
Bevölkerungsschützer Dirk Kemke (l.) und Koordinator Oliver Kortmann stehen am landesweiten Warntag am 8. September am Leitstand in der Rettungsleitstelle des Kreises Unna. © Kevin Kohues
Sirenengeheul im Kreis Unna: Mann (88) wählt nach Probealarm den Notruf
Landesweiter Warntag
Das Sirenengeheul war geplant, die Bevölkerung wurde vorab informiert. Dennoch wusste nicht jeder Bescheid. Ein Besuch in der Rettungsleitstelle des Kreises Unna am landesweiten Warntag.
Um 11.07 Uhr geht am Donnerstagvormittag ein Notruf in der Rettungsleitstelle des Kreises Unna ein. Am Telefon ist ein betagter Herr, nach eigener Aussage 88 Jahre alt und fast blind. Von dem Probealarm am landesweiten Warntag in NRW hat er im Vorfeld nichts mitbekommen – und ist deshalb verunsichert, als er die Sirene hört: ein an- und abschwellender Ton, eine Minute lang, der bedeutet: Warnung! Andreas Hoffmann, Lagedienstführer in der Leitstelle an der Florianstraße in Unna, kann den alten Herrn aber gleich beruhigen: Es sei nur ein Test.

Lagedienstführer Andreas Hoffmann nahm den Notruf eines 88-Jährigen entgegen, der nichts von dem Probealarm wusste. © Kevin Kohues
Landauf, landab heulen am Donnerstag die Sirenen, von denen es allein im Kreis Unna 174 gibt. Erst ist ein Dauerton zu hören (eine Minute lang, Bedeutung: Entwarnung), dann der beschriebene an- und abschwellende Ton (Bedeutung: Warnung) und um 11.12 schließlich noch einmal der Entwarnungston.
Im Frühjahr fiel der Warntag wegen des Ukraine-Krieges aus
Es ist ein landesweit vorgeschriebener Test, der im Frühjahr allerdings wegen des Krieges in der Ukraine ausfiel. Eine Verunsicherung der Bevölkerung oder sogar Fehlinterpretation so kurz nach dem russischen Angriff sollte vermieden werden.
Nun aber führten die Bevölkerungsschützer in der Rettungsleitstelle den Test wieder durch – damit bei größeren Schadenslagen oder Katastrophen gewährleistet ist, dass die Warnung mit Hilfe der Sirenen auch funktioniert. Ob dem so ist, konnte in der Leitstelle am Donnerstag freilich nicht beantwortet werden.

Die Disponenten in der Rettungsleitstelle haben während ihrer Arbeit viele Monitore im Blick. © Kevin Kohues
Sie ist „nur“ dafür zuständig, die Warnung auszulösen. „Für die Instandhaltung und Wartung der Sirenen sind die Städte und Gemeinden verantwortlich. Sie sollen aus dem Tag die nötigen Erkenntnisse ziehen, wo es Dinge zu verbessern gibt und wo alles funktioniert“, erklärt Dirk Kemke, Bevölkerungsschützer beim Kreis Unna und ehrenamtlicher Leiter der Feuerwehr in Bergkamen. Manche Sirenen seien schon sehr alt, teilweise aus den 1950er-Jahren, und es komme auch mal zu Schäden etwa durch Stürme oder Blitzeinschläge.
Die Leitstelle kann auch via App vor Gefahren warnen
Im Zeitalter der Digitalisierung ist die Sirene freilich nur eines von vielen Instrumenten, das den Bevölkerungsschützern in der Leitstelle zur Warnung der Bevölkerung zur Verfügung steht. Viele Menschen kennen und nutzen inzwischen Apps wie Nina oder Katwarn. Die Leitstelle kann in diese sogenannten mobilen Warnsysteme direkt Warnungen einpflegen, zum Beispiel Anwohnern bei einer Rauchentwicklung empfehlen, die Fenster und Türen geschlossen zu halten und in ihren Wohnungen zu bleiben.
Warn-SMS an alle Mobilfunknutzer könnte 2023 kommen
Weil die Apps aber nunmal nicht jeder nutzt, soll das digitalisierte Warnen verbessert werden. Künftig sei es etwa denkbar, dass mittels „Cell Broadcast“ alle Empfänger, die im Warnbereich im Mobilfunknetz sind, eine SMS erhalten. „Das hat den Vorteil, dass ich nicht selbst aktiv werden und eine App installieren muss“, erklärt Oliver Kortmann, Koordinator in der Leitstelle.
Weitere Kanäle, über die gewarnt werden kann, reichen vom analogen Fahrzeug mit Sirene bis hin zu digitalen Kanälen wie Twitter und Facebook. Die Leitstelle hätte im Notfall sogar die Möglichkeit, in das laufende Radio- und Fernsehprogramm einzugreifen.
Die Zahl der Warninstrumente ist heute deutlich größer als zu früheren Zeiten – und die Sensibilität nach den Ereignissen um die Hochwasserkatastrophe 2021 ist es auch. Besorgte Anrufe über die 112, wie der des 88-jährigen Bürgers an diesem Vormittag, gibt es trotzdem noch. Aber ihre Zahl nehme ab, sagen sie in der Leitstelle.