Guthaben auf einem Bankkonto zu haben, das nicht verzinst wird, ist ärgerlich. Noch ärgerlicher wird es, wenn Bankkunden für das Geld auf der hohen Kante sogar noch zahlen sollen: sogenannte Verwahrentgelte, besser bekannt als Negativzinsen. Inzwischen steht fest: Das war unrechtmäßig. So hat am 4. Februar der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe geurteilt, nachdem die Verbraucherzentralen geklagt hatten. Betroffene Kundinnen und Kunden können jetzt die gezahlten Gebühren zurückfordern. Auch die Sparkasse an der Lippe hat Negativzinsen erhoben. Zurückgezahlt hat sie aber noch nichts.
Wenn sich Sparkassenkundinnen und -kunden aus Lünen, Selm und Werne gar nicht an Negativzinsen erinnern können, hat das zwei Gründe: Zum einen liegt diese Praxis schon einige Jahre zurück. Zum anderen waren davon nur wenige Menschen betroffen. „Weniger als 0,5 Prozent unserer Kunden“, sagt Sparkassensprecher Bernd Wieck. Das wären 380 der 76.000 Kundinnen und Kunden, die die Sparkasse an der Lippe 2021 hatte, als sie die Negativzinsen einführte: zu einem sehr späten Zeitpunkt, wie Sparkassenchef Heiko Rautert damals sagte.
Vom 11. Juni 2014 bis zum 26. Juli 2022 ließ die Europäische Zentralbank (EZB) Geschäftsbanken oberhalb fester Freibeträge Strafzinsen zahlen für Gelder, die diese kurzfristig bei der EZB parken wollten. In der Spitze waren das 0,5 Prozent. Zahlreiche Banken gaben diese Minuszinsen an ihre Kundinnen und Kunden weiter. Sie sprachen dabei beschönigend von Verwahrentgelten und nicht von Strafzinsen fürs Sparen. Die Sparkasse an der Lippe ließ sich damit vergleichsweise lange Zeit. Erst im April 2021 kündigte auch sie diesen Schritt an.
Freigrenzen von 100.000 Euro
„Keine Sparkasse möchte auf Kundeneinlagen ein Verwahrentgelt erheben, aber auch hier können wir uns dieser Entwicklung nicht verschließen“, sagte damals Sparkassenchef Heiko Rautert. Er war zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass etwa 98 Prozent der Kundinnen und Kunden nicht betroffen seien, also noch etwas mehr als am Ende tatsächlich zur Kasse gebeten wurden. Und deutlich weniger als andere Banken. Dafür sorgten nicht nur die Freigrenzen: bei Eheleuten 200.000 Euro, bei Einzelpersonen 100.000 Euro.
Nur Tagesgeldkonten betroffen
Die Sparkasse an der Lippe habe „keine Verwahrentgelte auf Spareinlagen erhoben“, betont Sparkassen-Sprecher Bernd Wieck auf Anfrage. „Insofern ist bereits klar, dass es maximal um Verwahrentgelte auf Tagesgelder (hier Geldmarktkonten) von ‚Verbrauchern, also Privatkunden‘ geht.“ Zudem habe die Sparkasse an der Lippe „individuelle Vereinbarungen, also nicht flächendeckend, mit jedem betroffenen Kunden fixiert“. Beides führt dazu, dass sich die Sparkasse an der Lippe wie auch andere westfälischen Sparkassen von dem Urteil aus Karlsruhe nicht wirklich betroffen fühlen. Denn diese individuellen, einzelvertraglich geregelten Vereinbarungen seien nicht Bestandteil der richterlichen Beurteilung gewesen.

„Einlagen mindestens erhalten“
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Negativzinsen auf Spareinlagen, aber auch auf Tagesgeld unzulässig seien. Das liest sich in der richterlichen Entscheidung so: „Zweck von Spareinlagen ist es, das Vermögen von natürlichen Personen mittel- bis langfristig aufzubauen und durch Zinsen vor Inflation zu schützen. Dieser Charakter des Sparvertrags wird durch die Erhebung eines Verwahr- oder eines Guthabenentgelts entgegen den Geboten von Treu und Glauben verändert.“ Negativzinsen seien mit der Idee des Kapitalerhalts nicht vereinbar. Kundinnen und Kunden hätten zu Recht den Anspruch, dass ihre „auf Tagesgeld- und auf Sparkonten verbuchten Einlagen mindestens“ erhalten und nicht reduziert würden. So wie es auch Menschen aus Werne, Lünen und Selm erleben mussten.
Verbraucherzentrale: „Aktiv zurückfordern“
Einige von ihnen haben sich nach Bekanntwerden des BGH-Urteils auch bereits an die Sparkasse an der Lippe gewandt. Denn grundsätzlich gilt: „Damit Rückzahlungen der Negativzinsen auf dem Konto ankommen, müssen Verbraucher und Verbraucherinnen ihre Gebühren aktiv zurückfordern“, wie es bei der Verbraucherzentrale Sachsen heißt, die zusammen mit der Verbraucherzentrale Hamburg und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen die erfolgreiche Klage angestrengt hatte. Ihr Rat an Betroffene: „Ermitteln Sie anhand von Kontoauszügen, wie viel Negativzinsen Sie bisher gezahlt haben und verlangen Sie, dass Ihnen die einbehaltenen Verwahrentgelte erstattet werden. Heben Sie die Kontoauszüge auf.“
So weit ist die Sparkasse an der Lippe noch nicht. Die Mitarbeitenden hätten mit den Kundinnen und Kunden, die sich bereits gemeldet haben, „einvernehmlich vereinbart, die Urteilsbegründungen abzuwarten“, so Sparkassen-Sprecher Bernd Wieck. So lange werde das örtliche Kredithaus auch nicht proaktiv auf die Betroffenen zugehen. „Die Vorgehensweise wird sich aus den Urteilsbegründungen ergeben.“ Das kann noch dauern.
