Im Interview mit unserer Redaktion gibt der Allgemeinmediziner Dr. Thomas Huth aus Fröndenberg seine Einschätzungen zu den Aussichten bei der Entwicklung des Coronavirus.
Wie ist in Ihrer Praxis die Corona-Situation?
In den letzten Wochen hat tatsächlich die Zahl der Patienten, die an Corona infiziert sind, erheblich zugenommen. Also ich bin überrascht. Es sind in den letzten zwei Wochen etwa 18 bis 20 Patienten, die teilweise im Urlaub waren und dann mit Husten, Schnupfen oder Kopfschmerzen und leichten fieberhaften Temperaturen zu uns in die Praxis gekommen sind.
Bei den entsprechenden Testungen wurde festgestellt, dass sie Corona-positiv sind. Also wir müssen davon ausgehen, dass jetzt, da der Sommer vorbei ist und der Herbst kommt, natürlich auch wieder die Zahl der infizierten Corona-Patienten steigt.
Man sitzt also auf beengtem Raum im Flieger und fängt es sich ein?
Bei den entsprechenden Bedingungen im Flugzeug mit der Klimaanlage werden die Aerosole und Keime ja ganz schön durcheinandergewirbelt, sodass man sich da seine Infektion holt.
Die meisten, die ich befragt habe, sagen, dass sie im Flieger nach Hause gekommen sind und ein, zwei Tage später die Beschwerden gehabt haben. Ich sehe da auf jeden Fall einen Zusammenhang, was die Fliegerei betrifft und die Corona-Infektion.
Wie schwer sind die Krankheitsverläufe?
Es hat sich gezeigt, dass diejenigen, die sich haben impfen lassen oder diejenigen, die eine Infektion durchgemacht haben, noch eine gewisse Rest-Immunität besitzen und dass dadurch natürlich die Verläufe jetzt wesentlich blander und dezenter ablaufen – also leichte, fieberhafte Temperatur, ein bisschen Husten, Schnupfen, ein bisschen Kopfschmerzen.
Einige Personen berichteten mir, sie hätten ein, zwei Tage Schüttelfrost gehabt und dann war es wieder gut. Also die Verläufe sind deutlich reduziert in ihrer Intensität der Symptomatik.
Welche Empfehlungen geben Sie aktuell?
Ich orientiere mich da an den Vorgaben und der Empfehlung der Stiko (Ständige Impfkommission, die Red.). Ich war am Anfang auch ein bisschen skeptisch, habe gesagt, ach, da läuft ja nicht viel momentan über Corona.
Aber jetzt denke ich schon aufgrund der Zunahme der infizierten Patienten, dass wir die Auffrischimpfungen anbieten sollen, so wie die Stiko das auch empfiehlt. Kinder und Jugendliche bis 18 brauchen keine Auffrischimpfung, weil da die Verläufe so blande ablaufen. Da sagt man, die wissen wahrscheinlich gar nicht, dass sie Corona gekriegt haben.
Die 18- bis 60-Jährigen, die soweit gesund sind, brauchen eigentlich auch nicht unbedingt eine Auffrischimpfung, weil sie noch größtenteils eine sogenannte Basis-Immunität besitzen durch ihre Infektionen und die Impfungen, die sie durchgemacht haben.
Die Stiko empfiehlt allerdings Impfungen ab 60 Jahren aufwärts. Die Patienten haben ein erhöhtes Risiko, an Corona zu erkranken und einen schwerwiegenden Verlauf zu bekommen. Und das ist ja der Ansatz, weshalb wir überhaupt eine solche Auffrischimpfung durchführen wollen.
Wir wollen die Menschen schützen, dass sie eben nicht wieder so schwere Erkrankungen durchmachen müssen. Bei denjenigen, die multimorbide sind, die Diabetes haben, die Corona, die die KHK, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, haben oder Lungen-Erkrankungen, COPD, ist es wichtig, dass eine sogenannte Booster-Aufrisch-Impfung gemacht wird, damit einfach die Immunität wieder hochgeschoben wird.
Denn das Problem ist ja: Es gibt die bakterielle Infektion, da haben wir ein Antibiotikum für. Aber bei Virusinfekten, da stehen wir da. Da ist natürlich die Impfung ein hervorragender prophylaktischer Schutz.
Wie verhält es sich mit der Grippeschutzimpfung?
Die Stiko empfiehlt sogar, dass man beides zusammen impfen kann. Ich, für meine Patienten, halte mich da ein bisschen zurück und sage: erst die Corona-, dann die Influenza-Impfung, aber in einem Abstand von ein, zwei Wochen.
Wir haben das ja nun erlebt, dass doch auch Nebenwirkungen auftreten können, als die großen Grippeimpfungen durchgeführt wurden. Bei einem zeitlichen Abstand zwischen den Impfungen können wir differenzieren: Ist es durch die Grippeimpfung oder ist es durch die Corona-Impfung aufgetreten?
Sind die Empfehlungen für Grippe und Corona vergleichbar?
Das kann man damit jetzt tatsächlich vergleichen, wobei man natürlich festhalten muss: Wir wissen nicht, was aus dem Coronavirus wird. Es können durch entsprechende Mutation Veränderungen im genetischen Material und damit plötzlich wieder so ein virulenter Keim auftreten wie die Omikron-Variante.
Damals waren wir überrascht, wie schwer dann teilweise die Symptome und die Beschwerden sein können durch eine entsprechende Infektion. Insofern empfehle ich auch jetzt als Arzt meinen Patienten: Lasst euch auffrischen, wenn es notwendig ist.
Diese Menschen sollen sich informieren bei ihren Ärzten, bei ihren Hausärzten oder Hausärztinnen. Je nach individueller Krankheitssituation werden sie dort erfahren, ob sie sich auffrischen lassen, also geboostert werden sollten, ja oder nein. Jede Impfung, die wir machen, führt zu einer verbesserten Immunität und somit zu einem erhöhten Schutz gegenüber Corona.
Was empfehlen Sie Menschen, die einfach nur ängstlich sind?
Wer da ein bisschen besorgt ist, dass er eventuell doch schwer erkranken könnte, dem biete ich das an. So wie jemand, der gerne gegen Grippe geimpft werden möchte – dann machen wir das.
Es ist mit Sicherheit kein Fehler, eine Impfung durchzuführen, auch wenn man soweit gesund ist. Wir bauen damit eine entsprechende Antikörperbildung, eine sogenannte Immunität auf, die einfach besser ist als das, was bisher gewesen ist. Denn die Zeiten, als wir geimpft haben, liegen ja auch schon sechs Monate, teilweise zwölf Monate zurück.
Und da ist die Immunität mit Sicherheit reduziert. Leider haben wir noch nicht so das richtige Kontrollmaß, eine Antikörperbestimmung. Wer hat noch genügend Immunität und wer hat nicht genügend Immunität? Da warte ich noch auf entsprechende Studienergebnisse. Es wundert mich, dass das bisher noch nicht im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchungen genannt worden ist.
Gelten die früheren Hygieneregeln weiter?
Das ist meiner Ansicht nach auch entscheidend. Ich habe auch ständig meinen Mundschutz dabei. Einfach weil man jetzt Kontakt hat mit Menschen, die husten, die Schnupfen haben und eventuell Corona haben können – das muss ich nicht unbedingt haben. Das heißt auch: Abstand halten. Eineinhalb oder zwei Meter.
Wir müssen einfach abwarten, wie jetzt die Entwicklung ist im Rahmen dieser Corona-Infektionen. Eins gilt es festzustellen: Corona ist noch nicht vorbei. Die Pandemie ja, aber nicht Corona. Und das müssen wir ernst nehmen.
Das vollständige Interview mit Dr. Thomas Huth können Sie als Video unter www.hellwegeranzeiger.de sehen und hören.
