Oliver Danne (57) kann sich noch gut erinnern: Vor 21 Jahren hat die Bürgerinitiative (BI) „Stoppt den Landschaftsfraß“ mit dem ersten Bürgerentscheid in der Geschichte Lünens die Pläne der Politik gekippt. Die wollte unter anderem das ländlich geprägte Areal der Brechtener Niederung als Gewerbegebiet anmelden und scheiterte am Bürgerwillen. Der Ratsbeschluss vom 6. Juni 2002 war damit bedeutungslos. Auch am 10. und 20. Jahrestag hat die BI diesen Erfolg gefeiert und in Erinnerung Bäume gepflanzt. Doch jetzt droht Ungemach von anderer Seite.
Es wirkt wie ein Déjà-vu: Die Brechtener Niederung weckt wieder Begehrlichkeiten. Diesmal bei den Dortmundern. Der Nachbarstadt gehen die Gewerbeflächen aus, heißt es. Bei der Suche nach neuen Möglichkeiten richten die Wirtschaftsförderer ihren Fokus auch auf die Brechtener Niederung. Sie sehen dort „potenzielles Entwicklungsgebiet“. Etwa 70 der 82,7 Hektar östlich des Dorfes Brechten bis zur B236 auf Dortmunder Stadtgebiet werden von ihnen als „GI-tauglich“ eingestuft, geeignet für Industriegewerbe. In guter Lage, direkt zu erreichen durch die A2, die B236 und die B54.
„Fläche heute noch wichtiger“
Oliver Danne, seinerzeit einer der Sprecher der Lüner Bürgerinitiative, macht das sprachlos. Denn schon damals sei die Wertigkeit der Brechtener Niederung wie auch der Wethmarheide-Ost, des Welschenkamp und des Mühlenbachtals beschrieben worden. Sie alle gehören zu einem regionalen Grünzug. „Der war damals schon wichtig und ist es heute durch den Klimawandel noch viel mehr“, sagt der Landschaftsarchitekt.
Vor über 20 Jahren habe ein Gutachten belegt, dass die Brechtener Niederung mit ihrer landschaftlichen Struktur für Gewerbe nicht geeignet sei. Durch den grünen Gürtel gelange kühle Luft von Südwesten in die Stadt Lünen. „In Zeiten von Klimaerwärmung ein wichtiger Aspekt“, sagt Danne. Genauso wie der Schutz der Artenvielfalt.
„Ich finde es einfach schlimm, dass immer wieder die gleichen sinnlosen Konzepte verfolgt werden. Das war schon vor Jahren der falsche Weg“, erklärt Oliver Danne und kündigt Gegenwind an. „Ich bin überzeugt, dass aus der Bürgerschaft richtig Druck kommt. Die Leute haben das alles schon einmal durchgemacht“, so Danne. Es habe sich bereits eine Gruppe derer formiert, die seinerzeit dagegen gekämpft haben. Auch von Dortmunder Seite gibt es Widerstand.

Fläche im Landschaftsschutzgebiet
Es ist erst drei Jahre her, da haben die Dortmunder selbst festgelegt, dass es sich bei der Brechtener Niederung um eine schützenswerte Fläche handelt. In dem vom Rat verabschiedeten Landschaftsplan ist die Fläche unter Landschaftsschutz gestellt worden. „Das Gebiet ist durch Baumreihen und -gruppen, Hecken und Kopfbäume, hofnahe Weiden, zum Teil Streuobstwiesen reich strukturiert. Hinzu kommen mehrere Tümpel, die als Laichgewässer für Amphibien dienen“, heißt es im Landschaftsplan.
Flora, Fauna, Biotope und Landschaftsbild werden als schützenswert eingestuft. Die bäuerliche Struktur des Raumes, der Grünflächen und Streuobstwiesen sowie des „unzerschnittenen Verkehrsraumes“ solle erhalten werden. Davon ist in der aktuellen Vorlage der Wirtschaftsförderung allerdings nur am Rande die Rede.
Die Pläne rufen Kritik bei der SPD in Dortmund-Eving hervor. „Der Vorschlag, diese Fläche zu entwickeln, lässt uns ernsthaft an der planungsrechtlichen Kompetenz der Wirtschaftsförderung zweifeln“, erklärt Vorsitzender Martin Schmitz.
Tausende Unterzeichner für Petition
Widerstand kommt auch aus Dortmund-Brechten. Nele Holtkötter hat am Sonntag (2.3.) auf der Plattform Change.org im Internet eine Petition ins Leben gerufen, die Stand Freitag (8.3., 8.40 Uhr) bereits 4404 Unterzeichner hat. „Wir müssen handeln, um unser geliebtes Südfeld zu schützen“, schreibt die Lehrerin für Biologie und Sport, die in Brechten lebt und aufgewachsen ist.
Auch die Ratsfraktion der Grünen in Dortmund erklärt: „Wir Grünen sehen derzeit keine Notwendigkeit, über die Entwicklung eines 115 Fußballfelder großen Gewerbe- und Industriegebietes mitten im Landschaftsschutzgebiet zu beraten.“ Der Vorschlag der Wirtschaftsförderung breche mit einem grünen Tabu.
