Mehr Vergewaltigungen und schwere Körperverletzungen So steht es um die Gewaltkriminalität in Lünen

Statistik zeigt: Mehr Vergewaltigungen und schwere Körperverletzungen in 2024
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Montagmorgen, 25. November 2024, in Brambauer: Eine Auseinandersetzung zwischen fünf Mitarbeitern eskaliert in der Halle eines Unternehmens an der Zechenstraße. Es kommt zu einer körperlichen Auseinandersetzung, bei der drei Personen durch Messerstiche in die Schulter, die obere Brust, in den Rücken und in die Lunge verletzt werden. Sie flüchten sich nach dem Angriff in die nahe gelegene Aral-Tankstelle an der Brechtener Straße. Bei einem der Opfer, einem 20-jährigen Mann, besteht kurzzeitig Lebensgefahr. Tatverdächtig sind zwei Brüder im Alter von 35 und 29 Jahren.

Sie werden an der Anschrift einer Schwester in Dortmund-Eving, nachdem diese den Notruf der Polizei wählte und von einer körperlichen Auseinandersetzung sprach, in welche ihre Brüder verwickelt waren, angetroffen und vorläufig festgenommen. Videoaufnahmen vom Tatort bestätigen den Tatverdacht gegen den 35-Jährigen. Der 29-Jährige wird mangels Nachweises einer schwerwiegenden Tatbeteiligung einen Tag nach dem Angriff in Brambauer entlassen. Sein Bruder hingegen wird dem Haftrichter vorgeführt, der antragsgemäß einen Untersuchungshaftbefehl wegen versuchten Totschlags erlässt.

Straftaten sind um 18 Fälle gestiegen

Dieser Fall ist in Lünen einer von 213 Delikten, die in der aktuellen polizeilichen Kriminalstatistik unter die Rubrik Gewaltkriminalität fallen. Diese wiederum setzt sich aus verschiedenen Straftaten zusammen. So gab es vergangenes Jahr jeweils einen Fall von Mord und Totschlag, 22 Vergewaltigungen, 155 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung sowie 34 Straftaten, die unter Raub, räuberische Erpressung und den räuberischen Angriff auf Kraftfahrer fallen.

Körperverletzung mit Todesfolge, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahmen sowie Angriffe auf Luft- und Seeverkehr - Delikte, die ebenfalls zur Gewaltkriminalität gezählt werden - haben in der Lippestadt 2024 nicht stattgefunden. Die registrierten Straftaten sind im Vergleich zum Vorjahr um 18 Fälle gestiegen, was einem prozentualen Zuwachs von 9,23 Prozent entspricht. Im Vergleich zum Höchststand aus 2016 (282 Fälle) kann jedoch ein Rückgang von 69 Taten (- 24,47 Prozent) festgestellt werden, heißt es in der Kriminalstatistik. Im Zehnjahresvergleich (2014 - 2024) zeigt sich, dass die Anzahl an Delikten um rund 9,36 Prozent gesunken ist.

Straftaten gegen das Leben kommen in Lünen grundsätzlich selten vor. Von 2011 bis 2024 gab es pro Jahr maximal vier Fälle. Vergangenes Jahr machten sie mit 0,04 Prozent (zwei Fälle) einen sehr geringen Anteil der Gesamtkriminalität aus. Die Aufklärungsquote lag hier zuletzt dreimal in Folge bei 100 Prozent. Wenn es zu Mord oder Totschlag in der Lippestadt kommt, ist meist auch die KAP, die Kommission für Kapitalverbrechen oder Kapitaldelikte des Polizeipräsidiums Dortmund, im Einsatz. Die zuständigen Beamten wurden 2024 zu drei Einsätzen im Stadtgebiet Lünen gerufen. „In einem der drei Einsätze wurde das Delikt im Nachgang nicht als Straftat gegen das Leben klassifiziert, weshalb in der Statistik zwei anstatt drei Straftaten aufgeführt werden“, heißt es in der Kriminalstatistik.

Delikte der gefährlichen und schweren Körperverletzung stellen mit 155 erfassten Straftaten fast drei Viertel (72,77 Prozent) der Fälle und damit den größten Anteil im Bereich der Gewaltkriminalität dar. Im Vergleich zu 2023 gab es hier einen Anstieg von 7,64 Prozent und im Vergleich zu 2020 einen Rückgang von 11,43 Prozent. Die Aufklärungsquote liegt aktuell bei 79,35 Prozent. Deutlich seltener wurden 2024 die Täterinnen und Täter gefasst, die einen Raub, räuberische Erpressung oder räuberische Angriffe auf Kraftfahrer begangen haben, hier kommt Lünen nur auf eine Quote von 52,94 Prozent.

Keine direkte Vergleichbarkeit möglich

Besonders auffällig sind in dem aktuellen Bericht die Zahlen zu Vergewaltigungen. Gab es von 2018 bis 2023 zwischen fünf und zehn Fälle, wurden 2024 insgesamt 22 solcher Delikte (Aufklärungsquote von 86,36 Prozent) registriert. Eine Vergleichbarkeit in der Zeit ist laut dem Bundeskriminalamt (BKA) aber nur in Teilen möglich. Denn die Anpassung des Strafrechts in Bezug auf Sexualdelikte in den Jahren 2016 und 2021 hätten „die Hürden der Strafbarkeit von sexuellen Übergriffen herabgesetzt“, was sich auch im Hellfeld - alle Straftaten, welche der Polizei durch eigene Ermittlungen oder Anzeigen bekannt werden und in der Kriminalstatistik auftauchen - niederschlägt.

Das zeigt sich ebenfalls in der Gesamtzahl von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: 2016 hatte es beispielsweise 42 Fälle gegeben, 2020 schon 151 Taten und im vergangenen Jahr dann 145 Delikte. Hierbei, so wie bei allen anderen Zahlen in der Kriminalstatistik, ist aber zu beachten, dass die Deliktanzahl auch durch das Anzeigeverhalten der Bevölkerung beeinflusst werde und neben dem „Hellfeld“ stets ein „Dunkelfeld“ nicht erfasster Taten bleibe, betont die Polizei.

Aufklärungsquote leicht schwankend

Die Aufklärungsquote im gesamten Bereich der Gewaltkriminalität liegt über die vergangenen Jahre (2014 - 2024) hinweg immer zwischen 70 und 80 Prozent. 2024 wurden 76,1 Prozent der Täterinnen und Täter ermittelt, deutlich mehr als noch in 2023, wo die Polizei eine Quote von 71,3 Prozent verzeichnete. Besonders hoch war die Rate vor zehn Jahren mit 80,4 Prozent.

Lünen landet im Vergleich mit den anderen Kommunen im Kreis Unna bei der Aufklärungsquote aber nur im unteren Drittel. Lediglich in Bönen und in Werne wurden noch weniger Täterinnen und Täter gefasst. Am besten sieht es in Selm aus, hier liegt die Quote bei 96,3 Prozent. Dort gab es aber auch „nur“ 27 Delikte und somit am zweitwenigsten im ganzen Kreis Unna. Lünen liegt hingegen als größte Stadt bei der Anzahl an Straftaten mit Abstand vorne. Dahinter folgen Unna mit 156 Fällen, Bergkamen (124 Fälle) und Kamen (117 Fälle).