Dirk Böning (58) sitzt seit fast 40 Jahren auf dem Bock. Für die Wirtschaftsbetriebe Lünen (WBL) transportiert er mit dem tonnenschweren Abroll-Kipper Bauschutt, Schlämme, Grünabfälle oder Papier. Seit zwei Wochen fährt er elektrisch. Aus München wurde das neue Fahrzeug geliefert. Es ist mit Nebenantrieb auch im Winterdienst einsetzbar. Dirk Böning, der bisher Dieselgeräusche gewohnt ist, sagt: „Das ist wie Busfahren.“ Das Lauteste sei die Hupe. Ein angenehmes Fahrgefühl im Cockpit, in dem modernste Assistenzsysteme installiert sind.
Der Abroll-Kipper ist eines von vier neuen Großfahrzeugen mit E-Antrieb im WBL-Fuhrpark. Neben einer Kehrmaschine tanken auch ein Müll-Hecklader und ein Sperrmüllwagen an einer der vier Schnell-Ladesäulen auf dem Gelände. Ein Papierkorbwagen, mit dem Tomasz Czasnojc (51) Bushaltestellen und Fußgängerzone ansteuert, ist schon seit drei Jahren als Stromer im Einsatz. Das städtische Tochterunternehmen rüstet um.
Den Betriebshof haben WBL eigens mit zwei neuen 10-kV-Leitungen ertüchtigt. Der Saft für die Ladestationen kommt aus der hauseigenen Photovoltaikanlage vom Dach, die von 200 auf 500 Kilowatt-Peak erweitert wurde. Ein Rundum-Paket der Energiewende.

Förderung von Bund und EU
Die hat allerdings ihren Preis. Ein Nutzfahrzeug mit klimaschonendem Antrieb ist in der Anschaffung deutlich teurer. Während ein E-Müllfahrzeug etwa 400.000 Euro kostet, ist ein Diesel knapp für die Hälfte zu haben. Nur mit Geldern des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr sowie der Europäischen Union konnten die WBL die Investition stemmen. Gefördert wurden 80 Prozent der Mehrkosten, erläutert Geschäftsführer Stefan Jonic.
Viele Kommunen testeten derzeit alternative Antriebe, infrage kämen Gas, Wasserstoff oder Elektro, so Stefan Jonic. Lünen habe sich für Strom entschieden, da die Tageskilometerleistung im Stadtgebiet überschaubar sei. Die Fahrten der E-Flotte sind so getaktet, dass in den Pausen der Fahrer geladen werden kann oder wenn die Müllfahrzeuge ohnehin ihre Fracht zum Lippewerk bringen.
Von den 15 WBL-Großfahrzeugen rollen vier elektrisch durch Lünen. Die Fahrer seien hochbegeistert: Geringere Lärmbelästigung, in Wohngebieten ein Vorteil, keine Vibrationen und keine Abgasimmissionen für diejenigen, die hinter dem Müllauto arbeiten. „Das ist Gold wert“, sagt Stefan Jonic.

Weniger laufende Kosten
Florian Klein, ebenfalls WBL-Geschäftsführer, erhofft sich Einsparungen an laufenden Kosten. E-Autos hätten weniger Verschleiß und bräuchten keinen Ölwechsel. Der Dieselverbrauch des Fuhrparks werde sinken, weil WBL Strom selbst produziere. Um die Wirtschaftlichkeit von E-Fahrzeugen beurteilen zu können, sei Haltbarkeit ein wichtiges Thema. „Zehn Jahre sollten sie schon laufen“, so Florian Klein.
In einer Übergangszeit von wenigen Monaten behalten WBL neben den Stromern die alten Dieselfahrzeuge. „Zur Sicherheit“, sagt Stefan Jonic. Den Hauptpart deckten aber bereits die E-Fahrzeuge ab. Erste Erfahrungen seien sehr gut. „Wir schauen, wie es langfristig läuft“, erläutert er.
Eigene KFZ-Werkstatt
Die Wirtschaftsbetriebe sind nicht nur in der Müllbeseitigung, Straßenreinigung, Straßenunterhaltung und dem Winterdienst tätig, sondern auch in der Grünpflege von drei Friedhöfen sowie städtischen Anlagen und Freiflächen. In der Kfz-Werkstatt werden neben den 80 Fahrzeugen des eigenen Fuhrparks auch Feuerwehr- und Krankenwagen repariert und gewartet.
Die Aufgaben für den Gesellschafter Stadt Lünen sind gewachsen. Für innerstädtische Gebäude und Spielplätze hat WBL eine Schreinerei und Schlosserei, im Meisterbetrieb sind Maler und Trockenbauer tätig.
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