Der Menschenrechtler und Abenteurer Rüdiger Nehberg sagte mir mal in einem Gespräch nach seinem Vortrag im Lüner Hanse-Saal: „Um Abenteuer zu erleben, braucht man nicht die weite Welt. Mit etwas Fantasie kann man sie auch vor der Haustür stattfinden lassen.“
An diese Worte erinnerte ich mich, als ich in diesen Tagen eine zweitägige, 40 Kilometer lange Wandertour mit Start und Ziel in Lünen plante und mir dabei einen besonderen Übernachtungsort auswählte, das „Parkhotel Emscherauen“ an der Stadtgrenze von Mengede und Castrop.
Dort übernachtet man aber nicht, wie der Name vielleicht implizieren mag, in einer Komfort-Herberge im Grünen, sondern in knapp drei Meter langen Röhren, wie sie unterirdisch für den Abwasserkanal der Emscher eingesetzt werden. Da dort auch Hunde übernachten dürfen, begleitete mich auch auf dieser Tour mein treuer Freund Cooper.
Erlebnisroute Lippeaue
Wir starten an der Lippebrücke an der Münsterstraße in Lünen. Der erste Teil der Wanderung führt uns über den Lippedeich auf der „Erlebnisroute Lippeaue“ bis zur Schlossmühle Lippholthausen, einem Streckenabschnitt, auf dem man auf mehreren Stationen auch beim wiederholten Begehen immer wieder neue Informationen aufnehmen kann.
Mittagspause machen wir im Außenbereich des Cafés Lüntec in Brambauer. Hier wird täglich ein traditionelles Mittagsmenü angeboten. Ich entscheide mich trotzdem für ein köstliches Stück Buttercremetorte, das verbrauchte Energie schnell zurückbringt.
Westlich von Brambauer beginnt die „Bergwertung“ mit Auf- und Abstiegen über die Haldenlandschaft, bei denen die Mühen des Aufstiegs jeweils mit einem tollen Rundblick belohnt werden. Am Dortmund-Ems-Kanal entlang führt uns der Leinpfad zur idyllisch gelegenen Laurentiuskapelle auf Waltroper Stadtgebiet.

Von hier erreichen wir nach gut zwei Kilometern unser Tagesziel, den Emscherauenhof, romantisch gelegen mitten im Landschaftsschutzgebiet, an einem riesigen Regenrückhaltebecken, größer als der Phönixsee, bevölkert von unzähligen Wasservögeln.
Drei Röhren bieten hier maximal sechs Rad- oder Fußwanderern eine Unterkunft. Die jeweilige Tür wird durch einen Zahlencode geöffnet. Nach dem dritten Versuch hilft mir mein „Röhrennachbar“, der mit seiner siebenjährigen Tochter Lotta eine Radtour macht. Bei ihm klappt’s auf Anhieb. Und Lotta übernimmt die Rolle der Einweiserin: „Da hinterm Haus steht ein Wagen mit Dusche, Waschbecken und Toilette und Duft-Spray, wenn es mal stinkt.“
Danach hat sie Cooper ins Herz geschlossen und dreht mit ihm immer wieder Runden um die Wiese. Stühle und Tische stehen neben der Röhre. Mein Abendessen aus dem Rucksack, eine Dose Heringsfilet in Tomatensoße mit Brötchen vom Café Lüntec, kann ich im warmen Licht der untergehenden Sonne vor der Kulisse des Auenhofes genießen. Cooper verschlingt das Rindfleischmenü aus der Konservendose nach dem 20 Kilometer langen Marsch mit Heißhunger.
Das Bett ist mit einer etwa 1,20 Meter breiten Matratze bequem, nicht zu weich und frisch bezogen. Es gibt eine Kleiderhakenleiste, eine Lampe, zwei Steckdosen und etwas Stauraum neben und unter dem Bett. Der Platz für Cooper ist recht eng, doch er arrangiert sich, streckt sich so weit wie möglich aus, gibt ein wohliges Grunzen von sich und ist dann schnell eingeschlafen.
Die Tür muss ich schließen, weil sich Mücken in Schwärmen angelockt fühlen, doch die Frischluftzufuhr ist ausreichend. Begleitet von Vogelgezwitscher, lauten Schreien der Kanada-Gänse und dem leisen „Meeresrauschen“ der Autobahn in der Nähe schlafe auch ich schnell ein. Die Nachtruhe wird nur einmal unterbrochen durch einen notwendigen Toilettengang, für den ein kleiner nächtlicher Spaziergang von mehr als 100 Schritten ist.
Um sechs Uhr erinnert mich Cooper an die ihm zustehende Mahlzeit. Mein Frühstück nehme ich gegen zehn Uhr im Eiscafé Dolomiti in Mengede ein. Das stelle ich mir mit Rührei, Schinkenbrötchen und Kaffee selbst zusammen. So gestärkt geht es weiter zum Dortmunder Grävingholz und über den Jakobspilgerweg von Brechten zurück in die Lüner Innenstadt, nur unterbrochen von einer spontanen Einladung zu einem Bier von Wanderfreundin Birgit in ihrem Garten in Gahmen.

