
© Udo Hennes
Warum ein Wasserstoffbus mit dem Motor der Wirtschaft fährt
Energie
Leise, günstig und vor allem nahezu klimaneutral könnte der Busverkehr der Zukunft aussehen. Der Kreis Unna prüft den Einsatz der Brennstoffzelle – zunächst mit einer ungewöhnlichen Dienstfahrt.
Länger als die eigentliche Probefahrt mit dem Bus eines belgischen Herstellers dauerte das Fachsimpeln bei aufgeklappter Motorhaube. Wobei „Motorhaube“ gar kein passender Begriff mehr ist, denn der Motor ist eher ein kleiner Teil der neuen Antriebstechnik. Was Landrat Mario Löhr und seine Gäste unter der Heckklappe des Vorführfahrzeugs mit Brennstoffzelle zu sehen bekamen, war eher ein Elektrizitätswerk.
Löhr hat den Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ausgerufen – für den Einsatz in Kraftfahrzeugen, aber auch als Motor für die Wirtschaft. „Wir waren ein Energieland und wollen es auch in Zukunft sein“, so Löhr. Wenn die Spitze der Kreisverwaltung mit VKU-Chef André Pieperjohanns zur Testfahrt in einem Brennstoffzellenbus aufbricht, dann geht es zwar auch um nachhaltige Mobilität, aber eben auch um mehr: Wasserstoff muss produziert, gelagert, vertrieben werden. Fahrzeuge mit Brennstoffzellen brauchen Fabriken, in denen sie gebaut werden, aber auch Wartungs- und Reparaturbetriebe sowie Tankstellen. All das bedeutet für Löhr auch Chancen für die Wirtschaft.
Eine Woche ist der belgische Produzent Van Hool mit seinem Vorführfahrzeug in Westfalen unterwegs, um den Verkehrsgesellschaften der WVG-Gruppe einen Eindruck davon zu vermitteln, wie sich ein Bus mit Brennstoffzelle fährt.
Aus der Fahrgastperspektive, die in diesem Fall der Landrat einnahm: nicht viel anders als jeder andere. Fahrer Axel Peiler, der sonst die Ausbildung der künftigen Fahrzeugführer leitet, schwärmt von einem ruhigeren Geräuschpegel und einem stufenlosen Durchzug.

Hochdruckleitungen für den Wasserstoff und Kühlsysteme für die Brennstoffzelle: Die Technik im Bus sieht selbst für den Blick eines Laien anders aus als ein Verbrennungsmotor. © Udo Hennes
Dass ein Brennstoffzellenbus anders klingt als ein Dieselfahrzeug, werden auch Passanten gerne hören beziehungsweise eben nicht mehr hören. Ein leises Surren, am ehesten vergleichbar mit einer Straßenbahn – das ist es, was der Bus von sich gibt. Was er auch von sich gibt, ist Wasserdampf als Ersatz für rußige Dieselabgase.
Wasserstoff als Speichermittel für Strom
Wasserstoff wird gewonnen, indem man Wasser unter Strom setzt und aufspaltet in Wasserstoff und Sauerstoff. Die Brennstoffzelle im Bus macht diesen Prozess wieder rückgängig, lässt zwei H und ein O zu Wasser reagieren und nutzt den entstehenden Strom. Ein Teil davon geht direkt in den Antrieb, während Überschüsse in einer Batterie aufgefangen werden.
Stammt der Strom für die Wasserstoffherstellung aus regenerativen Quellen, ist dieser Antrieb nahezu klimaneutral. Er wäre einer der denkbaren Wege, um die EU-Vorgaben für den Personenverkehr ab 2025 zu erfüllen.
Mehr Reichweite und ein stattlicher Preis
Gegenüber reinen Batteriefahrzeugen punktet der Brennstoffzellenantrieb mit einer größeren Reichweite von rund 400 Kilometern und einer recht kurzen „Tankzeit“ von nur 15 Minuten für eine volle Ladung. Allerdings ist die Technik teuer: Kostet ein normaler Linienbus mit Dieselantrieb zurzeit etwa 240.000 Euro, sind für einen Bus mit Brennstoffzelle zwischen 600.000 und 625.000 Euro zu veranschlagen.
Und: Die Verfügbarkeit am Markt ist beschränkt. Drei Fahrzeuge in der Woche kann der belgische Betrieb herstellen, der nun am Kreishaus vorstellig geworden ist und durchaus als führender Anbieter gilt. Zurzeit setzt die VKU in Spitzenzeiten bis zu 178 Fahrzeuge ein. Das ist mehr, als Van Hool bislang gebaut hat.

Ein „grüner“ Antrieb ist Wasserstoff natürlich nur dann, wenn auch der Strom für seine Gewinnung aus regenerativen Quellen stammt. Dann allerdings kann die Technik der Wasserstoffbrennstoffzelle dazu beitragen, Produktionsspitzen von Windkraft- und Sonnenstromanlagen „einzufangen“. © Udo Hennes
Allerdings gibt es für viele Probleme auch Lösungen. Die Mehrkosten gegenüber normalen Bussen würden derzeit mit 80 Prozent Förderung vom Bund aufgefangen, erklärt VKU-Geschäftsführer André Pieperjohanns. Eine Tankinfrastruktur aufzubauen, die auch von Lastwagen mit Brennstoffzellenantrieb genutzt werden kann, gehört zum übergeordneten Wasserstoffplan des Landrates. Und ab zehn Fahrzeugen mit der neuen Technik würde sich für die VKU auch eine eigene Tankstelle auf dem Betriebshof lohnen. Dass Landrat Löhr bei Van-Hool-Verkaufsleiter Manfred Gerster gleich einmal einen denkbaren Produktionsstandort im Kreis Unna ins Spiel gebracht hat, ist ein schönes Beispiel für die Wirtschaftspolitik der neuen Nummer 1 im Kreishaus.

Landrat Mario Löhr geht es nicht nur um den Bus. Er sieht Wasserstoff als Energieträger der Zukunft für den Kreis Unna auch als Motor vieler Entwicklungen. © Udo Hennes
Ob und wann einmal ein Fahrzeug mit Brennstoffzellentechnik die Buslinien im Kreis Unna bedient, ist derzeit noch offen. Allein die bereits bestellten Neuanschaffungen statten die VKU noch einige Jahre mit Dieselfahrzeugen aus. Das gebe Zeit für gut überlegte Entscheidungen, so Pieperjohanns: „Wir können die Umstellung im Rahmen einer eigenen Strategie im Kreis Unna angehen und müssen nicht einfach auf gesetzliche Vorgaben reagieren.“
Verwurzelt und gewachsen in der Hellwegbörde. Ab 1976 Kindheit am Hellweg in Rünthe. Seit 2003 Redakteur beim Hellweger Anzeiger. Hat in Unna schon Kasernen bewacht und grüne Lastwagen gelenkt. Aktuell beäugt er das politische Geschehen dort und fährt lieber Fahrrad, natürlich auch auf dem Hellweg.
