
© Foto: Heimatbuch
Zeitzeugen gesucht: Als die Tram noch von Datteln über Waltrop nach Brambauer fuhr
Die Straßenbahn-Linie 4
Franz-Josef Hauke ist Gleisbauer im (Un-)Ruhestand. Sein Hobby: die Geschichte der Straßenbahnen im Vest. Jetzt hat er sich die Linie 4 von Datteln über Waltrop nach Brambauer vorgenommen.
Sie wurde nur 33 Jahre alt - die Straßenbahn-Linie 4 von Datteln über Waltrop nach Brambauer. Von 1924 bis 1957 ratterte die Tram von der Lukas-Kreuzung in Meckinghoven über die Recklinghäuser Straße, die Hochstraße, Hagelstraße und Dortmunder Straße bis zum Verkehrshof in den Lüner Stadtteil. Franz-Josef Hauke aus Recklinghausen will gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Kowalski, der aus Oer-Erkenschwick stammt, die Geschichte der Linie 4 aufschreiben - und dafür werden dringend Zeitzeugen und Fotos gesucht!
Erfahrung mit der Recherche von Straßenbahn-Geschichten hat der ehemalige Gleisbauer in den letzten zwei Jahren bereits gemacht: „Da habe ich mir die Linie 9 vom Recklinghäuser Hauptbahnhof über Stuckenbusch nach Recklinghausen-Süd vorgenommen“, erzählt er. „Anfangs fand ich nur vier Abbildungen. Und nach zwei Jahren wird nun ein 185 Seiten dickes Buch gedruckt, das in Kürze erscheint“, kündigt er stolz an.

Franz-Josef Hauke, der ein Buch über die Straßenbahnlinie 9 geschrieben hat, will nun mit seinem Kollegen Michael Kowalski die Geschichte der Linie 4 erzählen. © Meike Holz
Ereignisse auf Fahrten und an Haltestellen gefragt
Mit seinem Kollegen Michael Kowalski, dessen Vater einst bei der Vestischen angestellt war, will er nun die Linie 4 angehen. Auch da sei die Literatur „dünn“. Erste Grundlagen habe er aber bereits mithilfe der Heimatforscher Norbert Frey aus Waltrop und Theo Beckmann aus Datteln gesichtet. Auch die damaligen Gleispläne liegen ihm vor. „Aber weil das Buch nicht nur Technik-Interessierte und Straßenbahner ansprechen soll, hoffen wir, dass dieser Aufruf noch viele Geschichten und Bilder ans Tageslicht bringt“, betont der Autor. „Vor allem Ereignisse, die sich auf den Fahrten oder an den Haltestellen zugetragen haben, sind uns wichtig - damit wir das Buch lebendig gestalten können“, erklärt Franz-Josef Hauke.
Gleise lassen den Waltroper Bahnhof links liegen
Einige Grundlagen liefert bereits der frühere Waltroper Stadtdirektor Norbert Frey in seinem Heimatbuch: Etwa die Tatsache, dass die Gemeindevertretung Waltrop mitten im Ersten Weltkrieg, im März 1916, den Bau der Straßenbahn beschlossen hatte - sie sollte laut Planung den Waltroper Bahnhof anbinden. Die erste Fahrt mit Girlandenschmuck gab es schließlich 1924, und zwar am Tag vor Heiligabend. Die Schienen führten dann aber über die Dortmunder Straße, was sicherlich auch dazu führte, dass der Waltroper Bahnhof nie zu einer wichtigen Verkehrsdrehscheibe wurde.
Knapp 12 Kilometer in rund 30 Minuten
Fortan startete die Linie 4 morgens täglich um 4.36 Uhr ab Meckinghoven und endete dort in der Nacht um 1.13 Uhr. Für die knapp zwölf Kilometer lange, eingleisige Strecke benötigte die Tram damals nur gut 30 Minuten. Zwei Ausweich-Stellen waren in Waltrop am Krankenhaus und in der Innenstadt eingerichtet. Und direkt nach dem Krieg gab es in Waltrop sogar einen kleinen provisorischen Betriebshof mit Schaffnerzimmer.
Der Grund: Die Sprengung der Lukasbrücke über den Dortmund-Ems-Kanal in Meckinghoven durch abrückende deutsche Soldaten im April 1945 hatte die Linie 4 vom vestischen Streckennetz getrennt. Die Fahrgäste wurden in der Folge bis an die Brücke nahe dem alten Schiffshebewerk Henrichenburg herangefahren. Auf der anderen Seite warteten dann die Wagen aus Recklinghausen auf Umsteiger, die zu Fuß den Kanal überqueren mussten. Erst am 1. Mai 1950 konnte der „Inselbetrieb“ durch die neue Brücke aufgehoben werden.

Das historische Foto von 1954 zeigt einen Triebwagen der Linie 4 in der Dortmunder Straße in Waltrop. © Foto: Heimatbuch
Entgleisung durch einen Kinder-Streich?
Auch ein Unglück ereignete sich auf der Linie 4 - und zwar 1954 in der Bauerschaft Oberwiese. Auf Höhe der Recklinghäuser Straße 202 kippte ein Triebwagen in den Graben. Von den zehn Fahrgästen wurden drei Frauen leicht verletzt. Nach Ermittlungen soll ein kleiner harter Stein zur Entgleisung geführt haben. Angeblich war er von Kindern aufs Gleis gelegt worden.
Drei Jahre später stellte die Linie 4 den Betrieb ein: Straßenbaumaßnahmen in Waltrop, abgefahrene Gleise, verschlissener Oberbau und mangelhafte Betriebsergebnisse, so Heimatforscher Norbert Frey, gaben den Ausschlag. Statt mit Strom werden die Fahrgäste seitdem mit dem Dieselbus Richtung Brambauer oder Recklinghausen gefahren. Die frühere Buslinie 31 heißt heute 231 und 284.
Kontakt zu Franz-Josef Hauke
Der Recklinghäuser Buchautor Franz-Josef Hauke ist telefonisch unter 02361-35819 zu erreichen. Gern hört er Schilderungen von Zeitzeugen über die Straßenbahn-Linie 4. Auch alte Fotos sind gesucht.Jahrgang 1963 und ein waschechter Waltroper, kam 1984 über den Lokalsport zum Medienhaus Bauer. Nach dem Studium (Germanistik und Politikwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum) heuerte er 1989 in der Nachrichtenredaktion an und leitete sie später viele Jahre – nicht nur die „große Politik“, sondern immer auch unsere Region und ihre Menschen im Blick. Dass er nach der Übernahme durch Lensingmedia seit 2020 die Kreisredaktion verstärkt, erscheint da nur konsequent. Sein liebstes Hobby ist übrigens das Rudern auf dem Datteln-Hamm-Kanal.