieren sie gar nicht und dann sind da plötzlich diese Schuldzuweisungen. Die Blockade war ja nur zum Schutz des Ladens“, erklärt der Eigentümer sichtlich aufgebracht bei einem Telefonat Mitte Juli. Die Verwaltung äußert sich zu dem Vorfall nur bedingt. Auf Details könne man nicht eingehen, „da es sich einerseits um ein laufendes Verfahren und andererseits um Vertragsinhalte handelt, zu denen wir grundsätzlich keine Auskunft geben“.
Ende Juni wurden die Schlösser in der Immobilie dann wieder zurückgetauscht und die Blockade aufgelöst. Dann hatte auch die vorläufige Insolvenzverwalterin Zugang zum Objekt, um potenzielle Vermögenswerte festzustellen. Dies sei laut Britta Hoff bei einem Termin Anfang Juli auch geschehen.
Damit hören die Probleme in der Sache aber nicht auf. Denn es hätten sich „Diskrepanzen“ vor Ort ergeben. Dinge, die vor der Blockade in den Räumlichkeiten standen, waren nun nicht mehr da. „Wo die Sachen gelandet sind, weiß keiner“, erklärt die vorläufige Insolvenzverwalterin. Laut dem Woodstyle-Chef beläuft sich der Wert der fehlenden Gegenstände auf „circa 7000 bis 8500 Euro“, darunter seien auch „bereits bezahlte Waren von Kunden“ gewesen. Diese Vorwürfe sind auch Dr. Özkan Kalem bekannt. Die vom Geschäftsführer erwähnte Anzeige wegen Diebstahls sei ihm aber nicht bekannt.
Vorwürfe gegen Stadt Lünen
Den Eigentümer beschäftigt zunehmend auch die Kommunikation zwischen der Stadt Lünen und ihm. Er kritisiert vor allem, dass die Verwaltung kaum Feedback auf seine Anfragen gegeben habe und sich „gar nicht kümmert“. Mails, Anrufe sowie ein Brief, den er Mitte Juli abgeschickt hat, blieben laut Kalem meist unbeantwortet. „Die ziehen sich einfach aus der Sache raus“, so der Chefarzt. Kalem ist überzeugt, dass die Stadt Lünen dafür sorgen muss, dass die Miete für das Objekt gezahlt wird.
Auf Anfrage äußert sich die Verwaltung wie folgt zu den Vorwürfen: „Die Stadt Lünen befindet sich sowohl mit dem Eigentümer als auch mit dem Mieter sowie mit dem Insolvenzverwalter im Austausch. Aufgrund der aktuellen Urlaubszeit ist es möglich, dass die Kommunikation momentan langsamer abläuft als üblich.“ Inwiefern die Kontaktversuche von Dr. Özkan Kalem in diese Zeit fallen, kann diese Redaktion nicht bestätigen.
Noch kein Zeitpunkt für Freigabe
Laut dem Eigentümer ist der Woodstyle-Chef weiterhin im Besitz des Schlüssels für das Objekt an der Cappenberger Straße. Die zuständige Rechtsanwältin Britta Hoff sagt, dass auch sie keinen Schlüssel an sich genommen habe. Eine Rückgabe sei zudem rein rechtlich erst möglich, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet und die festgestellten Vermögenswerte auch veräußert sind.
Laut der Stadt Lünen könne nur der Insolvenzverwalter das Mietobjekt freigeben. Vorher hätten die Stadt und der Vermieter „keine Möglichkeit, in der Vermietung tätig zu werden“. Das Gutachten für die „Woodstyle360 Store GmbH“ sei bereits beim Amtsgericht Dortmund eingegangen, so Hoff. Wann das Insolvenzverfahren eröffnet wird, steht noch nicht fest. Das entscheide das Amtsgericht.
Wann Kalem mit neuen Mietern für sein Objekt rechnen kann, weiß er nicht. Fest steht aber, dass die Immobilie wegen der bereits ausgezahlten Förderung aus dem Programm „Erlebnis-Raum“ rausfällt und künftige Unternehmen keine finanzielle Unterstützung mehr bekommen. Der Eigentümer hofft, dass die Verwaltung bei den nächsten Mietern mehr Glück hat. „Dass die Stadt überhaupt an so jemanden vermietet, verstehe ich nicht. Sie haben ja eine Abteilung dafür. Nur deswegen habe ich dem Ganzen auch zugestimmt. Eigentlich habe ich da jetzt kein Vertrauen mehr.“
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