Verhandlungen um Steag-Fläche Lünen: WFG Unna steigt aus Remondis hat weiter Interesse

Verhandlungen um Steag-Fläche Lünen: WFG Unna steigt aus
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Als die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Unna (WFG) Mitte Juni 2023 ihren Geschäftsbericht 2022 feierlich präsentierte, lief noch alles wie am Schnürchen. Vielleicht nicht so schnell wie erhofft, aber immerhin in die gewünschte Richtung. „Gemeinsam mit der Stadt Lünen beziehungsweise der Wirtschaftsförderungszentrum Lünen GmbH und der Remondis Production GmbH verfolgt die WFG das Ziel, die 10,7 Hektar große Nordfläche des ehemaligen STEAG-Kraftwerkes zu erwerben, zu entwickeln und anschließend zu vermarkten“, ist auf Seite zehn zu lesen. Fünf Monate später hat das so keinen Bestand mehr: eine Kehrtwende, die die WFG allerdings nicht in farbigen Broschüren drucken ließ, sondern die sie nur verdruckst auf Nachfrage mitteilte.

Man muss den Bandwurmsatz bis zum Schluss lesen, um zu staunen: „Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Unna mbH (WFG) verfolgt die ursprünglichen Pläne, Miteigentümerin der ehemaligen Steag-Flächen in Lünen zu werden und das Areal für eine zukünftige, gewerbliche Nutzung zu entwickeln, aktuell nicht mehr.“ So antwortet WFG-Sprecherin Anita Lehrke am Donnerstag (30.11.) auf die Frage der Redaktion nach dem Stand der Verhandlungen.

Der Abschied der WFG nach rund zwei Jahren am Verhandlungstisch kommt ebenso plötzlich wie einsilbig. Schließlich handelt es sich um eine Fläche von zentraler Bedeutung: um die wichtigste industrielle Potenzialfläche der größten Stadt des Kreises Unna und zudem um eine von 24 regionalen Kooperationsstandorten für die Ansiedlung von flächenintensiven Gewerbe- und Industriebetrieben im Ruhrgebiet.

Die Steag-Nordfläche am 1. August 2023. Erste Pioniergehölze haben sich ihren Lebensraum wieder zurückerobert.
Die Steag-Nordfläche am 1. August 2023. Erste Pioniergehölze haben sich ihren Lebensraum wieder zurückerobert. © Goldstein

Auf Nachfrage erläutert die Sprecherin von WFG-Geschäftsführer Sascha Dorday das Aus zumindest etwas näher. Die WFG habe „erst kürzlich“ entschieden, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Zwar stehe die WFG weiter „für die Begleitung einer Entwicklung mit fachlicher Expertise zur Verfügung“. Sie sehe aber „darüber hinaus keinen weiteren Bedarf mehr sich zu beteiligen“.

Private Investoren hätten inzwischen Interesse an der Fläche bekundet: „Es besteht die Möglichkeit eines Direktverkaufs des Areals.“ Namen und Daten nennt Anita Lehrke selbst nicht. Da Remondis aber immer noch mit am Verhandlungstisch sitzt, liegt der Gedanke nahe, dass der Global Player mit Sitz in Lünen gemeint sein dürfte.

Remondis: Müssen abwarten

Michael J. Schneider, Sprecher von Remondis, hält sich bedeckt: „Da gibt es leider aus unserer Sicht immer noch nichts Neues zu vermelden“, schreibt er. Aus seiner Sicht gebe es - das Ausscheiden der WFG zum Trotz - „aktuell keine neue Entwicklung“. Dennoch: „Wir – also Remondis - zeigen unverändert Interesse an der Nordfläche, sehen aber keinen akuten Bedarf, den Prozess in irgendeiner Weise zu forcieren.“

Der Ball liegt seiner Meinung nach jetzt im Feld der Stadt Lünen, die aktuell den Bebauungsplan verhandele mit der Hagedorn-Gruppe, der aktuellen Eigentümerin der ehemaligen Steag-Fläche. Dabei geht es darum, wie die Fläche genutzt werden kann. Remondis müsse „natürlich abwarten, wie sich die Stadt mit Hagedorn hinsichtlich der Nutzung der Flächen einigt, da das auch Auswirkung auf unsere mögliche Nutzung der Nordfläche haben wird“.

Die Stadt Lünen hat nach eigenen Angaben „vom Rückzug der WFG erst kürzlich erfahren“. Das weitere Vorgehen werde die Verwaltung zunächst mit den politischen Gremien abstimmen, so Stadtsprecher Daniel Claeßen am Freitagmittag. Details zu den Verhandlungen nannte er nicht. Im September 2023 hatte Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns im Interview die Position der Stadt so beschrieben: „Jetzt geht es darum, dass wir im Schulterschluss mit der Politik unsere Ziele auf dieser Fläche erreichen und Nutzungen bekommen, die uns nicht nur möglichst viele, sondern auch gute Arbeitsplätze bringen. Das bedeutet, dass unsere Umwelt nicht über Gebühr belastet werden darf und unser Straßennetz nicht überfordert.“

Bedingungen für das Baurecht

Das ist nicht neu: Bereits 2020 hatte der Lüner Stadtrat darüber diskutiert und eine entsprechende Resolution formuliert. „Jetzt sind wir in der Phase, dass Baurecht geschaffen werden muss.“, so Kleine-Frauns drei Jahre später. „Da werden im Moment intensive Diskussionen geführt, wie wir als Nicht-Eigentümer diese Ziele erreichen können.“ Er als Bürgermeister sehe sich da als Mittler. Für ihn steht mit Blick auf die Steag-Fläche fest: „Wir haben keine weiteren freien Flächen, die so wertvoll sind. Da muss man sich, glaube ich, die Zeit nehmen, bis wir Baurecht erteilen. Denn danach haben wir keinen Einfluss mehr.“

Dass nicht der Preis - im April 2022 war von 12 Millionen Euro die Rede -, sondern die Bestimmungen eben dieses Bebauungsplanes die Verhandlungen in die Länge ziehen, hatte Hagedorn-Geschäftsführer Rick Mädel im Juli im Gespräch mit der Redaktion angedeutet: „Ich habe das Gefühl, dass sich das Ganze immer mehr zum Politikum entwickelt.“

Hagedorn wolle die Verhandlungen aber nicht platzen lassen, sagte er damals. Vier Monate später schweigt er. „Bezüglich Ihrer Anfrage kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiterhelfen. Wir kommen auf Sie zu, sobald es Neuigkeiten gibt“, lässt Hagedorn Sprecherin Judith Roderfeld lediglich in seinem Namen mitteilen.

Steag-Südfläche verkauft

Auf dem Steag-Gelände selbst ist inzwischen Ruhe eingekehrt, seitdem im September auch das letzte Kraftwerksgebäude, das Pumpenhaus, abgerissen worden war. Der sogenannte Deponie-Wald, den Hagedorn im Februar auf einer Fläche von 1,8 Hektar roden ließ, wächst schon wieder nach. Ob und wann Hagedorn den Aufwuchs beseitigt, ist offen. Und vor allem: für wen?

Das selbst gesteckte Ziel des Gütersloher Unternehmens, das Ende 2018 das gesamte 37 Hektar große Kraftwerksgelände an der Moltkestraße von der Steag übernommen hatte, war: bis 2024 mit der sogenannten Revitalisierung der Fläche fertig zu sein, um sie für eine neue Nutzung zur Verfügung stellen zu können. Den südlichen Teil des Geländes hatte Anfang 2022 die Dietz AG erworben und 500 bis 1500 Arbeitsplätze versprochen. Eine konkrete Nutzung ist noch offen.

Die knappe Stellungnahme des Lüner Stadtsprechers erreichte die Redaktion erst nach einer ersten Veröffentlichung dieses Textes. Wir haben sie ergänzt.

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