Stadtrat verabschiedet Haushalt Klima, Klüngel, Klicki - viel Gegenwind in Lüner Politik

Stadtrat verabschiedet Haushalt: Klima, Klüngel, Klicki - viel Gegenwind in Politik
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Der Lüner Stadtrat hat den von der Verwaltung vorgelegten Haushalt 2023 mehrheitlich verabschiedet: Für den in den vergangenen Wochen öffentlich und bei diversen Klausurtagungen der Fraktionen unter Beteiligung der Stadtspitze hinter verschlossenen Türen viel diskutierten Haushalt stimmten Donnerstagabend (9. März) im Rathaus 29 Ratsmitglieder. 20 stimmten dagegen.

Zu den Befürwortern zählte neben den Fraktionen von SPD, CDU, Die Linke auch die von den ehemaligen AfD-Mitgliedern Constanze und Peter Pasternak im Herbst 2022 gegründete Fraktion „Nachhaltigkeit und Wohlstand für Lünen“ (NWL).

Gegen den Haushalt sprachen sich die Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, der Wählergemeinschaft Gemeinsam für Lünen (GFL), der FDP und der Alternative für Deutschland (AfD) aus.

Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns zeigte sich nach der Abstimmung ebenso wie die vier Beigeordneten an seiner Seite erleichtert über das Ergebnis. Wenngleich Kleine-Frauns sich, wie er sagte, mehr Zustimmung gewünscht hätte.

Genehmigungsfähiger Haushalt?

Dr. André Jethon, seit Anfang dieses Jahres Stadtkämmerer, versicherte auf Nachfrage aus dem Plenum, dass der zuvor abgesegnete Haushalt „Stand heute Abend“ allen gesetzlichen Vorschriften entspreche und damit genehmigungsfähig sei. Darüber entscheidet schlussendlich die Bezirksregierung Arnsberg in den kommenden Wochen.

Die meiste Zeit vor der Haushaltsabstimmung nahmen die traditionellen Haushaltsreden der Fraktionen in Anspruch. Nachfolgend Auszüge aus den Redebeiträgen der größten Ratsfraktionen in der Reihenfolge und im Wortlauft, wie sie in der Ratssitzung gehalten wurden.

SPD-Fraktion

SPD-Fraktionschef Rüdiger Billeb:

  • Einige der größten Ausgabepositionen in unserem Haushalt können wir - leider - zumindest nicht direkt beeinflussen oder reduzieren, bei anderen Positionen müssen wir uns aber mehr als dringend auf den Weg machen, zumindest den Aufwärtstrend zu bremsen.
  • 70 Millionen Euro Kreisumlage, das sind 20 Prozent des Gesamthaushalts!
  • Insgesamt 28 Millionen Euro Soziale Leistungen, davon allein 12 Millionen Euro für „Hilfen zur Erziehung“.
  • Wenn solche Summen unseren Haushalt belasten, haben wir vor Ort kaum noch einen Spielraum zur Gestaltung und erst recht keine Chance, unsere Verbindlichkeiten signifikant zu reduzieren.
  • Für uns ist die Schaffung von Gewerbeflächen und damit einhergehend von Arbeitsplätzen, verbunden mit der Möglichkeit, in Lünen Eigentum zu erwerben und/oder überhaupt attraktiven Wohnraum zu bekommen, der Schlüssel zur Verbesserung der Sozialstruktur und damit der Sozialdaten unserer Stadt.
  • Die IGA bereitet uns auch im Zusammenhang mit dem Haushalt erheblichste Bauchschmerzen, Herr Bürgermeister. Auf die Fachverwaltung allein wollen wir uns bei diesem Dekadenprojekt für unsere Stadt nicht verlassen!
  • Als Politik drängen wir heute erneut darauf, uns eine transparente Kalkulation vorzulegen, die es uns ermöglicht, die Kosten, Fördermittel und Eigenanteile auf einen Blick zu erfassen.

Rüdiger Billeb
Rüdiger Billeb © SPD

CDU-Fraktion

CDU-Fraktionschef Christoph Tölle:

  • Bereits die ersten zwei Monate mit den vier Beigeordneten zeigen, das war eine gute Entscheidung!
  • Der Verwaltungsvorstand mit Jürgen Kleine-Frauns, Axel Tschersich, André Jethon, Arnold Reeker und Christian Klicki wird als tatkräftige Einheit wahrgenommen.
  • Auch gebührt mein Dank Arnold Reeker. Wir als CDU waren mit Ihnen nicht immer einer Meinung, aber sehen und freuen uns, dass Sie sich tatkräftig dafür einsetzten, dass weitere Arbeitsplätze im Klöters Feld und der Derner Straße entstehen können. Und die Steag-Fläche der wirtschaftspolitische Gamechanger in unserer Stadt wird.
  • Nichtsdestotrotz lieber Herr Reeker reicht das nicht aus. Wenn wir langfristig die Steuereinnahmesituation und die Kaufkraft steigern wollen, benötigen wir nicht nur weitere Gewerbeflächen sondern auch zeitnah Wohnbauflächen für Zuzugwillige und Lünerinnen und Lüner, die am Markt keine adäquaten Immobilien oder Flächen finden.
  • Der CDU ist bewusst, dass wir den Spagat zwischen Sparen und Investieren dauerhaft schaffen müssen. Aus diesem Grund unterstützen wir den Kämmerer uneingeschränkt bei seinen Bemühungen, den Haushalt zu sanieren, und sind auch über die Äußerungen des Bürgermeisters und der anderen Beigeordneten erfreut, besonders auf die Kosten achten zu wollen.

Christoph Tölle
Christoph Tölle © CDU

Bündnis90/Die Grünen

Grünen-Fraktionschefin Tessa Schächter:

  • Auf der anderen Seite wurden große Kosten im letzten Jahr schnell noch durchgewunken, trotz warnender Worte unserer vorangegangenen Kämmerin.
  • Die Mehrkosten für ein neues Dezernat wurden konsequent klein gerechnet und fix unter dem Deckmantel von eiligen Beschlüssen mehrheitlich verabschiedet.
  • Das neue Dezernat ist kein Ergebnis einer rationalen Abwägung, sondern bloßen Politklüngels, legitimiert durch das Auslegen von dem Mehrheitsverständnis „Demokratie ist eine Stimme mehr“.
  • Ein weiteres Desaster: Die Machbarkeitsstudie zur Kurt-Schumacher-Straße, die vorschlägt, die Kulturinsel mit der Innenstadt zu verbinden.
  • Warum sowas abgelehnt wird? Nun ja, der Autofahrer könnte in den Stau auf der einzig frei befahrbaren Straße geraten (...) und ein roter Teppich mit Fußgängerüberweg ist sowieso eine Schnapsidee.
  • Einem Haushalt 2023, der für die wichtigen Zukunftsthemen Bauen, Mobilität und Klima zwar neue Ressourcen schafft, dem aber für eine bedarfsgerechte Realisierung weiter die personellen Ressourcen fehlen, können wir in der Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen nicht zustimmen.

Tessa Schächter
Tessa Schächter © Privat

GFL-Fraktion

GFL-Fraktionschef Andreas Dahlke:

  • In wichtigen Bereichen trägt die GFL-Fraktion die Stellenausweitungen mit, da dies zur Aufgabenerfüllung einfach erforderlich ist. Denn die Aufgaben und Herausforderungen haben an Komplexität enorm zugenommen. Damit muss jetzt aber auch das Ende des Stellenausbaus erreicht sein.
  • Wir werden genau beobachten, inwieweit auch durch die Digitalisierung der Verwaltungsapparat effizienter aufgestellt wird und letzlich mittel- und langfristig Personal eingespart werden kann.
  • Eine zwingende Aufgabe ist nach wie vor der Klimawandel mit seinen gravierenden Auswirkungen.
  • Die GFL-Fraktion hat zur Bewältigung des Klimawandels und seiner Folgen zahlreiche fundierte Anträge in die Ratsgremien eingebracht. Leider wurden diese größtenteils abgelehnt - schade.
  • Vor dem Hintergrund der genannten Aspekte stimmt die GFL-Ratsfraktion dem Haushaltsplan in seiner Gesamtheit nicht zu.
  • Wir danken der gesamten Verwaltung, insbesondere Roman Greb und dem Kämmerei-Team, die den Haushalt federführend mit den Fachabteilungen aufgestellt haben.

Andreas Dahlke
Andreas Dahlke © Heine

FDP-Fraktion

FDP-Fraktionschef Karsten Niehues:

  • Wir werden uns die Frage stellen müssen, welchen Service-Level wir unseren Bürgerinnen und Bürgern und damit unseren Steuerzahlern denn überhaupt langfristig anbieten können.
  • Es sind die freiwilligen Leistungen, die wir unter die sprichwörtliche Lupe nehmen müssen. Und hier erwarten wir Ehrlichkeit von allen Ratsmitgliedern.
  • Im Jahr 2022 wurden wir fast schon überrascht, als uns im Rahmen einer Ältestenratsklausur die Implementierung eines vierten Beigeordneten vorgeschlagen wurde, was bereits damals soviel hieß, dass bei den Mehrheitsverhältnissen ohne Rücksicht auf die damit einhergehenden Kosten diese Stelle geschaffen wurde.
  • Höhnisch wurde die Stelle ausgeschrieben, um dann die Person zu nehmen, die von Anfang an jedermann kannte und die es werden würde. Diese Ausgaben der Ausschreibung waren unsinnig.
  • Herr Dr. Klicki, mein Appell an Sie: Falsifizieren Sie unsere ausgesprochen schlechte Meinung über ihre Aufnahme in den Verwaltungsvorstand, zeigen Sie uns nachvollziehbar und nachhaltig auf, dass es für Lünen den versprochenen Gewinn darstellt, dass wir einen vierten Beigeordneten haben und dass Sie der richtige Mann hierfür sind.
  • Dieses Jahr sieht sich die FDP außer Stande, dem Haushaltsentwurf zuzustimmen.

Karsten Niehues
Karsten Niehues © FDP

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