Wenn der Leiter der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule über das Schulgelände geht, wird er von allen Seiten von Schülern gegrüßt. „Hallo Herr Bauhus“, rufen sie immer wieder. Souverän grüßt Reinhold Bauhus zurück. Er schreitet über das Schulgelände, zeigt die neue Turnhalle, die Räume, in denen der Fair-Trade-Laden der Schule bald einziehen soll, die neu gestaltete Bibliothek, zeigt das Gebäude, in dem die „Musikinsel“ bald einziehen soll (wegen Bauverzögerungen wird hier die Einrichtung wohl erst im kommenden Schuljahr fertiggestellt), Graffiti-Kunst an Schulhofswänden, die Stelle, an der noch in diesem Schuljahr der Schulspielhof entstehen soll, die Lernflure, den Schulgarten. Mit gewissem Stolz präsentiert er die Verwirklichung von Ideen, die seinem Kopf entsprungen sind.
Seit knapp zehn Jahren leitet er die Gesamtschule nun. Als er 2013 die Profilschule Brambauer verließ, war mit ein Grund, dass er dort eine Vision, die er in sich trug, nicht hatte umsetzen können. „Schule muss man komplett anders denken“, lautet sie. „Nämlich 24/7/365. Man muss andere Möglichkeiten schaffen und Schule nicht nur rein formell sehen.“ Als einen Ort nämlich, an dem alles ineinandergreift, sich Leben und Lernen miteinander verbinden und fließende Übergänge bilden. „Alles, was wir machen, muss man komplett vernetzt denken“, sagt Bauhus und sprüht vor Energie: Musik, Kunst, Sport, Biologie, alles soll hier stattfinden und die Schule zu einem Lebensort nicht nur für die Schüler, sondern auch für die Menschen aus dem Stadtteil machen.

Die Sache mit dem „Schulspielhof“, wie er es nennt, ist zum Beispiel ein Puzzleteil des Gedankens. Ab kommendem Schuljahr soll es längere Pausenzeiten von zwei Mal 50 Minuten pro Vormittag geben. „Das gibt den Schülern die Möglichkeit, sich „ganz informell auszupowern“. „Damit kann ich ganz viele Probleme auf einmal lösen“, sagt Bauhus. Um das zu unterstützen, werden Neuntklässler zu Sporthelfern ausgebildet: Sie helfen dann bei der Planung und Durchführung von Bewegungs-, Spiel- und Sportangeboten, Schulfesten, Projekt- und Wandertagen und leiten solche selbst an. „Förderung einer langfristigen und überdauernden Bindung zu Bewegung und Sport“, heißt es im Konzept, „Verantwortungsübernahme, Betreuung von Gruppen, Interessenvertretung.“
Wer nicht so bewegungsfreudig ist, für den soll es andere Möglichkeiten in der Schule geben: die Leseecke, den Fair-Trade-Shop, den Schulgarten, aus dem dann Zutaten für die Schulküche, die übrigens eine Lehrküche ist, gewonnen werden. Es gibt eine Kunst-AG, die Graffiti an graue Wände des Stadtteils sprüht, um ihn aufzuwerten, Lesepaten, die an Kitas geschickt werden. Außerdem gibt es natürlich die Fahrrad-Aktivitäten, das Steckenpferd von Reinhold Bauhus. Der Bikepark, die neu eingerichtete Indoor-Cycling-Halle mit hochmodernen Smart-Bikes, die Fahrrad-Werkstatt, die bald eine Duale Ausbildung anbieten soll, sind Bestandteile davon.

Schlimmes führte zu Gutem
„In dem Jahr, nachdem ich kam, gab es nur 48 neue Anmeldungen“, erinnert sich Bauhus. „Dann haben wir Gas gegeben. Jetzt haben wir 145 Schülerinnen und Schüler für den neuen fünften Jahrgang aufgenommen und haben damit die Aufnahmekapazität komplett ausgereizt.“ Eine Schule vor Ort möchte er sein, eine Wohlfühlschule, in der VHS, Musikschule und Vereine aus dem Stadtteil Platz finden, eine, die offen für alle ist. Und sich außerdem - durch den Fahrrad-Schwerpunkt - zu einem Leistungs- und Bewegungszentrum für Lünen entwickelt. „Wir hatten all diese Ideen, wurden aber 2018 durch den Vorfall des Messerangriffs zunächst gestört“, erzählt der Pädagoge. „Und dann ging alles auf einmal ganz schnell. Ich habe einen Stein geworfen. Aber dass der so hohe Wellen schlägt, habe ich nicht erwartet. Wie ein Schneeball hat es sich immer weiterentwickelt.“
Jetzt, fünf Jahre später, gibt es vieles, das fertig ist - zum Beispiel die neue Turnhalle - oder kurz davor ist, fertig zu werden.
„Aber die Idee wird schon gelebt. Die Idee, ein Lernort aus unterschiedlichen Perspektiven zu sein“, sagt er und erklärt das am Beispiel des „CycloCross-Rennens“, das vergangenen Oktober im Bikepark stattfand: Dabei gab es zunächst die sportliche Perspektive, dann den Sanitätsdienst, der auch durch Schüler gestellt wurde, die Fahrradwerkstatt und außerdem den Projektkurs, der Videos gedreht und Interviews geführt hat. Im nächsten Jahr wird dieses Event ergänzt um Cateringangebote und Bedienung der Social-Media-Kanäle durch die beteiligte Schülerschaft. „Alle Unterrichts- und Lernformate werden neu gedacht“, erklärt Bauhus.

Campus-Managerin
Circa 30 Millionen Euro beträgt die Gesamtsumme. Damit habe er etwas Gigantisches geschaffen, sagt Bauhus. Alle Gelder sind bereits genehmigt und fließen oder flossen in die Barrierefreiheit der Schule, in den Bikepark, den Schulspielhof, die Musikinsel und auch in eine neue Stelle: Die Campus-Managerin Anja Teumeuna sorgt seit Dezember 2022 dafür, über den Tellerrand Schule hinaus zu blicken und alles miteinander zu vernetzen. Zum Beispiel ist sie Ansprechpartnerin für die Seniorenarbeit im Stadtteil, die Freunde des Südparks, die Awo oder das Altenheim.
„So muss Schule sein“, sagt Bauhus, der sich als Schulleiter Ende dieses Schuljahrs in den Ruhestand verabschieden wird.


