Wohnraum-Mangel in Lünen frei erfunden? Wir nennen Zahlen und erklären die Hintergründe

Wie dramatisch ist der Wohnraum-Mangel in Lünen wirklich?
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Der Wohnraum-Mangel war auch in Lünen zuletzt ein viel diskutiertes Thema in den Reihen von Politik und Verwaltung. Es brauche dringend Neubauten, hieß es immer wieder. Aber wie kam es eigentlich dazu, dass der Bedarf angeblich so groß geworden ist? Lässt sich das allein auf die Bevölkerungszahl zurückführen? Wir analysieren die Situation mithilfe der Daten aus dem Zensus sowie weiterer Zahlen des Landesbetriebs IT.NRW.

Vergleicht man den Bevölkerungsstand zum Zeitpunkt der Datenerhebung für den Zensus 2011 mit dem von 2022, dann lässt sich ein leichter Rückgang erkennen – und zwar von 86.010 auf 85.234 Einwohner. Ein Minus von 776 Menschen also. Schaut man sich demgegenüber den Wohnungsbestand an, könnte man jedoch zu der Ansicht gelangen, den viel zitierten Mangel an Wohnraum dürfte es eigentlich nicht geben.

Der Grund: Die Zahl der Wohnungen in Gebäuden mit Wohnraum (dazu gehören auch Gebäude, die teilweise gewerblich genutzt werden) ist 2022 gegenüber 2011 um 541 gestiegen – von 43.474 auf 44.015. Auch die Zahl der Gebäude mit Wohnraum war 2022 mit 17.557 deutlich höher als elf Jahre zuvor (17.056).

Die große Mehrheit der zwischen 2011 und 2022 fertiggestellten reinen Wohngebäude waren Einfamilienhäuser (647). Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 760 neue Wohngebäude fertiggestellt. Dadurch entstanden insgesamt 1765 neue Wohnungen.

Andere Wohnbedürfnisse

Doch wenn so viel neuer Wohnraum entstanden ist, woraus resultiert dann der gegenwärtige Mangel? Um das erklären zu können, muss man sich die Haushaltsstrukturen genauer anschauen. Denn die haben sich geändert. Kurz gesagt: Immer mehr Menschen leben alleine – und die meisten wollen zudem mehr Platz als früher für sich haben.

Ähnlich hatte es vor wenigen Monaten auch Andreas Zaremba, Vorstand des Bauvereins zu Lünen, im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt: „Die Nachfrage ist in der gesamten Wohnungswirtschaft und nicht nur in Lünen ganz klar gestiegen. Es ist nicht nur, dass weniger gebaut wird, sondern auch, dass sich das Wohnverhalten geändert hat.“ Faktoren dafür seien etwa Trennungen, ein früherer Auszug erwachsener Kinder, veränderte Familienverhältnisse und eine höhere Flexibilität bei der Wahl des Wohnorts sowie kürzere Verweildauern.




Daten aus dem nun veröffentlichten Zensus belegen diese Sichtweise. Gab es in Lünen 2011 noch 40.590 Haushalte, waren es 2022 bereits 41.928. Die Zahl der Single-Haushalte ist im Vergleich der beiden Jahre von 15.665 auf 18.515 gestiegen – und lag damit 2022 deutlich über der Zahl der Paarhaushalte ohne Kinder (10.601) und solchen mit Kindern (8676). Elf Jahre zuvor gab es sowohl deutlich mehr Paarhaushalte ohne Kinder (11.187) als auch Paarhaushalte mit Kindern (9817).

Dass sich die Bewohner mehr Platz wünschen, zeigt sich einerseits daran, dass zwischen 2011 und 2022 sechsmal so viele Einfamilienhäuser errichtet wurden wie Zwei- und Mehrfamilienhäuser – andererseits an der Zahl der Wohnungen, die mehr als 100 Quadratmeter Wohnfläche haben. Davon gab es 2022 stolze 11.157. Elf Jahre zuvor waren es lediglich 9852.




Dennoch: Die passende Immobilie zu finden, scheint für viele Menschen schwierig zu sein. Und wenn die Größe stimmt, dann hapert es oftmals am Preis – heißt es zumindest für gewöhnlich. Tatsächlich ist es aber keineswegs so, dass Lünen bei den mittleren Monatsmieten in der jüngeren Vergangenheit die Skala sprengte. Laut Angaben von IT.NRW lag der Wert im Jahr 2022 bei 7,21 Euro pro Quadratmeter. Das ist verglichen mit den umliegenden Kommunen weder besonders teuer noch besonders günstig. In Werne lag der Wert beispielsweise bei 7,15 Euro und in Selm bei 7,37 Euro.

Überdies kam eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft 2023 zu dem Ergebnis, dass Wohneigentum für Familien in Lünen „erschwinglich“ ist. In Städten wie Werne und Kamen waren die Aussichten diesbezüglich deutlich finsterer.

Leerstand unter drei Prozent

Eine Zahl, die allerdings darauf hindeuten könnte, dass es in Lünen tatsächlich weiteren Wohnraum braucht, ist die Leerstandsquote. Laut Angaben von IT.NRW lag die in der Lippestadt 2022 nämlich bei lediglich 2,8 Prozent – und damit deutlich unter dem NRW-Durchschnitt von 3,3 Prozent.

Die gute Nachricht für diejenigen, die bislang nicht fündig geworden sind: Mehrere Neubaugebiete sind in Lünen bereits in der Pipeline, darunter das Wohnquartier an der Sedanstraße in Lünen-Süd – auch wenn die Pläne wohl etwas kleiner ausfallen werden als ursprünglich vorgesehen. Statt 230 Wohneinheiten in Ein- und Mehrfamilienhäusern sollen ab 2026 nur noch 139 Wohneinheiten entstehen. Klar ist aber, dass die aktuelle Haushaltssperre die Planungen und Umsetzung einiger Bauprojekte erschwert.

Ob diese in einigen Jahren überhaupt noch benötigt werden, wird sich ohnehin zeigen müssen. IT.NRW prognostiziert jedenfalls, dass Lünen in den kommenden Jahren schrumpfen wird. 2050 soll die Lippestadt unter die Marke von 83.000 Einwohnern rutschen. Die hätten dann aber möglicherweise deutlich mehr Wohnraum zur Verfügung, um sich entfalten zu können.