Säure-Attentat in Bochum: Lüner Angeklagter erntet Kritik „Wie ein glitschiges Stück Seife“

Lüner Angeklagter erntet Kritik: „Wie ein glitschiges Stück Seife“
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Zuerst bricht der mutmaßliche Attentats-Helfer (37) aus Lünen sein Schweigen – dann kämpft das Säureopfer mit den Tränen: Zeitweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist in Bochum der Prozess um den folgenschweren Säure-Angriff vor einem Bochumer Café fortgesetzt worden.

Nachdem sich der mutmaßliche Attentäter (43) aus Bergkamen im Gefängnis das Leben genommen hat, richten sich am Bochumer Schwurgericht die Vorwürfe alleine gegen den Lüner. Beihilfe zum versuchten Mord wirft Staatsanwältin Svenja Große-Kreul dem Angeklagten vor.

Bevor sich der 37-Jährige zu der Anklage äußert, wird gleich zu Beginn des zweiten Verhandlungstages am 5. März die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Da im Hintergrund der Tat „die Rockerkriminalität“ stehen könnte, dort bekanntermaßen ein strenger Schweige-Kodex gelte, dessen öffentliches Brechen den Lüner in ernste Gefahr bringen könnte, heißt es zur Begründung.

Runde 45 Minuten bekommen der Angeklagte und seine Verteidigerin Ina Klimpke danach Gelegenheit, sich ohne Zuhörer zu den schweren Anklagevorwürfen zu erklären.

Dass er am 30. Juni 2024 mit dem Pkw vor Ort in Bochum gewesen ist und den inzwischen verstorbenen Hauptverdächtigen aus Bergkamen abgesetzt hat, will der 37-Jährige offenbar gar nicht bestreiten. Angeblich will er mit dem Säure-Attentat selbst aber nichts zu tun haben.

Der Prozess um das Säure-Attentat wird vor der 7. Strafkammer des Bochumer Landgerichts (Schwurgericht) unter Vorsitz von Richter Volker Talarowski (Mitte) verhandelt.
Der Prozess um das Säure-Attentat wird vor der 7. Strafkammer des Bochumer Landgerichts (Schwurgericht) unter Vorsitz von Richter Volker Talarowski (Mitte) verhandelt. © Werner von Braunschweig

Richter Volker Talarowski vergleicht die Angaben des Lüners später nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit mit „einem glitschigen Stück Seife unter der Dusche“.

Soll heißen: An entscheidenden Punkten habe der 37-Jährige sinngemäß rumgeeiert und viele offene Fragen hinterlassen. „Das war alles nicht ganz nachvollziehbar“, kritisiert der Vorsitzende Richter.

Dem Hauptopfer des Säure-Anschlags, einem Studenten aus Bochum, versagt bei seiner Zeugenvernehmung mehrfach die Stimme. „Es war ein Sonntag und richtig schönes Wetter“, erinnert sich der 31-Jährige. Kurz nachdem er und seine Frau draußen in dem Café einen Platz gefunden hatten, sei auch schon die Kellnerin mit dem Kuchen gekommen.

„In dem Moment habe ich plötzlich von hinten etwas im Nacken gefühlt“, erklärt der Student. Er sei auf die Straße gerannt, habe geschrien vor Schmerzen: „Ich brenne, ich brenne.“ Dass es sich um Säure gehandelt hat, mit der ihn ein eilig davon laufender Mann mit „Hoodie“ bespritzt hat, habe er erst viel später realisiert. Anders sei es mit Todesängsten gewesen: „Im ersten Moment dachte ich, ich sterbe, dass es meinen Körper zerfrisst, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.“

Auch die Frau (35) des Studenten wurde damals von Säure verätzt. Sie war ihrem aufschreienden Mann zu Hilfe geeilt. „Ich habe rote Farbe am Hals gesehen, dachte erst an eine Stichwunde und habe meine Hand darauf gedrückt“, erinnert sich die Zeugin. Kurz danach „brannten“ auch ihre Hände.

Der Student erlitt drittgradige Verätzungen an Nacken, Ohren, Gesicht, Brust, Rücken, Armen, Knien und am Fuß, musste mehrfach operiert werden. Bis heute leidet der 31-Jährige unter Schmerzen, weitere Haut-Operationen stehen bevor. Sein Studium musste er unterbrechen. Die Frage, die vor allem den 31-Jährigen bis heute quält, ist: „Warum ich?“.

Staatsanwältin Svenja Große-Kreul wirft dem Lüner unter anderem Beihilfe zum versuchten Mord vor.
Staatsanwältin Svenja Große-Kreul wirft dem Lüner unter anderem Beihilfe zum versuchten Mord vor. © Werner von Braunschweig

Dass er und seine Frau ganz offensichtlich Verwechslungsopfer gewesen sind, kann das Paar kaum trösten. „Es war eine schlimme Zeit“, sagt die Frau des Studenten. „Und es ist noch nicht vorbei.“

Laut Anklage war das Säureattentat ein Racheakt aus der Rockerszene. Der mutmaßliche Haupttäter aus Bergkamen wollte dadurch angeblich festes Mitglied eines Motorradrockerclubs werden. Ursprünglich auserkorenes Opfer war offenbar der Bochumer Cafébetreiber.

Der hatte zuletzt als Zeuge bestätigt, vor Jahren in Lünen einen hochrangigen Rocker nach einem Drogenfund fälschlicherweise verraten zu haben.

Der Lüner Angeklagte soll den Bergkamener in Bochum abgesetzt haben. Laut Anklage wusste er, dass ein Säureanschlag geplant war, soll zuvor selbst im Internet nach Schwefelsäure, dem Café, dem Namen des Betreibers gegoogelt haben. Fortsetzung: 10. März.

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