„Hiermit informiere ich die SPD-Fraktion über meinen Fraktionsaustritt.“ Diesen Satz schrieb Sozialdemokrat Hubert Groth Anfang März 2020 an Mitglieder und Vorstand der SPD-Fraktion in Lünen. Groth, zu dem Zeitpunkt seit sechs Jahren Ratsherr in Lünen, SPD-Mitglied seit 1978, in Lünen aufgewachsen, zog danach sogar aus Lünen weg, wohnt jetzt in Rheda-Wiedenbrück. Vorangegangen war ein SPD-interner Streit.
Im Mittelpunkt: Daniel Wolski, dem die Staatsanwaltschaft Missbrauch von Jugendlichen und den Besitz von Kinderpornos vorwirft und der deswegen momentan in der JVA Bochum in Untersuchungshaft sitzt.
„Wollte mir das nicht gefallen lassen“
Groth war vorgeworfen worden, Lügen über den heute 41-jährigen Daniel Wolski verbreitet zu haben rund um die Wahl zum SPD-Stadtverbandsvorsitzenden Anfang 2018. Wolski unterlag in der Kampfabstimmung Norbert Janßen, nach Auszählung der Stimmen verließ Wolskis langjährige Lebensgefährtin Nina Kotissek wutentbrannt den Saal.
Im Anschluss erhob Wolski die Lügenvorwürfe, unterstützt von Teilen der SPD-Fraktion. Ein Fraktionsmitglied, nach Informationen unserer Redaktion handelte es sich dabei um den Wolski-Vertrauten Klaus Lamczick aus Brambauer, schrieb Groth sogar: „Wenn du noch einen Rest von Anstand hast, legst du dein Mandat aus gesundheitlichen Gründen nieder und fängst anderswo neu an.“ Lamczick bestätigt auf Anfrage, diese Nachricht so geschrieben zu haben. „Herr Groth hatte damals gesundheitliche Probleme, deswegen würde ich das möglicherweise wieder ähnlich formulieren.“ Von den damaligen Vorwürfen habe er nichts gewusst - genau so wenig wie von den strafrechtlichen Vorwürfen jetzt.
Wolski selbst hatte 2020 gesagt: „Ich habe Herrn Groth keine Vorwürfe gemacht. Ich habe ihn nur aufgefordert, keine Unwahrheiten mehr über mich zu verbreiten. Ich wollte mir das nicht mehr gefallen lassen.“
Groth hatte immer betont, dass er keine Lügen über Wolski verbreitet habe. Er habe „Daniel Wolskis Rolle bei den Jusos infrage gestellt“, hieß es damals.
„Ein Stück weit rehabilitiert“
Von den strafrechtlichen Vorwürfen sei 2020 noch keine Rede gewesen, berichtet Hubert Groth heute. Intern habe er andere Bedenken gegenüber Wolski geäußert, Wolski habe bei den Jusos einen „dominanten Führungsstil“ gelebt, er instrumentalisiere Menschen, um seine Ziele zu erreichen. Dass jetzt viel größere Vorwürfe im Raum stünden, dadurch fühle er sich „ein Stück weit rehabilitiert“, sagt Groth. Damals habe sich niemand die Mühe gemacht, seine Kritik an Wolski auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
Aus der Lüner SPD habe sich indes auch nach Bekanntwerden der schwerwiegenden Vorwürfe niemand bei ihm gemeldet. Was Wolski 2018 vorgehalten wurde, das habe er damals gar nicht gewusst, berichtet Michael Haustein, zu der Zeit SPD-Fraktionsvorsitzender. Erst jetzt sei ihm auf Nachfrage mitgeteilt worden, dass es um Wolskis Führungsstil gegangen sei. Groth habe damals die Gesprächsangebote nicht angenommen und sei nicht mehr zu den Sitzungen gekommen. Groth selbst sagte 2020, es habe keine ernsthaften Angebote gegeben.
Ehren-Vorsitzender des Jusos
Norbert Janßen erinnert sich auch an die Situation: „Das mussten die beiden unter sich klären, ich will das nicht weiter bewerten“, sagt er heute. „Hubert Groth konnte uns nicht nachweisen, dass Herr Wolski sich falsch benommen hat.“
Die Situation habe ihn lange bedrückt, sagt Groth, vieles sei durch die Berichterstattung über Daniel Wolski wieder präsent geworden. Dass er, wie die Staatsanwaltschaft Bochum Wolski jetzt vorwirft, ein Straftäter sein könnte, das habe niemand vermutet. „Wir haben nur gesagt: ,Der Mann sollte nicht mit Jugendlichen zusammenarbeiten‘“.
Wolski war 2017 nach zwölf Jahren nicht erneut zum Juso-Vorsitzenden gewählt worden, wurde jedoch zum Ehren-Vorsitzenden ernannt. Er war bis zu seiner Festnahme noch regelmäßig bei Juso-Veranstaltungen anwesend. Die Altersgrenze der Jungsozialisten liegt bei 34 Jahren, die hatte Wolski 2017 erreicht. Kenner der Lüner Politik vermuten, dass Wolski 2025 gerne Bürgermeister in Lünen geworden wäre. Wie es für Wolski tatsächlich weitergeht, wird sich im Frühjahr 2024 entscheiden. Dann wird es nach Angaben der Staatsanwaltschaft Bochum wohl zum Prozess kommen.
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