Lange hat Nermin Bevab mit sich selbst gekämpft, gehadert. Denn er arbeitet gerne. Die Besucher, viele von ihnen Stammgäste, seien nie - nicht in Corona-Zeiten nicht und auch nicht danach - ausgeblieben. Zufriedene Gäste zu sehen, sagt der 52-Jährige, das sei es, was ihn das Steakhaus El Gaucho 19 Jahre lang hat betreiben lassen. „Viele der Gäste sind Freunde geworden“, sagt er. Und auch die Gäste waren zufrieden: „Alle, die dieses Restaurant durch uns kennengelernt haben, sind auch dabei geblieben“, heißt es zum Beispiel in einer Tripadvisor-Bewertung. „Die Atmosphäre dort ist sehr ansprechend, das Personal ist sehr gut und die Speisen sowieso.“ „Die Bedienung ist sehr freundlich und schnell. Das Ambiente nett. Wir essen hauptsächlich Steak und ich habe bislang kein besseres Steakhaus hier inklusive Dortmund gefunden“, in einer anderen.
Doch nun ist Bevabs Entscheidung gefallen und er sagt Sätze wie: „Die Luft ist raus. Ich bin müde geworden.“ Oder: „Der Leidensdruck wird immer größer, mein Körper macht nicht mehr mit. Nach 19 Jahren Stress ist es jetzt genug. Ich möchte noch ein bisschen was vom Leben haben.“ Und: „Wenn man nur für die Arbeit lebt, hat man etwas falsch gemacht.“

Argentinisches Rindfleisch, gegrillt auf südamerikanischer Holzkohle in der offenen Küche. Das ist das Markenzeichen des Lüner Steakhauses, das schräg gegenüber des Lüner Hauptbahnhofs an der Münsterstraße liegt. Ende Mai/ Anfang Juni, wird nun also die Geschichte von Nermin Bevab in der Gastronomie und als Gaststätten-Betreiber zu Ende gehen - Bevab kann sich das lange Pfingstwochenende (8./9. Juni) als Finale vorstellen. Der Pachtvertrag ist zu Ende Juli gekündigt.
1992 hatte Bevab 19-jährig sein Jurastudium in Bosnien abgebrochen und war vor dem Balkankrieg nach Lünen geflohen – und geblieben. Wegen jahrelanger unsicherer Bleibeperspektive war an eine Fortsetzung des Studiums nicht zu denken und Bevab fing an, erst im Getränkeservice, dann in der Gastronomie zu arbeiten. Zuletzt hatte er im Steakhouse gekellnert, um es dann 2006 als dritter Inhaber zu übernehmen. Mit Leidenschaft. Seine inzwischen erwachsenen und studierenden Kinder haben mitgeholfen und Schichten übernommen, seit sie 15 Jahre alt waren. Genauso wie seine Frau. „Wir waren immer ein Familienbetrieb“, sagt der Gastronom. „Aber ich habe immer gearbeitet, am Abend, am Wochenende, an Feiertagen, wenn andere freihatten und Zeit mit ihren Familien verbracht haben.“ Urlaub wurde nur ein Mal im Jahr gemacht: drei Wochen in den Sommerferien ging es Jahr für Jahr auf Familienbesuch nach Bosnien.

Ob es die harte Zeit war - erst Corona, jetzt gestiegene Energiekosten, Inflation, Nachwuchsmangel - weiß der Lüner nicht so genau. Aber: „Sein Leben in der Gastronomie zu verbringen, laugt aus. Ich möchte noch ein bisschen was vom Leben haben.“ Das weiß er. Ein paar Monate lang „runterkommen“, vielleicht mal richtig Urlaub machen, auch zu anderen Jahreszeiten, gemeinsam mit Frau und Kindern nach Amerika reisen und sich dann einen Job als Angestellter mit geregelten Arbeitszeiten suchen. So stellt Nermin Bevab sich das vor.
Doch mit seinem Entschluss geht nicht nur seine Ära in der Gastronomie und als Gaststättenbetreiber zu Ende. Auch die Ära des Steakhouse El Gaucho findet ein Ende. 42 Jahre als die Adresse für saftige Steaks in Lünen und Umgebung bekannt, wird es nach Nermin Bevab auch das Steakhouse nicht mehr geben. Unter Landsleuten habe er gefragt, sich auch entfernter umgehört und versucht, einen jüngeren Geschäftspartner zu finden, um vielleicht doch noch weiter machen zu können: vergeblich. „Es gibt einfach keinen Nachwuchs, der die Gastronomie mit einer solchen Leidenschaft weiter betreiben könnte, wie wir damals“, sagt er.
Seine Kinder hat er ihre eigenen Wege gehen lassen: den Sohn ins Jurastudium, die Tochter ins Lehramt.
„Ich möchte mich bei den Gästen bedanken, die nie ausgeblieben sind“, sagt er zuletzt. „Und jetzt muss ich den nächsten Kampf kämpfen: Loszulassen.“