Wirtin aus Horstmar (43) erkrankt an Covid: „Völlig aufgeschmissen“

© Sylvia vom Hofe

Wirtin aus Horstmar (43) erkrankt an Covid: „Völlig aufgeschmissen“

rnCorona-Krise

Wenn Anna Iwaniec (43) bislang sagte, sie leide unter Corona, ging es um ihre Kneipe. Inzwischen weiß sie, welche Bedeutung der Satz noch hat. Die Wirtin hat sich noch nie so krank gefühlt.

Lünen

, 31.12.2020, 19:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Anna Iwaniec ist schlank und sportlich. Wenn die 43-Jährige zurzeit zu ihrer Wohnung im dritten Stock geht, muss sie aber immer wieder eine Pause einlegen. Zum Luftholen. Zum Kräftesammeln. „Corona“, sagt sie, „hat mich total von den Beinen geholt“ - jetzt auch körperlich. Beruflich sowieso.

Seit 2009 führt die gebürtige Polin den Horstmarer Treff, eine Traditionskneipe aus den 1960er-Jahren. Am 2. November musste sie schließen wie bundesweit alle ihrer Kolleginnen und Kollegen auch: Lockdown. Erst einmal bis Ende November. Dann bis zum 10. Januar. Inzwischen ahnen alle, dass es noch länger dauern wird.

Wo nur angesteckt? „Ich war doch nur einkaufen“

Als sich Anna Iwaniec Mitte November krank fühlt, denkt sie erst an eine Erkältung. Die Corona-bedingte Schließung dauert zu diesem Zeitpunkt etwas mehr als zwei Wochen. Die Wirtin hat die Zeit genutzt, um etwas zu renovieren: frische Farbe für den Saal, neue Bilder an der Wand, neue Deko - alles in Eigenregie. Als sie sich plötzlich krank fühlt, denkt sie erst einmal an eine normale Erkältung. Was sonst? Eine Corona-Infektion schließt sie aus. Denn wo sollte sie sich angesteckt haben?

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„Bis auf die Fahrten in den Baumarkt und die üblichen Lebensmitteleinkäufe zweimal die Woche, war ich nicht raus.“ Und andere waren nicht da. Anna Iwaniec nimmt das Kontaktverbot ernst, nicht nur beruflich. Erst als sie nichts mehr riechen und schmecken kann, ahnt sie Schlimmes und lässt sich testen. Das ist an einem Mittwoch. Am folgenden Freitag steht fest: Sie hat Covid 19. Sie muss zuhause bleiben. An Weggehen ist zu diesem Zeitpunkt aber ohnehin nicht mehr zu denken.

Zu schwach, um vom Bett aufzustehen

Schüttelfrost und Fieber: Den ganzen Körper reißt es hin und her. Der Gedanke an Essen und Trinken ist ihr widerlich. Sie will nur liegen. Fürs Aufstehen fehlt ihr sowieso die Kraft. Und dann noch diese Kopfschmerzen und Atemprobleme. „So krank habe ich mich noch nie gefühlt“, sagt sie rückblickend. Zwölf Tage liegt sie im Bett. „Zwölf Tage!“ Sie wiederholt die Zahl und schüttelt dabei ungläubig den Kopf. Für jemand, der immer auf den Beinen ist und sich keine Ruhe gönnt - der Horstmarer Treff öffnete täglich um 11 Uhr, und Schluss war erst abends spät -, ist das ein unvorstellbar langer Zeitraum. Ihr 23-jähriger Sohn kümmert sich um sie. Und sorgt sich. So hat er seine Mutter noch nie erlebt.

Inzwischen hat Anna Iwaniec die Krankheit überstanden. Gesund fühlt sie sich aber noch lange nicht. „Ich hätte nie gedacht, dass einen das so umhauen könnte“, sagt sie. Körperlich. Seelisch sowieso. Denn während ihre Energie und Beweglichkeit nur ganz allmählich zurückkehren, sind die Sorgen schon da: Zukunftssorgen:

Nur ein Teil der Novemberhilfe kommt an

Die Ersparnisse seien nach diesem Jahr mit zwei Lockdowns nahezu aufgezehrt. Und die staatliche Hilfe? Zuschüsse in Höhe von 75 Prozent des entsprechenden Umsatzes im November 2019 waren in Aussicht gestellt. Bekommen hat die Wirtin aus Horstmar aber gerade einmal 311 Euro. Die Beantragung der Unterstützung durch einen Steuerberater sei schon teurer gewesen, sagt sie. Da müsse ein Fehler vorliegen: etwas, um das sie sich dringend zu kümmern habe. Mit aller Energie. Wenn die nur endlich wieder da wäre.

Der Vermieter ist ihr mit der Miete entgegengekommen. „Aber die anderen Kosten laufen ja weiter.“ Wie lange das noch so gehen kann? Anna weiß es nicht. Etwas anderes steht dagegen für sie Fest. „Ich will nicht aufgeben.“ Der Horstmarer Treff mit seinen vielen Stammkunden sei nicht irgendein Laden sondern ihr „Ein und alles“. „Wir sind hier eine echte Gemeinschaft.“ Früher habe sie für die älteren Gäste eingekauft. Heute vergehe kein Tag, an dem nicht einer anruft und fragt, wie es ihr geht. „Langsam besser“, sagt sie dann.