„Liebevoller Abschied muss kein Vermögen kosten“ Lüner Bestatterin Claudia Pohlhaus kennt Alternativen

Weder todtraurig noch teuer: Bestatterin Claudia Pohlhaus (47) kennt Alternativen
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Ein bunt bemalter Sarg, ein Motorrad in der Trauerhalle oder ein Schnaps am Grab der Verstorbenen: Die Bestattungsbranche ist derzeit im Umbruch. Es gibt fast nichts, was es nichts gibt. „Alternative Beisetzungen passen einfach in die Zeit“, sagt Claudia Pohlhaus, Bestatterin in Lünen-Süd. Seit rund eineinhalb Jahren betreibt die 47-Jährige zusammen mit ihrem Mann dort das Bestattungshaus Engelsflügel. Im Schaufenster steht ein Sarg mit vielen bunten Handabdrücken und roten Herzen.

Pompöse und todtraurige Beerdigungen seien inzwischen genauso selten wie große Familiengräber. Stattdessen liegen individuelle Beisetzungen zum Beispiel auf dem Ruheforst im Trend. Anders als früher dürfe auch gelacht werden, wenn die freie Trauerrednerin und nicht mehr der Pastor spricht, so Pohlhaus.

Trend geht zur Urne

Das große Stichwort sei Individualität: „Die Beerdigung soll so sein, wie der Mensch gelebt hat.“ Es habe noch nie einen Wunsch gegeben, den Claudia Pohlhaus ihren Kunden abschlagen musste. Die Trauerfeier könne zu Hause stattfinden, die Familie könne beim Anziehen des Verstorbenen helfen oder die Urne anmalen. Mal liegt ein geliebtes Kuscheltier mit im Sarg, mal ein Füller. Die Trauerkarten werden heute nicht mehr per Post verschickt, sondern per Whatsapp. Auch bei der Musik gibt es keine Grenzen: „Es gibt kein Lied, dass es nicht gibt.“

Knapp 80 Prozent der Menschen, die sterben, werden inzwischen in einer Urne beigesetzt, so Claudia Pohlhaus: „Es werden immer mehr.“ Rund zehn Tage vergehen bei Urnen-Bestattungen zwischen Sterbetag und Beisetzung. Dass es irgendwann gar keine Bestattungen im Sarg mehr gibt, kann sich die 47-Jährige aber nicht vorstellen. Die Bestatterin könne jeden gut verstehen, der seinen Körper nicht verbrennen und einäschern lassen möchte. Auch Claudia Pohlhaus selbst würde sich für einen Sarg entscheiden.

Claudia Pohlhaus sitzt auf einem Sarg
Särge werden nur noch bei rund 20 Prozent der Beisetzungen benutzt. © Luca Füllgraf

Dass sich viele Menschen schon während ihres Lebens Gedanken über den Tod machen, ist keine Seltenheit. „Ganz viel ist Vorsorge“, sagt die Lüner Bestatterin. Immer mehr Menschen sagen schon im Vorfeld, welche Blumen, welche Musik und welchen Sarg sie möchten. Manche schreiben Gästelisten für die eigene Beerdigung und sagen sogar, wer nicht kommen darf. Um die eigenen Kinder finanziell zu entlasten, wird die Beerdigung teilweise sogar schon bezahlt oder zumindest Geld bei Seite gelegt. Schließlich ist der nächste Angehörige bestattungsverpflichtet. Das kann man sich nicht aussuchen.

Schwarze Schafe in der Branche

Die günstigste Bestattung in einer Urne gibt es bei Bestattungen Engelsflügel schon ab 1790 Euro. „Ein liebevoller Abschied muss kein Vermögen kosten“, sagt Pohlhaus. Sie wolle bei den Preisen auf Transparenz setzen, damit nicht plötzlich immense Rechnungen entstehen. „Man muss menschlich bleiben“, sagt sie.

Manchmal melden sich auch Menschen und fragen, wie teuer die günstigste Beisetzung ist. „Andere sagen, das sei pietätlos, aber ich finde das total legitim.“ Das gelte im Übrigen nicht nur für alle, die eine teure Beerdigung in finanzielle Probleme bringen könnten, sondern auch für Menschen, die sich eine teure Beerdigung einfach nicht leisten möchten: „Einmal kam ein Kunde und sagte: ‚Meine Mama würde mit den Vogel zeigen und sagen, dass ich lieber in den Urlaub fahren soll‘.“

In der Branche gibt es laut Pohlhaus auch schwarze Schafe, die die Notsituation und Verletzlichkeit der Menschen ausnutzen und zu hohen Preise raten. „Wenn ein teurer Sarg benutzt wird, um ihn nur kurze Zeit später zu verbrennen, dann ist das einfach Abzocke“, sagt sie. Das stehe im kompletten Gegensatz zu ihrem Verständnis: „Diesen Beruf darf und kann man nur machen, wenn das Geld nicht im Fokus steht.“

„Mit vollem Herzen Bestatter“

Bei allen Neuerungen gibt es aber trotzdem traditionelle Qualitäten, die eine Bestatterin oder ein Bestatter mitbringen müsse: Pünktlichkeit, rechtliche Kompetenzen und Einfühlungsvermögen. „Natürlich hat man Mitgefühl“, sagt Claudia Pohlhaus. Das sei nicht überall in der Branche so: Überspitzt gesagt werde bei manchen Unternehmen erst die Rechnung geschickt und erst dann Beileid gewünscht.

„Wir sind mit vollem Herzen Bestatter“, sagt Claudia Pohlhaus. „Den Menschen in den schwersten Situationen beizustehen, ist wirklich schön, auch wenn sich das komisch anhört.“ Sie und ihr Mann Maik hätten auch nie ein Problem damit gehabt, mit Toten zu arbeiten.


Ihr Mitgefühl wolle sie nie verlieren. „Selbst, wenn eine 98 Jahre alte Frau stirbt, war sie trotzdem die Mama von jemandem.“ Besonders hart sei es aber, wenn Kinder sterben: „Das ist einfach nicht richtig.“ Wenn die Bestattung besonders persönlich und emotional ist, dann verdrücke auch sie mal eine Träne. Allerdings sei es ebenso wichtig, wieder Abstand zu gewinnen, wenn die Trauerfeier vorbei ist.

Arbeitsalltag auf TikTok

Das Bestattungsinstitut in Lünen ist an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden erreichbar. „Auch das muss man wollen“, sagt Pohlhaus. Besonders bei Unfällen oder Todesfällen von Menschen, die zu Hause sterben, werde sie auch mal mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt. Gibt es bei solchen Arbeitsbedingungen Nachwuchs für den Beruf als Bestatterin oder Bestatter? „Jein“, sagt die 47-Jährige. Es gebe immer wieder Anfragen für Praktika und auch Berufsanfänger, aber manche würde auch schnell merken, dass der Beruf nicht zu ihnen passt.

Trotzdem sieht sie eine positive Entwicklung: „Der Umgang mit dem Tod ist offener geworden“, sagt die Bestatterin. Dazu möchte auch sie beitragen. Deshalb gibt sie auf Sozialen Netzwerken wie Tiktok und Youtube Einblick in ihren Alltag als Bestatterin und zeigt, was alles möglich ist. Außerdem räumt sie hier auch mit Mythen rund ums Thema Beerdigungen auf, etwa, dass bei der Einäscherung nicht die gesamte Asche am Ende in der Urne lande.