„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick.“ Diese Feststellung macht Dr. Faust bei seinem Osterspaziergang in dem berühmten Schauspiel von Johann Wolfgang Goethe. So wie der Gelehrte aus seinem dunklen Studierzimmer in die wieder erwachende Natur hinaus tritt, pflegen auch viele von unseren Leserinnen und Lesern die Tradition des Spaziergangs an den Osterfeiertagen. Für alle, die sich noch nicht entschieden haben, wohin sie ihre Schritte lenken sollen, bieten wir die Empfehlung, einmal wieder eine Wanderung auf dem Lüner Rundweg zu machen.
Die hier vorgeschlagene Route auf der östlichen Schleife des Weges kann man an jedem beliebigen Punkt beginnen. Bei der Erkundung der Strecke habe ich mich für den Theaterparkplatz entschieden. Hier ist an Sonn- und Feiertagen das Parken kostenfrei. Ein kurzer Anstieg auf den Lippedeich, wo uns die ersten Markierungen - das eingekreiste weiße „L“ auf schwarzem Grund - den richtigen Weg weisen.

Mein Hund Cooper, der mich wieder begleitet, interessiert sich allerdings mehr für die Markierungen, die seine Artgenossen am Wegesrand hinterlassen haben. Nach einigen hundert Metern überqueren wir die Seseke auf die Fußgänger- und Radfahrerbrücke. Kurz darauf geht es eine Treppe hinunter zum Lippeufer, auf einem schmalen Pfad wird die Eisenbahn unterquert und dann geht’s wieder hinauf auf den Lippedamm.
Schon bald merke ich, dass dieser Weg ein Weg für die Sinne ist: Über zwei Kilometer führt er in unmittelbarer Nähe des Flusses an den Lippeauen entlang. Dem Auge bietet sich das erste zarte Grün der Sträucher, es zeigen sich die gerade erblühten Buschwindröschen und die Spiegelungen der Bäume im Wasser. Nachdem uns die Markierung wieder in die Gegenrichtung geleitet hat, können wir den blühenden Rhododendron in den Vorgärten an der Kamener Straße und rosa blühende Pfirsichbäume in der nahen Kleingartenanlage bewundern. Duft von Hyazinthen dringt in die Nase und munteres Vogelgezwitscher erfreut die Ohren.

Einer der Höhepunkte der Tour ist die Durchschreitung des Schwansbell-Parks mit dem Schlossgebäude aus dem 19. Jahrhundert, der Gräfte mit der Garteninsel und dem Pavillon, den vielen Naturdenkmälern und den exotischen Bäumen aus verschiedenen Kontinenten. Boten des Frühlings sind auch hier sichtbar: dominierendes Grün des Rasens, blühende Bäume, bunte Krokusse, gelb leuchtende Narzissen.
Nach Überquerung des Datteln-Hamm-Kanals erreichen wir den Seepark, der aus der Landesgartenschau 1996 entstanden und mit 65 Hektar Fläche der größte Park Lünens ist. Historisch Interessierte unternehmen einen kurzen Abstecher zur „Kommunistenkurve“, wo Sowjetgrößen halb verbuddelt im Erdreich zu sehen sind. Nach sechs Kilometern Wanderung bietet sich das Café Seepark für eine willkommene Rast an.
Die bange Frage nach der Hundefreundlichkeit wird schon an der Eingangstür beantwortet: „Hunde in der Pergola willkommen.“ Gut, im Frühstücksraum könnten sie auch störend sein. Während ich eine heiße Tasse Kakao servierviert bekomme, kriegt Cooper zeitgleich eine Schüssel mit Wasser und als Zugabe eine Hundewurst. Herrchen und Hund fühlen sich hier rundum wohl.

Mit dem Datteln-Hamm-Kanal zur Rechten und dem Horstmarer See zur Linken, immer laut und freundlich begrüßt von den Wasservögeln, kommen wir zum Preußenhafen, wo der Mohr-Kran an die Lüner Bergbauvergangenheit erinnert. Jetzt geht es ein weiteres Stück über den Leinpfad am Kanal.
Ab der Bergstraße verlassen wir den Lüner Rundweg und folgen der Jakobsmuschel als Markierung des Westfälischen Jakobswegs. Der führt uns, vorbei am Hof Schulz-Gahmen mit der gewaltigen Rosskastanie und acht weiteren Naturdenkmälern in unmittelbarer Nähe, über den Leezenpatt und den Wallgang zurück zum Ausgangspunkt. Und vielleicht sagen auch Sie nach diesem ausgedehnten Osterspaziergang mit den vielen Sinneseindrücken in leichter Abwandlung des Faust-Zitats: „Hier war ich Mensch, hier durft‘ ich’s sein.“
- Die vorgeschlagene Wanderstrecke ist 12 Kilometer lang. Die Wanderzeit beträgt drei bis vier Stunden. Einkehrmöglichkeiten: Café Seepark und Kiosk Preußenhafen. Sie kann um die Hälfte verkürzt werden, wenn man ab Schwansbell über die Horstmarer Straße zur Kurt-Schumacher-Straße und dann zurück zum Parkplatz geht.
- Der Wanderung kann auch für Familien mit Kindern interessant sein, wenn man ihnen die Natur und die Sehenswürdigkeiten am Wege erlebbar macht.
- Die Wanderung ist unter www.komoot.de/tour/1066523258?ref=atd abzurufen. Ein Faltblatt über den gesamten Rundweg liegt im Rathaus aus.
