Für sie war das Heinz-Hilpert-Theater eine Institution, ein Teil ihres Lebens. Und sie war eine Ikone des Lüner Theaters. Am vergangenen Dienstag (9.4.) starb Gerlinde Wittler an den Folgen eines Unfalls, den sie ausgerechnet im Kassenvorraum „ihres“ Theaters erlitt.
Gerlinde Wittler kannte das Lüner Theater seit seiner Anfangszeit. Kurz nach der Eröffnung im Jahre 1958 besuchte sie es zum ersten Mal. Das schmucke neue Haus mit den roten Polsterstühlen zog sie sofort in seinen Bann und ließ sie nicht mehr los. Noch Jahre später erinnerte sie sich an diesen ersten Besuch, an die Aufführung der „Madame Butterfly“, die sie damals mit einem geliehenen Opernglas verfolgte und, da man sich damals noch für das Theater „fein“ machte, gekleidet in einem neu erworbenen schicken Samtkleid.
Noch für die erste Spielzeit erwarb sie ein Abo, in der dritten Reihe auf Platz 9. Das wurde dann ihr Stammplatz, bis zur letzten Vorstellung, die sie im vergangenen Monat besuchte. Da sie nicht gern allein ins Theater ging, buchte sie immer Platz 8 gleich mit, lud zu ihrem Geburtstag Freunde ins Theater ein und buchte einmal sogar für die „Liebesperlen“ eine ganze Reihe. In all den Jahren beschränkte sie sich nie allein auf die Vormieten, kaufte Karten dazu für sie interessierende Aufführungen außerhalb des Abos.

Heinz Erhardt und Freddy Quinn
Sie kannte das Theater nicht nur aus der Zuschauerperspektive. In den Pausen oder nach den Veranstaltungen war sie oft hinter der Bühne zu finden und bat die Akteure um Autogramme. Die hatten immer wieder Zeit für einen kurzen Wortwechsel oder auch ein längeres Gespräch.
In jüngster Zeit, als ihre Mobilität stark eingeschränkt war, fand sie immer wieder Helfer, die sie für ihre Autogrammjagd in die Künstlergarderoben oder auf die Flure hinter die Bühne schickte. Diese Einsätze belohnte sie dann mit kleinen Geschenken wie Süßigkeiten oder Rubbellosen.
Autogramme, Programme, Zeitungsausschnitte und andere Theatersouvenirs ließen ihre kleine Wohnung in Brambauer übervoll werden. Viele große Namen sind in ihrer Sammlung vertreten, Nachkriegsstars wie Hans-Joachim Kulenkampff, O.W. Fischer, Maria Schell, Inge Meysel, Heinz Erhardt und Freddy Quinn haben ihren Namenszug hinterlassen und oft auch persönliche Zeilen dazu geschrieben. Mehrfach stellte Gerlinde Wittler ihre Exponate in Ausstellungen der Öffentlichkeit vor.
Lobgesänge auf das Theater
Als vor Jahren die Schließung des Heinz-Hilpert-Theaters diskutiert wurde, gehörte sie zu denen, die sich vehement dagegen wehrten. Sie kämpfte in der ersten Reihe für den Erhalt, ging in die Öffentlichkeit, schrieb Leserbriefe und gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Theaterfördervereins, der mit ihrem Tode eines seiner ältesten und engagiertesten Mitglieder verliert.

Auch als die Theaterschließung abgewendet war, schrieb sie zahlreiche Gedichte, die wahre Lobgesänge auf das Lüner Theater waren. Immer wieder äußerte sie die Absicht, die Schätze ihres Archivs eines Tages der Stadt Lünen zur Verfügung zu stellen. Bleibt zu hoffen, dass dieser Wunsch nach ihrem Tode in Erfüllung geht, dass sich jemand findet, der das umfangreiche Material zu schätzen weiß und zu ordnen versteht. Zeigte es zusammen genommen doch eine beeindruckende Dokumentation der Lüner Theatergeschichte.