Denise Jücker ist eine ganz normale Frau. Die 34-Jährige ist verheiratet, hat einen achtjährigen Sohn und einen Familien-Dackel. Nach der Ausbildung zur Krankenschwester studierte sie und arbeitet inzwischen als Managerin bei einem Tochterunternehmen der Bahn. Und wenn sie von etwas überzeugt ist, dann steht sie auch dazu. So kam sie auch zu zwei Eigenschaften, die in dieser Kombination eher ungewöhnlich sind: Sie ist Vegetarierin, verzichtet weitestgehend auf Milchprodukte, und ist eine begeisterte Jägerin.
„Die ersten Berührungspunkte mit der Jagd kamen im Urlaub“, erklärt Jücker. Ihre Familie hat Freunde, die eine Farm im afrikanischen Namibia betreiben. „Da es wenig regnet, hätte Gemüseanbau dort keine Chance“, sagt sie. Somit lebe die Familie vom Jagen, wobei zuerst die Familie versorgt wird und das nicht benötigte Fleisch verkauft werde. „Das fand ich sofort total nachhaltig“, so die Jägerin.
Vor elf Jahren machte ihr Mann den Jagdschein und seitdem begleitet sie ihn auch gerne in Wald und Flur.
Tiere töten?
Die Herkunft ihres Fleisches war es letztendlich auch, die sie vor fünf Jahren veranlasste, Vegetarierin zu werden: „Ich habe immer gerne Fleisch gegessen und mag den Geschmack grundsätzlich“, so Jücker. Doch habe sie erkannt, dass man kaum nachvollziehen könne, wie die Tiere gehalten und geschlachtet wurden.
Sie habe aber kein Problem damit Fleisch zuzubereiten, etwa wenn es selbst zur Strecke gebracht wurde. Auch das Ausnehmen der Tiere sei für sie kein Problem. „Ich habe auch früher schon mit viel Interesse beim Zerwirken mitgeholfen“, so die Jägerin. Schließlich habe sie Krankenschwester gelernt und gerne verglichen, welche Organe der Tiere denen des Menschen ähneln.
Vom Begleiten zum selber Jagen sei es kein langer Weg gewesen. Irgendwann habe sich ihr auch die alles entscheidende Frage aufgedrängt: Bei uns werden Tiere gegessen, wäre ich auch in der Lage ein Tier zu töten? „Das hat mich gerade im Urlaub in Namibia wirklich beschäftigt und schließlich fasste ich den Entschluss selbst meinen Jagdschein zu machen“, so Jücker.

Grünes Abitur
Im September 2022 war es soweit: Die Frau aus Werne absolvierte bei der Kreisjägerschaft Unna den Vorbereitungskurs zur Jägerprüfung. „Das Erste worüber ich gestaunt habe, war das enorme Wissen, das wirklich dahinter steht“, sagt Jücker. Wenn man abends ausgelaugt von der Arbeit kommt, sei das viele Lernen wirklich schwer. Was ist eine Notzeit, wie funktioniert Waldbau, welches Wild gibt es, welche Krankheiten gilt es zur erkennen, die ganzen rechtlichen Regelungen – man spreche nicht umsonst vom grünen Abitur.
„Das Schwerste war für mich zunächst die Waffenkunde und Ballistik“, gesteht Jücker. Welche Krümmung legt das Geschoss zurück und welche Kaliber benötigt man, um wirklich waidgerecht zu jagen – all diese Fragen zogen sie immer tiefer in die Materie. „Letztendlich geht es, so komisch das für Außenstehende klingt, immer darum Leid zu vermeiden, quasi um das Tierwohl“, so Jücker. Jäger zu sein bedeute so viel mehr, als die eigentliche Jagd.
Empathie gegenüber dem Tier
„Seit dieser Ausbildung sehe ich 100 Prozent mehr Tiere als vorher“, verrät sie lachend. Was sich ihr und den Mitstreitern des Jagd-Kurses eingeprägt habe, sei in jedem Fall die Achtung vor der gesamten Natur. „Die Jagd selbst ist nur ein kleiner Teil von dem, was wir tun“, so Jücker. Doch Rituale wie der „letzte Bissen“, ein Zweig im Äser des erlegten Tieres, damit es nicht ohne Nahrung auf seine letzte Reise gehen möge, drücken Empathie aus.
Auch das Verblasen der Strecke am Ende der Jagd, zeuge vom Miteinander und der Achtung des Mensch zum Tier. Sie freue sich immer wieder, wenn sie Arten sehe, die sie aus Kindertagen kaum kannte. „Die Hasen werden mehr und auch Rebhühner tauchen wieder auf“, so Jücker. Das mache sie glücklich.
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