
© Sylvia vom Hofe
Schluss mit Verwarnen: Die erste Strafe wegen Ausgangssperre in Lünen
Ausgangssperre
Gegen 22.45 Uhr am Tag 1 der Ausgangssperre war Schluss mit Verwarnen und Belehren. Als einer der ersten in Lünen wurde ein Student zur Kasse gebeten. Einsehen mochte er das aber nicht.
Mohamed Spahi hatte sich den Abend anders vorgestellt. Den ganzen Tag über hatte er gearbeitet - und gefastet. Erst nach 20.33 Uhr, zum Sonnenuntergang, hat er an diesem Montag (19. April) zum ersten Mal gegessen und getrunken. Und zwei Stunden später steht er in der Polizeikontrolle und wird als einer der ersten eine Geldbuße aufgebrummt bekommen für ein Delikt, das ihm gar nicht bewusst war.
16 Coronaverstöße festgestellt
Bereits in der Nacht zu Montag hatten Ordnungsamt und Polizei die ersten 50 Autofahrer auf der Kurt-Schumacher-Straße in Höhe des Heinz-Hilpert-Theaters angehalten. Warum sie unterwegs seien, obwohl doch seit Mitternacht die Ausgangssperre gelte, wollten die Beamten wissen. In diesen ersten Stunden der im gesamten Kreis Unna geltenden Regelung beließen sie es noch bei Ermahnungen. Bei den Kontrollen nach 21 Uhr wird es ernst. Pech für Mohamed Spahi und 15 andere, die an diesem Abend ohne triftigen Grund unterwegs sind in Lünen:
„Wir haben insgesamt rund 250 Menschen kontrolliert“, sagt Benedikt Spangardt, Sprecher der Stadt Lünen am Dienstagvormittag. Ob auf der Kurt-Schumacher-Straße, auf der Dortmunder Straße in Höhe des Burger King oder in der Innenstadt: Wer in der an sich auffallend menschenleeren Stadt unterwegs war, musste sich darauf einstellen, gefragt zu werden, warum.
Die meisten hatten Bescheinigungen dabei
Die meisten hätten gute Gründe, sagt Matthias Bork, Fachbereichsleiter Bürgerservice und Ordnung, am Montagabend im gelben Blinklicht der Einsatzfahrzeuge. „Die meisten haben Bescheinigungen ihrer Arbeitgeber zur Hand“: ob von Mc Donald‘s, dem Krankenhaus oder von einem der rund um die Uhr produzierenden Unternehmen. Auch der Weg zur Notfallapotheke wäre ein triftiger Grund, unterwegs zu sein. Mohamed Spahi hatte keinen, wie ihm die Kontrolleure vorwerfen. Und: Er hatte nicht einmal eine Ahnung, dass er den gebraucht hätte. „Ich denke, das mit der Ausgangssperre gilt erst ab nächsten Freitag.“
Dass ihn jetzt überhaupt eine Strafe erwartet, regt den jungen Mann am Steuer schon auf. Da ahnt er noch gar nicht, wie hoch sie sein wird: 250 Euro. Eine empfindlich hohe Summe für einen Studenten, der den ganzen Tag jobbt, um sein Studium zu finanzieren. Zeit, um die aktuellen Coronabestimmungen in seinem Wohnort zu verfolgen, habe er da nicht gehabt: ein Argument, das bei den Beamten von Polizei und Ordnungsamt keinen Eindruck hinterlässt: „Schon meine Eltern haben mir gesagt: ,Unwissenheit schützt vor Strafe nicht’“, sagt der Polizeibeamte. Das sei immer noch so.
Darf ein Freund für Pannenhilfe kommen?
Spahi sieht das anders. Und er hat auch noch lange Zeit, darüber nachzudenken. Während Matthias Bork und sein mehr als zehnköpfiges Team gegen 23 Uhr weiter ziehen zum nächsten Kontrollpunkt, sitzt der junge Mann immer noch kopfschüttelnd auf dem Bordstein der Kurt-Schumacher-Straße. Während der Kontrolle hatte er Licht und Radio an: zu viel für eine schwache Autobatterie. Jetzt wartet er auf einen Freund, der ihm hilft das Auto wieder flott zu machen.
„Darf der überhaupt kommen?“ Der Student hatte sicherheitshalber nachgefragt, bevor er anrief. Die Antwort der Ausgangssperren-Kontrolleure war eindeutig. „Ja.“ Ein liegengebliebenes Auto aus dem Straßenraum zu entfernen, ist zwar keiner der zehn „triftigen Gründe“ für eine Ausnahme von der Ausgangsbeschränkung, wie sie die Allgemeinverfügung des Kreises Unna aufführt. Aber das sei unter anderem gemeint, wenn dort von „sonstigen vergleichbar gewichtigen Gründen“ die Rede sei.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
