Nach Kritik am Stellenplan Wo die Unnaer Kreisverwaltung 170 neue Stellen geschaffen hat

Nach Kritik am Stellenplan: Wo das Kreishaus 170 neue Stellen geschaffen hat
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Ein Säulendiagramm zeigt die Richtung an: In den vergangenen zehn Jahren sind 171 Arbeitsplätze in der Kreisverwaltung neu geschaffen worden.

Der Stellenplan sieht damit aktuell 916,5 Arbeitsstellen vor, auf denen originäre Aufgaben der Kreisverwaltung erledigt werden. Diese Stellen werden über die Kreisumlage von den Städten und Gemeinden des Kreises finanziert. Daneben gibt es weitere 480 sogenannte drittfinanzierte Stellen; hier erstatten Bund oder Land dem Kreis die Kosten.

Gehaltskosten von 91 Millionen Euro

Das Kreishaus muss im laufenden Jahr fast 91 Millionen Euro für die Gehälter ausgeben. Beim drittfinanzierten Jobcenter – eine Aufgabe des Bundes, die der Kreis übernimmt – sind es weitere 16 Millionen Euro.

An den Personalausgaben gab es zuletzt massive Kritik. Die Kämmerer der zehn kreisangehörigen Kommunen (Bergkamen, Bönen, Fröndenberg, Holzwickede, Kamen, Lünen, Schwerte, Selm, Unna, Werne), denen für 2024 die Aufnahme von Krediten bevorsteht, sehen u.a. beim zweitgrößten Etatposten des Kreishaushaltes künftig Möglichkeiten für Einsparungen.

Die CDU-Fraktion schloss sich der im Ton sehr deutlichen Stellungnahme der Kommunen kürzlich an und erneuerte ihre Kritik am „Stellenaufwuchs“ der vergangenen Jahre. „Nur in gut begründeten Ausnahmefällen“ seien für die CDU Stellenneueinrichtungen denkbar, ließ Fraktionsvorsitzender Marco Morten Pufke wissen.

Personalplanung im Kreishaus seit 2013

Kreiskämmerer Mike-Sebastian Janke gab in dieser Woche auf Nachfrage dieser Redaktion einen Einblick in die Personalplanung des Kreises seit 2013, gemeinsam mit Ferdinand Adam, dem Leiter des Steuerungsdienstes im Kreishaus, und Kerstin Philipps, die in jedem Jahr die Feinjustierung beim Stellenplan vornimmt.

Ihre wichtigsten Aussagen:

Kerstin Philipps: „Man muss um jede Stelle ringen.“

Ferdinand Adam: „Man kann überlegen, wie intensiv man etwas macht – aber gar nichts zu machen, ist auch keine Option.“

Mike-Sebastian Janke: „Wir haben ein extrem reines Gewissen.“

Woran entscheidet sich, ob neue Stellen geschaffen werden?

„Jedes Jahr meldet das Haus seinen Stellenbedarf“, erläutert Kerstin Philipps. Die Fachabteilungen und Dezernate hätten bis dahin schon vorgeprüft, ob eine neue Stelle erforderlich ist. Dennoch werde am Ende nur ein Bruchteil eingerichtet.

So hätten sich die einzelnen Ressorts für 2023 rund 90 neue Stellen gewünscht. Am Ende sind rund 22 neue Arbeitsplätze bewilligt worden – in letzter Instanz vom Kreistag, der den Stellenplan beschließen muss.

Mike-Sebastian Janke nennt zwei wesentliche Aspekte, warum eine Stelle neu geschaffen werden muss: den Anstieg von Fallzahlen bei einer Dienstleistung des Kreises oder eine neue „zwingende Aufgabenerfüllung“.

Aktuelle Beispiele: der seit einiger Zeit vorgeschriebene Führerscheinumtausch. „Da haben wir zigtausend Anträge“, macht Janke deutlich. Und: der erweiterte Berechtigtenkreis beim Wohngeld. Dadurch hätten mehr Menschen zugleich auch Ansprüche aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, was Mehrarbeit bedeute.

Wo sind seit 2013 besonders viele Stellen geschaffen worden?

Die meisten neuen Stellen gibt es in sicherheitsrelevanten Bereichen: Leitstelle, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. 21,5 Stellen richtete der Kreis neu ein. Fachgutachten hatten empfohlen, die Personalausstattung zu erhöhen. Grund sind auch neue Bedrohungslagen wie ein Black-Out-Szenario oder Hochwasser durch Starkregen.

20 neue Arbeitsplätze gibt es bei den Schulen. Dass der Kreis Unna Träger der Förderschulen werden soll, hätten die Kommunen selbst unterstützt, so der Kreiskämmerer. In der Folge hätten Schulsekretariate besetzt und Hausmeister eingestellt werden müssen.

Einen großen Zuwachs gab es auch im Bereich Familie und Jugend: 21,1 Stellen in den vergangenen zehn Jahren seien auf steigende Fallzahlen bei der psychologischen Beratungsstelle oder der Bearbeitung von Unterhaltsvorschuss zurückzuführen. Auch der Ausbau der Tagesbetreuung von Kindern oder beim Pflegekinderdienst schlage zu Buche.

Welche Bereiche haben sonst noch mehr Stellen erhalten?

Auch bei den Hilfen zur Pflege oder der Eingliederungshilfe seien die Fallzahlen gestiegen, zudem sei die Heimaufsicht ausgeweitet worden, was ein Plus von 16,41 Stellen im Fachbereich Arbeit und Soziales zur Folge hatte.

Gesetzliche Kontrollvorgaben sowie der Tierschutzgedanke hätten über die letzten zehn Jahre auch zu 14 neuen Stellen im Veterinärwesen und bei der Lebensmittelüberwachung geführt.

Wegen gestiegener Zahlen bei Asylbewerbern und sich hier niederlassenden Ausländern wuchs der Bedarf um zwölf Stellen. Weitere neu geschaffene Stellen:

  • Kreispolizeibehörde: 9,27 (Kontrolle im Waffenwesen)
  • Bauen und Planen: 6,5 ((Straßen-, Radweg- und Hochbau)
  • Natur und Umwelt: 5,1 (Gewässer-, Hochwasser- und Klimaschutz)

Der Kreiskämmerer betont, dass zwar neue Stellen geschaffen wurden, aber auch anderswo reduziert worden sei. Im Saldo der Jahre von 2014 bis 2023 habe es daher netto einen Zuwachs von insgesamt 149,8 Stellen gegeben.

Welche neuen Stellen werden besonders kritisch gesehen?

In der sogenannten Zentralen Verwaltung, also bei Buchhaltung, Finanzwesen sowie Personalbewirtschaftung, sind 14 Stellen hinzugekommen. Es sind Aufgaben, die nicht nach außen sichtbar werden.

Es sei unabwendbare Folge, dass diese interne Verwaltung aufgestockt werden müsse, wenn auch die Zahl der zu erledigenden Aufgaben im Kreishaus stetig ansteige, so Ferdinand Adam. Eine Million Buchungsvorgänge habe die Zentrale Verwaltung jedes Jahr zu erledigen.

Im Bereich Straßenverkehr seien acht Mitarbeiter neu eingestellt worden, die sich u.a. auch ums „Blitzen“ kümmern. Auf der einen Seite finanzieren sie ihren Arbeitsplatz wegen der Buß- und Verwarnungsgelder fast selbst. „Es lohnt sich auch, aber das ist nicht unser Hauptargument“, so Mike-Sebastian Janke. Auf der anderen Seite sei dem Kreis die Verkehrssicherheit ein wichtiges Anliegen. „Das ist auch ein Wunsch der Bürger“, ergänzt Ferdinand Adam.

Die einzige freiwillige, also nicht gesetzlich verpflichtende Aufgabe, bei der Kreis sieben neue Stellen geschaffen hat, ist der Bereich Kultur und Tourismus.

Fallen künftig nicht Stellen wegen der Digitalisierung weg?

Seit 2014 sind 16,5 neue Stellen bei der Zentralen Datenverarbeitung u.a. wegen des Ausbaus der Netzwerke und der Digitalisierung geschaffen worden. Auch Cybersicherheit werde ein immer wichtigeres Thema, weil die gespeicherten Daten das „Rückgrat der Kommunen“ sei, so Mike-Sebastian Janke.

In dem Maße wie Leistungen mittlerweile online, z.B. bei der Führerscheinstelle, erledigt werden könnten, könne noch kein Personal eingespart werden. „Irgendwann wird das so sein, aber der Weg ist noch ein extrem langer“, vermutet Janke.