Simone Stache (49) und der Schamanismus in Lünen „Ich diene Mensch und Tier“

Von Rosi Taslima Azam
Simone Stache (49) und Schamanismus: „Ich diene Mensch und Tier“
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In einem Zelt voller Kerzen, farbigen Kristallen und vielen Sitzkissen in Kreisformation leitet Simone Stache (49) aus Lünen schamanische Rituale und bietet Interessierten eine spirituelle Reise ins Unterbewusstsein an - zum Beispiel, um das eigene Krafttier zu finden. Sie bezeichnet sich als Tierkommunikatorin, arbeitet mit schamanischen Techniken und Energiereinigung. Alles kuriose Ausdrücke. Schamanen nennen sich Reisende zwischen Welten, Dimensionen und Zeit. Das Fachgebiet der meisten Vertreter sei hier die Seele von allen Lebewesen, Pflanzen, Gegenständen.

„Ich diene Mensch und Tier“, sagt Simone Stache. Ihr Fokus liegt vor allem aber bei den Tieren, mit denen sie sprechen könne, um mögliche Wünsche und Probleme zu erfahren, erklärt sie bei einem Besuch der Redaktion in ihrem Zuhause.

Schamanische Behandlung

Die Zeremonien finden in einem Zimmer oder in ihrer mongolischen Jurte, ein traditionelles Zelt der Nomaden in Zentralasien aus Holz, im Garten statt. Simone Stache nutzt einige Materialien, wie eine Trommel, Kristalle in unterschiedlichen Größen und Farben, Räucherstäbchen und Feuer, um das passende Ambiente zu schaffen. Vor allem die Trommel begleitet sie in vielen Sessions. Der Fokus liegt aber nicht auf der Problemlösung, sondern auch auf der Aktivierung der eigenen Kräfte, sagt sie.

„Der Mensch muss selber zu sich finden und seine Probleme beseitigen. Ich helfe nur nach", erläutert Simone Stache. Nach einer kostenlosen Beratung nimmt sie für alle weiteren Gespräche und Anwendungen 66 Euro pro Stunde. Die meisten Anliegen seien Kontaktaufnahmen zu lebendigen und verstorbenen Haustieren, Sterbebegleitung oder Reinigungen von negativer Energie, die den Körper und den Kopf träge machten.

Eine Wissenschaft ist das nicht - und entsprechend eher umstritten. „Menschen sind Kulturwesen, die von Ethik und Moral gesteuert werden“, sagt Michael Utsch, Dipl.-Psychologe aus Berlin, im Gespräch mit der Redaktion zum Thema Schamanismus. So wie viele Menschen sich an die Religion für Sinnfragen wenden, richten sich auch einige nach der Esoterik. Dass man das Jenseits betreten oder mit Tieren kommunizieren kann, sieht er kritisch: „Diese Vorstellung ist eine Fantasie. Es ist wie Träumen", so der Psychologe.

Der Weg zur Selbstfindung

Wie kommt man eigentlich dazu, in den Schamanismus einzusteigen? Vor ihrer Vertiefung in die Esoterik war die 49-Jährige in einer ganz anderen Branche tätig - in einer Pharmafirma im Bereich der Entwicklung. Dann musste sich Stache vor über zehn Jahren einer Operation unterziehen. Während sie im Krankenhaus lag, sammelten sich die Gedanken und die Motivation für etwas Neues. „Ich spürte, dass es mehr gibt und ich mich neu finden muss.“ Etwas in ihr motivierte sie dazu, zu recherchieren, wie sie mehr im Leben erreichen kann. Nach einer Google-Suche stieß sie auf das Hexentum und wurde durch Kontakte in einem Hexenforum schließlich auf den Schamanismus aufmerksam.

Für die Ausbildung nehmen die Interessierten an Seminaren von anderen Esoterikern in Deutschland, aber auch im Ausland, teil. Simone Stache erklärt, dass während der Seminare mit allen Anwesenden spirituelle Zeremonien und viele tiefgründige Gespräche geführt werden, um sich selbst so besser kennenlernen zu können. Sie habe eine Ausbildung zur Tierkommunikatorin und zwei schamanische Ausbildungen bereits abgeschlossen, die jeweils zwei und drei Jahre dauerten. Sie sagt, dass sie aktuell eine Ausbildung zum Medium macht. „Es ist eine Reise zu sich selbst. Man lernt wirklich nie aus“, so die 49-Jährige.

In der Ausbildung nahm sie unter anderem an Wochenendseminaren bei unterschiedlichen Schamanen teil, die ihr die schamanistischen Methoden und Rituale vorstellten. Die Informationen und Seminare entdeckte sie über schamanische Freunde und ausgeschriebene Veranstaltungen.

Keine neue Entdeckung

Der Schamanismus beruht auf einer alten Tradition, die vor allem in südamerikanischen Ländern, wie Kolumbien und Peru verbreitet ist. Die Anhänger glauben nicht unbedingt an einen Gott, sondern eher daran, dass jegliche Gegenstände leben und beseelt sind. Das schließt Menschen, Tiere, Pflanzen und die komplette Natur ein.

„Der Schamanismus ist eine sehr alte Tradition und wird, wie die altchinesische Medizin zum Beispiel, seit Jahrzehnten über die ganze Welt verteilt praktiziert. So wie andere Religionen auch, muss man selbst schauen, ob die Esoterik in das eigene Weltbild passt“, sagt der Psychologe Michael Utsch.

Berichten zufolge waren Schamanen bereits im 17. Jahrhundert in Sibirien aktiv. Schon zu der Zeit arbeiteten die Vertreter mit Trancen, Ekstasen und Ritualen, um mit Geistern zu kommunizieren oder die äußere und innere Heilung zu unterstützen. Diese sollen zum Beispiel mit Gesängen, Trommeln, Tänzen oder Mantren möglich sein. In manchen Praktiken wurden wahrscheinlich auch pflanzliche Substanzen wie Bilsenkraut, Ayahuasca-Tee und Stechäpfel genutzt, um Halluzinationen hervorzurufen. Der Konsum des Tees ist in Deutschland ohne Erlaubnis strafbar.

Ein Mann schüttet eine Flüssigkeit in einen Messbecher.
Ayahuasca, das aus der Liane Banisteriopsis caapi vorbereitet wird, wird in der peruanischen Shipibo-Ethnie und weiteren schamanischen Kreisen zu medizinischen oder religiösen Zwecken eingesetzt und kann Halluzinationen verursachen. © picture alliance/dpa

Kooperation mit Psychologie

Simone Stache würde gerne mit psychologischen Experten bei der Behandlung von Patienten kooperieren: „Zusammen erreicht man einfach mehr.“ Die Zusammenarbeit hält auch Michael Utsch für sinnvoll. Dies sei nämlich ein moderner Ansatz, der immer populärer in der psychischen Behandlung wird. „Es ist die Heilkraft des Glaubens. Einige Patienten möchten auch eine Nonne bei einer OP dabei haben, die für sie betet. Es ist ein religiöser Ansatz, dass der Glaube an Gott hilft, Kraft zu schöpfen. So ist es auch in der Esoterik“, sagt der Psychologe.

Esoterik sei eine andere Weltanschauung, die eigenen Prinzipien folgt. Michael Utsch sieht also keine Verbindung zwischen dem Schamanismus und manipulativen Gruppen wie Sekten oder Scientology, die sehr von ihren Ideologien getrieben sind. Der Psychologe widerspricht aber der Möglichkeit, andere Dimensionen oder sogar andere Zeiten betreten zu können. „Du musst nur fest genug daran glauben, dann wird es auch wahr. Dem folgen auch Esoteriker“, sagt Michael Utsch.

Mit Ritualen heilen

In manchen Bereichen der Esoterik gebe es aber auch Schwindler, sagt Simone Stache. „Scharlatane sind Betrüger, die leere Versprechen für Geld machen. Sie geben vor, alle möglichen Krankheiten heilen zu können“, kritisiert sie.

In der Esoterik gebe es keine Qualitätsprüfung, sagt Michael Utsch. „Die Haltung gegenüber der Heilung kann also brandgefährlich sein, wenn so schwere Krankheiten und gesundheitliche Probleme verleugnet werden und stattdessen auf die Heilungskraft der Schamanen gezählt wird.“

Simone Stache selbst sagt, dass sie niemanden heilen kann, sondern nur hilft, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. „Letztendlich hängt die Heilung vom Menschen selbst ab. Ich kann keinen gebrochenen Arm heilen, aber mit Meditation und Ritualen kann ich die Aura reinigen und den Heilungsprozess beschleunigen“, sagt sie.

Die Frau Simone Stache kniet in ihrer Jurte und zündet Kerzen an.
Simone Stache hat eine Schamanische Praxis in Lünen. In ihrer Jurte führt sie viele Rituale und geistige Reisen durch. © Rosi Taslima Azam

Auch der Arzt Dr. Arne Krüger widerspricht der Möglichkeit, mit dem Schamanismus heilen zu können. „Es ist wissenschaftlich nicht zu beweisen und gehört in den Bereich des Glaubens“, sagt er zur Tierkommunikation und Heilkräften.

Laut Simone Stache beginnen Krankheiten in der Psyche und sind Blockaden in der Aura, die mit Energieheilung beispielsweise gelöst werden können. Ohne diese Blockaden könne die Energie ohne Probleme durch den ganzen Körper strömen und den Menschen gesund halten. Dr. Arne Krüger schiebt diese Überzeugung in den Bereich des Glaubens und kritisiert die fehlenden wissenschaftlichen Beweise dafür. „Der Körper und die Psyche hängen durchaus zusammen. Körperliche Probleme haben einen Einfluss auf die Psyche und umgekehrt. Meditation beruhigt den Kopf und kann den Stress mindern“, sagt Dr. Arne Krüger. Weniger Stress führe auch zu einer besseren Gesundheit.

Doch Dr. Arne Krüger betont, dass bei Krankheiten noch mehr Kriterien im Spiel sind. Im Gegensatz zum Psychologen Michael Utsch kommt für ihn eine Kooperation aber nicht infrage: „Wir Mediziner sind gehalten, wissenschaftliche Dinge zu achten und uns danach zu verhalten. Aus diesem Grund wird eine Zusammenarbeit nicht zustande kommen können.“ Simone Stache habe durch den Schamanismus zu einem besseren Leben gefunden. „Jedem Menschen ist es jedoch freigestellt, woran man glauben möchte“, sagt sie.