Linda (l.) und Nina Falkenhain an ihrem großen Tag. Das besondere Datum 18.8.2018 haben sie als Hochzeitstag gewählt, weil die 8 Unendlichkeit symbolisiert. © Atelier-Simone-Richter

Ehe für alle

Wie sich ein lesbisches Paar den Hochzeitstraum erfüllt hat

Seit einem Jahr gibt es die Ehe für alle. Auch Nina (38) und Linda (31) Falkenhain haben „Ja“ gesagt. Für das Standesamt war das unproblematisch - für die katholische Kirche hingegen nicht.

Lünen

, 05.10.2018 / Lesedauer: 5 min

Unendlich. So sehen Nina und Linda Falkenhain ihre Liebe. Deshalb wollten sie heiraten. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber gleichgeschlechtlichen Paaren am 1. Oktober 2017 eröffnet. Zu dem Zeitpunkt waren die beiden zwei Wochen verlobt.

Romantischer Antrag auf Fuerteventura

Romantisch hatte Nina auf Fuerteventura im Sonnenuntergang ein Herz in den Sand gemalt und „marry me“ hineingeschrieben. Der Überraschungscoup war geplant. „Es war ein Gefühl, der Urlaub bot sich an“, schildert Nina. Die Ringe hatte sie heimlich in den gemeinsam gepackten Koffer geschmuggelt. Auf Knien fragte sie Linda, ob sie ihre Frau werden möchte. Was für eine Frage?

Elf Monate später, am 18.8.2018, standen die Frauen vor Standesamtsleiter Peter Krieger in der Schlossmühle Lippholthausen. Es sollte ein schönes Ambiente sein. Auch das Datum war bewusst gewählt. Dreimal die 8 als Zeichen der Unendlichkeit. Das ist ihr Symbol.

Klischeedenken: Wer ist der Mann?

Selbstverständlich ist eine „Homo-Ehe“ in den Augen vieler noch nicht. Auch wenn „wir Glück gehabt haben mit unseren Freunden und Verwandten“, berichtet Linda. Die hätten sich alle gefreut und es gut gefunden, „dass wir offen dazu stehen“.

Dennoch seien sie häufig vorher gefragt worden: Wer trägt den Anzug? Wer ist der Mann? Dieses Klischeedenken sei noch in vielen Köpfen. Die Frauen haben keine spezifische Rollenverteilung. Sie kamen beide im Hochzeitskleid, aber nicht klassisch. Linda wählte ein figurbetontes Cocktailkleid, Nina erfüllte sich den Traum von einem Petticoat und trug den Brautstrauß. „Es sollte unser Tag sein, wir wollten uns wohlfühlen“, sagt Linda.

Trauung persönlich gestaltet

Für die standesamtliche Trauung hatten sie sich etwas Persönliches erhofft. Peter Krieger ging darauf ein. So war das Eheversprechen kein routinierter Verwaltungsakt, sondern ein individueller Moment. Den Urlaub, die Unendlichkeit, beides sprach er an.

Für ihn, sagt Krieger, habe die „Ehe für alle“ einiges vereinfacht. Von August 2001 bis Ende September 2017 konnten sich gleichgeschlechtliche Paare nur verpartnern. „Da musste man aufpassen und fragen: ,Wollen Sie die Lebenspartnerschaft eingehen?‘ Jetzt kann ich durchweg von Ehe sprechen.“

83 Paare haben sich in Lünen verpartnert

83 Paare haben sich in Lünen seinerzeit verpartnert, mit weiblicher Dominanz: 37 männliche und 46 weibliche Paare gingen die amtlich eingetragene Lebenspartnerschaft ein. Wobei die ersten noch bei der Bezirksregierung in Arnsberg vorsprechen mussten. „Die Standesämter machten das anfangs nicht“, erinnert sich Krieger. Im Oktober 2001 konnten er dann auch in Lünen Verpartnerungen vornehmen. Das erste Paar waren zwei Männer.

Durch Ehe für alle ist nicht alles gleich

Mit dem 1. Oktober 2017 wurde die Ehe für alle möglich. Ein Schritt hin zu mehr Gleichwertigkeit. Jetzt können homosexuelle Paare Kinder adoptieren. Doch komplett gleichgestellt sind sie noch nicht. Das betrifft das Abstammungsrecht. Wird eine lesbische Frau Mutter, ist die Ehepartnerin nicht automatisch Elternteil. Es bleibt nur die Möglichkeit einer Adoption.

34 gleichgeschlechtliche Paare haben in dem ersten Jahr bis Ende September 2018 geheiratet, neun männliche und 25 weibliche. 22 der 34 ließen ihre eingetragene Lebenspartnerschaft in eine Ehe umschreiben. Erste lesbisches Ehepaar in Lünen waren seinerzeit Marisa Meyer und Marina Wolf. Auch sie wählten ein besonderes Datum: Freitag, den 13. Oktober. Er sollte zum Glückstag werden.

Paar wählt gemeinsamen Ehenamen

Bei Nina und Linda Falkenhain verlief vieles rund um die Hochzeit traditionell. Zum Beispiel das Thema Ehename. Nina nahm den ihrer Partnerin an. Im Anschluss an die Trauung schnippelten sie sich mit stumpfer Nagelschere durch ein Herz, um später mit 60 Gästen im Garten zu feiern. Dort hatten vorher viele Helfer eine Pagode aufgebaut und einen roten Teppich ausgerollt. Die Deko orientierte sich am Farbkonzept der Hochzeitskleider.

Konservative Haltung der katholischen Kirche

Obwohl Nina katholisch ist, wäre eine kirchliche Trauung für sie keine Option, weil die Institution die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren ablehnt. „Die Position der katholischen Kirche zur Homosexualität ist nach wie vor konservativ und bildet ungefähr den gesellschaftlichen ,Stand der Dinge in Deutschland‘ der 50er- und 60er-Jahre ab“, erklärt der ehemalige Pfarrer von St. Marien, Clemens Kreiss. „Ehe für alle ist in der katholischen Kirche nicht möglich, weil Ehe nach wie vor verstanden wird als eine auf Dauer angelegte Beziehung zwischen Mann und Frau, monogam und zumindest mit der ehrlichen Absicht, Nachwuchs zu zeugen.“

In der Diskussion sei aber möglicherweise eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Eine Lockerung der „rigorosen Haltung der Bischöfe“ nennt Dr. Thomas Roddey, Pfarrer des Pastoralen Raums Lünen, diese Diskussion. „Ich bin gespannt, ob sich da mal ein Bischof vorwagt und das in seinem Bistum erlaubt.“ Er habe gleichgeschlechtliche Paare seelsorgerlich begleitet, sei aber noch nie für eine Segensfeier angefragt worden.

Evangelische Kirche Lünen ermöglicht Segnung

Anders ist das in Evangelischen Kirchengemeinde Lünen. Es gibt einen Presbyteriumsbeschluss, nachdem es den Pfarrern freigestellt ist, homosexuelle Paare zu segnen, berichtet Pfarrerin Anja Bunkus. Sie selbst hat zwei Segnungsgottesdienste gefeiert, ein Paar hat sich für nächstes Jahr angemeldet. „Es gibt ein Vorgespräch wie bei einer üblichen Trauung und es wird über die Gestaltung des Gottesdienstes gesprochen.“ Anja Bunkus erlebt, dass sich gleichgeschlechtliche Paare oft genau überlegen, was sie einbringen wollen. Klassische Paare übernehmen eher die traditionelle Form.

Einen Unterschied macht die evangelische Kirche von Westfalen aber schon: Sie spricht bei homosexuellen Paaren von Segnung und nicht von Trauung. Das bedeutet: Streng nach der Trauagende werden im Gottesdienst nicht die klassischen Traufragen gestellt, sondern das Paar verspricht sich die Ehe. „Allerdings gibt es innerkirchliche Bestrebungen, die aktuelle Trauagende so anzugleichen, dass es in Zukunft auch für gleichgeschlechtliche Ehen eine Trauung gibt“, so Bunkus.

Über eine App auf dem Radar

Kennenglernt haben sich die Beamtin Nina und die Vertriebsmitarbeiterin im Gesundheitsstudio Linda über eine App. Als Linda in Kamen bei ihren Eltern war, hatte sie plötzlich Nina auf dem Radar. Nach ersten Treffen und Kurzurlauben, beispielsweise in Hamburg, wusste das Paar schnell, dass es zusammengehört. Linda zog mit Katze zu Nina nach Lünen. Seit sieben Wochen sind sie verheiratet. Auf immer und ewig. Unendlich.

Die Feier im Garten von Nina und Linda Falkenhain war ein Hochzeitsfest mit allem Drum und Dran. Rosa-weiße Luftballons stiegen in den Himmel. Damit beim Anschnitt der Hochzeitstorte gar nicht erst die Frage aufkam, wer die Hand oben hat, haben Nina und Linda Falkenhain ein Messer mit zwei Griffen besorgt. Auch der Hochzeitstanz war etwas Besonderes. Im Walzertakt tanzte das Paar zu Ella Endlichs Lied „Küss mich, halt mich.“ Aber nur bis zu der Stelle, an der es heißt „dein Held wird kommen“. Dann schwenkte der DJ geschickt um zu Jonathan Zelters „Ein Teil von meinem Herzen“, denn ihre Heldin hatten die beiden ja bereits gefunden. Jetzt war Discofox angesagt. Später erklang Helene Fischers „Unser Tag“. „Pures Adrenalin“, erinnert sich Linda. Die Hochzeit war die Krönung ihrer zweijährigen Beziehung.

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