Der Schlusspunkt des Sprengtages in Lünen: Am Sonntag (28. März) fiel nach Schornstrein und Kesselhaus auch der Kühlturm in sich zusammen.

© Hagedorn

Sprengung des Steag-Kraftwerkes: Ein Tag zwischen Warten und Hektik

rnAbriss

Die „größte Sprengung des Jahres“ ist vorbei: Schornstein, Kesselhaus und Kühlturm des ehemaligen Steag-Kraftwerks liegen in Schutt und Asche. Alles lief nach Plan - zumindest fast.

Lünen

, 28.03.2021, 18:05 Uhr / Lesedauer: 3 min

Nein, keine Chance: Selbst wer am Sonntag (28. März) morgens um 8 versuchte, in die Nähe der Kanalbrücke Brunnenstraße zu kommen, wurde freundlich, aber bestimmt abgewiesen. Sicherheitsdienst und das THW setzten die Ankündigung der Stadt Lünen, die Zufahrtsstraßen zum ehemaligen Steag-Kraftwerk abzusperren, konsequent um. Auch an der B54-Brücke und selbst an der Kreuzung Dortmunder Straße/Kupferstraße fanden sich Sicherheitsdienstler, die jeden Versuch des Sprengtourismus unterbanden.

Keine Menschenansammlungen während der Corona-Pandemie - das war das Credo der vergangenen Wochen, in denen die Hagedorn-Gruppe aus Gütersloh nach und nach gemeinsam mit der Stadtverwaltung die „größte Sprengung des Jahres“ vorbereitet hatte. Schornstein, Kesselhaus und Kühlturm des ehemaligen Steag-Kraftwerkes sollten an diesem Sonntag fallen. Im Gegensatz zu den fünf Kleinsprengungen in den vergangenen Wochen lief das nicht ohne umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen ab - inklusive Straßen- und Bahnsperrungen.

Parkkarte, Corona-Test und Frühaufsteher

Hagedorn hat auf dem Gelände der Caritas-Werkstätten in den Telgen sein Lager aufgeschlagen. Ein Medienzelt dient als Arbeitsort für die zahlreichen Journalistinnen und Journalisten, das angrenzende Feld ermöglicht den bestmöglichen Blick auf die zu sprengenden Bauten. Wer dabei sein will, muss einen negativen Corona-Test vorweisen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Eine Parkkarte, die gleichzeitig als Passierschein dient, ist eine weitere Voraussetzung. Und man muss früh aufstehen: Die Sprengung war zunächst für 10.30 Uhr angesetzt, der Sicherheitsbereich rund um das Kraftwerk wird jedoch bereits um 8.30 Uhr geschlossen. Da all das auf mich zutrifft, kann ich am frühen Morgen mit einem Kaffee in der Hand einen letzten Blick auf das Steag-Ensemble werfen.

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Und immerhin bleibt so Zeit genug, sich vor Ort auf die Live-Sendung vorzubereiten: Mit dem Ü-Wagen und zahlreicher Unterstützung des Vereins „Sport live“ bringt unser Team Kameras in Position, während mein Kollege Daniel Börger und ich noch mal den Moderationsplan durchgehen. „Ich denke, den Plan können wir schnell über den Haufen werfen“, meint der Kollege und ergänzt nach meinem fragenden Blick: „Wart‘s ab.“

Mittlerweile ist durchgesickert, dass die Sprengung des Schornsteins von 10.30 auf 11 Uhr verschoben werden muss, weil es Probleme bei der Sperrung der Bahnstrecke gibt. Analog sollen die beiden Folgesprengungen statt um 11.30 um 12 Uhr stattfinden. Ich entscheide mich, mir noch einen Kaffee zu gönnen, als mir Hagedorn-Sprecherin Judith Roderfeld entgegen kommt: „Neue Infos, wir sprengen in fünf Minuten.“ Kaum spricht sie es aus, wird es rund ums Zelt hektisch.

„Man kann nicht mehr sagen: Da habe ich gearbeitet“

Und nicht nur dort. „Wir müssen jetzt auf Sendung“, kommt die Ansage von „Sport Live“. Statt eines Kaffeebechers habe ich nun ein Mikro in der Hand, und kaum sind meine ersten Sätze in die Kamera gesprochen, ertönt vom Kraftwerksgelände das Horn.

Alle Augen und alle Kameras richten sich auf den „langen Lulatsch“: Mit zwei heftigen Detonationen bricht der 250 Meter hohe Schornstein zusammen. Der ehemalige Steag-Betriebsratsvorsitzende Ralf Melis kommentiert am Mikrofon meines Kollegen Daniel Börger das Ende seines ehemaligen Arbeitsplatzes: „Das ist schon emotional. Man kann jetzt nicht mehr auf einen Ort zeigen und sagen: Da habe ich mal gearbeitet.“

Der ehemalige Steag-Betriebsratsvorsitzende Ralf Melis kommentierte die Sprengung in einem emotionalen Interview.

Der ehemalige Steag-Betriebsratsvorsitzende Ralf Melis kommentierte die Sprengung in einem emotionalen Interview. © vom Hofe

Nach nur wenigen Sekunden ist der erste Teil des Tages vorbei. Ab jetzt heißt es wieder: warten. Problem dabei: Wir sind live auf Sendung, der Kaffee muss weiter warten. Fast eine Stunde lang blicken wir in verschiedenen Beiträgen auf die jüngere Geschichte des Kraftwerks zurück, werden dabei genau wie beim Live-Stream der Sprengungen von der Firma Hagedorn unterstützt. Während der Videobeiträge geht mein Blick stets zu den Kollegen, die den Kontakt mit der Firmensprecherin halten. Erst heißt es, die Sprengung würde unmittelbar erfolgen, dann sind es noch 15 Minuten, und dann müssen wohl doch noch ein paar Drähte mehr verlegt werden. „Wir kriegen 20 Minuten vorher Bescheid“, sagt Judith Roderfeld, die trotz vieler Anfragen von noch hektischeren Kollegen stets ein Lächeln parat hat. Um 11.40 Uhr geht ihr Daumen hoch: „In 20 Minuten!“

Die Journalisten versammeln sich wieder am Feld, zehn Minuten später durchdringt Judith Roderfelds Stimme erneut das Treiben: „Noch eine Minute!“

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Erleichterung nach dem großen Knall

Wir hören das Horn, wir hören den Knall - und dann sehen wir, wie erst das Kesselhaus samt Hagedorn-Transparent umkippt, ehe dann im Hintergrund der Kühlturm wie in Zeitlupe zusammenfällt. Es folgt Applaus der Anwesenden, auf den Monitoren sieht man, die sich das Sprengteam vor Ort erleichtert umarmt.

Während ich die Sendung abmoderiere, macht sich Sprengmeister André Schewcow auf den Weg zum Zelt. Die Kolleginnen und Kollegen werden gleich Schlange stehen, um den Mann des Tages zu interviewen - natürlich steht er auch bei Daniel Börger am Mikrofon. Da bin ich schon auf dem Weg in die Redaktion, nachdem mit Stadtsprecher Benedikt Spangardt bestätigt hat, dass alle Straßensperren aufgehoben sind. Ich fahre die Moltkestraße entlang, vorbei an den Trümmern des Kühlturms. Ein Anblick, an den man sich nun gewöhnen muss.

RN-Videochef Daniel Börger (r.) im Gespräch mit Sprengmeister André Schewcow.

RN-Videochef Daniel Börger (r.) im Gespräch mit Sprengmeister André Schewcow. © Claeßen

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