Mehr als zwei Stunden unbeschwerter Unterhaltung mit unzähligen Auslösern von Lachsalven bot die Studiobühne „Die Kulisse“ dem Publikum bei der Premiere am Samstag und der Nachmittagsvorstellung am Sonntag im Heinz-Hilpert Theater. Mit ihrem neuen Stück „Verliebt, verlobt, verrechnet“ traf die Lüner Traditionsbühne, die inzwischen auf 73 Jahre erfolgreiche Theaterjahre zurückblicken kann, wieder den Nerv der Theaterbesucher.
Der Inhalt ist schnell erzählt. Julia geht nach anfänglichem Zögern auf den Plan ihres Bruders Andreas ein, die Verlobte seines Freundes Oskar zu spielen. Bei dem hat nämlich seine australische Tante Margret ihren Besuch angekündigt. Sie hat ihn bisher finanziell großzügig unterstützt, und damit der Geldstrom weiter fließt, hat er ihr ein perfektes Leben einschließlich Braut vorgeschwindelt. Doch schon bald überschlagen sich die Ereignisse.
Alles kommt immer wieder anders als man denkt. Dem Publikum werden immer wieder neue Überraschungen geboten, da der Handlungsstrang nicht gradlinig sondern recht verschlungen verläuft und das Gewirr erst in den letzten Spielminuten entwirrt wird. All das hat Spielleiter Michael Gresch mit seinem Ensemble temporeich und für die Zuschauer spannend in Szene gesetzt. Die Rollen waren dem Können der jeweiligen Akteure entsprechend optimal besetzt, so dass man als Zuschauer häufig vergaß, dass es sich um schauspielerische Laien handelte.
Da war Jaqueline Evers, die die „Verlobte“ Julia Sander verkörperte. Gekonnt transportierte sie innere Gefühls- und Stimmungsschwankungen nach außen, beherrschte den schwankenden Gang einer Betrunkenen und war als solche auch noch lallend gut zu verstehen. Erschwerend kam hinzu, dass sie die Angetrunkene über mehrere Szenenfolgen durchhalten musste. Nico Schindler war der Pläneschmied Andreas Sander, der ganz flexibel immer wieder neue Strategien entwickelte, die nie aufgingen und dann immer wieder neue Verwirrungen brachten. Stefan Geisler zeigte als Oskar sehr gut den Wandel vom weltfremden Trottel zum verliebten Draufgänger.

Innere Entwicklungen ihrer dargestellten Figuren meisterten auch Marianne Feldmann Jorißen als Mutter Sander, Imke Gampe als Freundin Katja und Fabian Evers als sich vom Sandkastenfreund wandelnder glühender Liebhaber. Barbara Hegemann als Frau Heinzelmann träumte sich immer wieder in große schauspielerische Rollen rein, wobei ihre Glanzleistung das tote Schneewittchen war. Maria Hanke brachte als Erzählerin einen Hauch von epischem Theater auf die Bühne.
Therese Gresch brachte sich gleich mehrfach ein. Von ihr stammten die Kostüme, die echte Hingucker waren, sie hatte vor der Vorstellung alle 15 Darsteller einschließlich sich selbst mit der passenden Maske versehen und verkörperte auf der Bühne auch die liebenswerte Mrs. Robbins mit einem hinreißenden australischen Akzent. Auch Theaterprinzipal Michael Gresch war nicht nur Regisseur, er füllte im Kochoutfit die Rolle des Caterers Gröllmann mit Leben.
Besser als Kino und Fernsehen
Dabei gelang es ihm, mit ständigem Telefonieren und Werbeslogans, die er zu bekannten Operettenmelodien schmetterte, aus einer Nebenrolle eine Hauptrolle zu machen. Und als Regisseur hatte er noch, wie beim antiken Theater, einen „Deus ex Machina“ eingebaut, der, als er angerufen wurde, mit Donnergrollen antwortete. Der Regieeinfall, das Ensembles mit dem Pastor an der Spitze die „Polonaise Blankenese“ über die Bühne tanzen zu lassen, erinnerte an das absurde Theater von Ionesco ebenso wie das Blinde Kuh Spiel. Erwähnenswert ist auch das ansprechende funktionale Bühnenbild von Barbara Hegemann, das bereits beim ersten Öffnen des Vorhangs vom Publikum Applaus erhielt.
Während der Aufführung fiel der Satz von Darstellerin Imke Gampe als Katja Braun: „Was hier passiert, ist besser als Kino und Fernsehen und viel spannender als vor der Glotze zu sitzen. Es geht eben nichts über Live-Geschehen.“ Nehmen wir uns das zu Herzen. Für die kommenden Vorstellungen der Kulisse (4.2. und 4.3. um 18 Uhr, 5.2. und 5.3. um 16 Uhr) sind noch ausreichend Karten vorhanden. Der Besuch lohnt sich. Gelegenheiten zum befreienden Lachen sind in der heutigen Zeit ja äußerst selten geworden.