Dieses Haus in Lünen kommt unter den Hammer. © Sylvia vom Hofe

Immobilien

Schnäppchen trotz Immobilien-Boom? Zwangsversteigerung in Lüner City

Unter den Hammer kommt ein Wohn- und Geschäftshaus in der Innenstadt. Angesichts der explodierten Immobilienpreise könnte es ein Schnäppchen werden - für jemanden, der sich das leisten kann.

Lünen

, 28.07.2021 / Lesedauer: 4 min

Es sind nur wenige Schritte bis zum Ufer der Lippe. Wen es statt ins Grüne in die Innenstadt treibt, braucht sich nur in die andere Richtung zu wenden. Die Lange Straße, also die Lüner Fußgängerzone, liegt gleich nebenan. Das Wohn- und Geschäftshaus Kirchstraße 10 liegt zentral. 1a-Lage ist aber etwas anderes. Das spiegelt auch der Verkehrswert wider, den das Amtsgericht Lünen für das Wohn- und Geschäftshaus ermittelt hat, das am Freitag (30. 7.) unter den Hammer kommt.

662.000 Euro für zehn Wohnungen, sechs Garagenstellplätze und ein Ladenlokal: Damit ist das viergeschossige Haus mit einer Wohnfläche von 550 Quadratmetern und zusätzlichen 90 Quadratmeter Nutzfläche fast so teuer wie ein Einfamilienhaus. Ob bei der Zwangsversteigerung tatsächlich der Verkehrswert erzielt wird, ist nicht sicher. Der Zuschlag kann auch darunter erfolgen. Die neuen Eigentümer könnten so mitunter 25 bis 35 Prozent sparen, teilt die Stiftung Warentest mit. Es kann aber auch anders gehen.

Versteigerung dauert mindestens 30 Minuten

Die mindestens eine halbe Stunde dauernde Versteigerung im Hansesaal beginnt um 13 Uhr mit dem geringsten Gebot, das das Gericht festlegt - meist deutlich unter dem Verkehrswert. Dafür muss eine Immobilie aber nicht den Besitzer wechseln, selbst wenn die Interessenten kein Interesse daran zeigen, sich wechselseitig zu überbieten. Die Gläubiger - in der Regel eine Bank - als Antragssteller der Versteigerung, können widersprechen, wenn der erzielte Wert ihrer Meinung nach zu niedrig liegt. Oft gilt, dass das Höchstgebot mindestens die Hälfte des Verkehrswertes erreichen muss.

Für sechs der elf Parteien gibt es Pkw-Stellplätze. © Sylvia vom Hofe

Die Gründe für eine Zwangsversteigerung - in vielen Fällen eine Insolvenz - darf das Amtsgericht nicht öffentlich machen. Das gilt auch für das Wohn- und Geschäftshaus an der Kirchstraße. Auch die Angaben zur Immobilie fallen spärlich aus. Das 1998 errichtete, teilweise öffentlich geförderte Objekt, sei dem Gutachter nicht vollständig zugänglich gewesen.

Erotik-Shop, Fotostudio und Wandtattoo-Laden

Jedem zugänglich ist dagegen der Laden im Erdgeschoss: Wandkind. Dort sind sogenannte Wandtattoos erhältlich. Teddybären-Motive fürs Kinderzimmer oder floraler Schmuck für den Flur. Vielen ist das Geschäft auch noch als Fotostudio bekannt. Bis 2019 hat dort Sarah Dörr, ehemals Konyali, gearbeitet, bis sich die selbstständige Fotografin ihrer zweiten Berufung widmete: der Mutterschaft. Rund sieben Jahre lang sei sie an der Kirchstraße gewesen, sagt sie und kann sich auch noch an die vorherige Nutzung erinnern. „Da war ein Erotik-Fachgeschäft“, sagt sie.

Auf den Klingelschildern stehen Namen. Die zehn Wohnungen in dem Haus neben der Geschäftsstelle der Verbraucherberatung sind klein: oft Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen. Das Immobilienportal Scoperty, das bundesweit ungefragt Schätzwerte für Immobilien veröffentlicht, gibt einen Schätzwert von 1900 Euro pro Quadratmeter an - das entspricht fast dem durchschnittlichen Kaufpreis für Lüner Wohnungen im Jahr 2021: 1995 Euro pro Quadratmeter. Wer das zu Grunde legt, käme auf einen Preis von einer Million Euro für das Haus Kirchstraße 10 - den Gewerbeteil gar nicht mitgerechnet. Laut Grundstücksmarktbericht 2021 des Kreises Unna liegen „die durchschnittlichen Kaufpreise für Geschosswohnungsbau im Schnitt 10 Prozent über denen für den individuellen Wohnungsbau“.

Unter dem Lüner Durchschnittspreis

Das Internetportal bedient sich Big-Data. Es greift zurück auf vorherige Transaktionsdaten von Verkäufen in der Gegend, auf Angebotspreise und Lageinformationen sowie Daten, die Katasterämter liefern: etwa Baujahr und der Objekttyp. Valide Angaben über die tatsächliche Größe und den Ausbaustandard sind aber nicht enthalten: Faktoren, die auf den Preis erheblichen Einfluss haben.

Das ist das Ladenlokal im Erdgeschoss: ein Wandtattoo-Laden. © Sylvia vom Hofe

Unabhängig von Fenstern und Heizung gilt aber: Immobilien werden immer teurer - auch in Lünen. Die Preise für Immobilien steigen seit 2010 kontinuierlich: Allein Von 2015 bis heute um 43,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Mit Blick auf die bundesweite Situation.

Zuletzt haben sie empfindlich angezogen, nicht nur für Wohnungen und Einfamilienhäuser, sondern auch für größere Objekte. Der allgemeine Wohnungsmangel und niedrige Zinsen gelten als Preistreiber. Die in der Corona-Pandemie sprunghaft gestiegenen Herstellungskosten heizen die Entwicklung zusätzlich an.

Preisanstieg seit 2015 um fast 45 Prozent

Laut Statistischem Bundesamt kosteten Immobilien 2020 um 9,5 Prozent mehr als 2019. Im ersten Quartal des Jahres 2021 hat es im Vergleich zum ersten Quartal 2020 einen weiteren Anstieg von 9,4 Prozent für Häuser gegeben.

Laut Häuser-Preisindex des Bundesamtes sind die Immobilienpreise damit seit 2015 bereits um 43,5 Prozent gestiegen.

Auch in Lünen hatten laut dem Lüner Grundstücksmarktbericht 2021 im Vorjahr 46 Mehrfamilienhäuser (gemischte Nutzung) den Besitzer gewechselt für insgesamt 25 Millionen Euro. 2019 waren es 47 Verkäufe bei etwa gleicher Gesamtgröße für 18,5 Millionen Euro.

Wann ist der Boom zu Ende?

Experten gehen davon aus, dass sich der Preisanstieg für Immobilien in Deutschland erst einmal fortsetzen wird. Ein Ende sei aber inzwischen in Sicht, meinen Analysten der Deutschen Bank. In einer im Frühjahr 2021 veröffentlichten Studie prognostizieren sie das Ende des Booms im Jahr 2024. Die geringere Zuwanderung in der Corona-Pandemie führe dazu und die Schaffung neuen Wohnraums, die die Angebotslücke kleiner mache.

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