Vor Kurzem hat Hannelore Rath einen Anruf bekommen. Ein Kriminalbeamter möchte bei ihr vorbeikommen, um ihr einige Fragen zu stellen. Vor zwei Jahren war sie Zeugin eines Vorfalls geworden, zu dem er sie jetzt erneut befragen möchte. Weil es aber inzwischen so viele Betrüger gibt und die 79-Jährige weiß, dass sie vorsichtig mit unbekannten Anrufern und erst recht mit Besuchern sein muss, kommt sie zur Polizei, als die an einem stürmischen Donnerstagvormittag nahe der Sparkasse im Ortskern Brambauers ihren Bulli geparkt hat.
„Mobile Wache“ steht in dicken Lettern auf einem Schild, das auf dem Dach des Polizei-Busses angebracht ist. „Mobile Wache“ prangt auch auf der Beifahrertür. „Um genau zu sein, sind wir aber keine mobile Wache, sondern eine Anlaufstelle“, bemerkt Olaf Goldhagen, zuständiger Bezirksbeamter für Brambauer-West. Was der Unterschied ist? „Wir sind präsenter vor Ort, haben eine gewisse Sichtbarkeit, können Hinweise entgegen nehmen, sind niedrigschwelliger und ansprechbarer als in einer Wache oder hinter einer verschlossenen Tür zu sitzen. Allerdings können wir hier keine Anzeigen aufnehmen und sind nur bedingt handlungsfähig.“
Was Goldhagen und seine Kollegen aber können, wenn sie donnerstags von 10 bis 13 Uhr am Brambauer Marktplatz stehen, ist, sich die Sorgen und Fragen der Passanten wie Hannelore Rath, anzuhören. Sie ist gezielt hierher gekommen. Sie wusste von der polizeilichen Anlaufstelle und wollte ihr Anliegen lieber persönlich, als am Telefon klären. Olaf Goldhagen überprüft die Nummer, über die die alte Dame angerufen wurde und bestätigt: „Ja, das ist einer unserer Kriminalbeamter.“ Anschließend zeigt ihm sein Vorgesetzter, Bezirksdienstleiter Jörg Pientka, der mit dabei ist, ihr seinen Polizeiausweis. „So muss er aussehen“, informiert er.
„Das ist schon ein schönes Angebot“, sagt Hannelore Rath und verwickelt die Beamten noch in ein Gespräch über Begegnungen mit der Polizei in ihrem Leben und ihrer beiden Ehemänner. Ihr reiche die Polizeipräsenz in Brambauer. Als ihr einmal ihr Portemonnaie gestohlen worden war, war schnell eine Streife da und auch als sie einen Verkehrsunfall beobachtet hatte. „Und das hier“, sagt sie, „ist ein Angebot auf Augenhöhe.“
Sichtbarer als hinter einer Tür
Bereits seit 2011 ist die Polizeiwache in Lünens größtem Stadtteil wegen Sanierungsbedarf geschlossen. Danach gab es in einem Nebenraum der Sparkasse am Markt eine so genannte Polizeianlaufstelle, die zunächst an jedem Vormittag der Woche und donnerstags auch nachmittags geöffnet war. Dann wurden die Zeiten reduziert. Und schließlich wurde die Anlaufstelle zu einer mobilen Wache. Neben den Donnerstagen parkt der Bulli an jedem Montag von 15 bis 17 Uhr im Wechsel an der Netto-Filiale am Linnenkamp und auf dem Rewe-Parkplatz an der Mengender Straße.
Der für Brambauer zuständige Beamte Olaf Goldhagen sagt: „Ich und mein Kollege sind jeden Tag vor Ort. Wir fahren Streife, sind zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs, gehen in Schulen und Kitas, nehmen Fußgänger- und Fahrradführerscheine ab, vollstrecken Haftbefehle und führen nach Einbrüchen Nachsorgegespräche. Die Leute freuen sich über unsere Präsenz und empfinden eine gewisse Sicherheit.“ Es stelle sich nicht die Frage nach einer Wache, wichtiger sei die Sichtbarkeit und auch der persönliche Kontakt.
Auf der Straße werde Goldhagen erkannt und mit Namen angesprochen. Zu der mobilen Anlaufstelle kämen die Menschen manchmal nur zum quatschen, manchmal mit anzeigenrelevanten Dingen, mit Fragen oder auch mit Hinweisen. „Unsere Handlungsfähigkeit ist nicht von einem Gebäude abhängig. Und ich habe, auch durch unsere Ordnungspartnerschaft, nicht den Eindruck, dass wir zu wenig Polizei in Brambauer haben.“
Ingo Gutowski, der auf dem Weg zum Frisör zufällig an der mobilen Anlaufstelle vorbeiradelt, sieht das anderes. Der 58-Jährige hält, um einen Sachschaden anzuzeigen. Ein Auto ist ihm kürzlich in seine Garage gefahren. Da Olaf Goldhagen hier keine Anzeige aufnehmen kann, - man habe hier keinen Drucker - telefoniert er mit Kollegen und schickt eine Streife zu Ingo Gutowski nach Hause. „Diese Anlaufstelle ist nicht mit normalen Arbeitszeiten kompatibel. Das hat jetzt nur geklappt, weil ich Urlaub habe. Eine feste Wache wäre auf jeden Fall die bessere Lösung. Eine mobile reicht nicht aus“, findet er.

Kein Rückzugsort in mobiler Wache
Sonja Pelz, Leiterin einer Kita in Brambauer, die sich gemeinsam mit einer Kollegin bei dem Beamten im Vorbeilaufen nach polizeilicher Unterstützung für ihren Martinsumzug erkundigt, empfindet das ähnlich. „Die mobile Anlaufstelle reicht nicht. Es ist zu viel los in Brambauer. Die Polizei müsste noch viel präsenter sein.“
„Der Bedarf ist überall da“, kommentiert Olaf Goldhagen und fügt an: „Wenn man präsent hier steht und ein offenes Ohr hat, dann ist das ein nettes niedrigschwelliges Angebot. Viele Gespräche beginnen mit einem ‚Wenn ich Sie gerade sehe‘.“
Während er noch spricht kommt ein Junge im Grundschulalter vorbei, bleibt stehen, schnackt eine Weile und umarmt ihn schließlich. Kurz danach fragt ein älterer Junge: „Was ist eine mobile Wache?“ und Goldhagen erklärt es ihm. „Die Hemmschwelle zur Polizei soll abgebaut werden“, bemerkt er. „Es ist mir eine Herzensangelegenheit, Vertrauen aufzubauen. Und mit dieser mobilen Anlaufstelle sind wir viel flexibler.“ Ein Nachteil sei, dass es in hier keinen Rückzugsort gebe und es deswegen manchmal mit dem Datenschutz schwierig sei, bemerkt Bezirksdienstleiter Jörg Pientka. „Eine richtige Wache ist dafür natürlich besser. Aber das ist eine finanzielle Frage.“
Während der drei Stunden, in denen die „Mobile Wache“ an dem stürmischen Donnerstagvormittag am Brambauer Marktplatz stand, haben sich sieben Personen mit Sorgen, Fragen oder Anliegen an die Beamten gewandt.