Die Vorfreude im Nordosten von Lünen war groß, als Anfang Dezember 2024 wieder Leben einkehrte in den ehemaligen Westfalenkrug. Seit Corona waren Theke, Küche und Gesellschaftszimmer an der Münsterstraße 170 verwaist. Der Ortsteil Wethmar hatte einen wichtigen Treffpunkt verloren. Der Mann, der das änderte, heißt Nerojan Kulasingham.
Er ist zwar erst 33 Jahre alt, aber hat davon schon 14 Jahre Gastro-Erfahrung gesammelt - seit drei Jahren als Betreiber des „Much Needed“, einer kleinen Bar mit amerikanisch-italienischer Küche im Uni-Viertel von Dortmund, die längst als Geheimtipp gilt. Der alte Lüner Westfalenkrug, der jetzt „Zur A&A Krone“ heißt - die beiden Initialen stehen für die Vornamen der kleinen Söhne des Wirts -, ist anders: größer, rustikaler und bürgerlicher. Den Status als Geheimtipp hat aber auch er sich schon erarbeitet. Mal spontan am Wochenende dort einkehren? Das ist nur mit Glück möglich. In der Regel sind alle Tische besetzt. Und wenn einer doch leer ist, steht das „Reserviert“-Schild auf der weißen, gestärkten Tischdecke. Ich habe für unseren Restaurantcheck vorsorglich einen Tisch für vier Personen bestellt: für meinen Mann und mich und zwei Freunde, die endlich auch mit Ja antworten wollten, wenn Nachbarn sie fragten: „Wart ihr auch schon da?“
Gemeinsam sollten wir einen schönen Abend genießen, von dem sowohl wir als auch Nerojan Kulasingham vermutlich noch Jahre lang sprechen werden. Der Grund: ein Malheur, das aus dem Drehbuch für „Verstehen Sie Spaß?“ hätte stammen können.
Karte mit Monatsempfehlungen
Aber das können wir noch nicht ahnen, als wir an diesem kalten Winterabend mit hochgestelltem Mantelkragen auf die in warmem Licht leuchtende Gaststätte an der B54 (Münsterstraße) zusteuern. Drinnen führt uns eine freundliche Servicekraft zu unserem Tisch nahe der Theke und damit genau zwischen den vollbesetzten Gesellschaftszimmern zu beiden Seiten des gemütlichen Schankraums. Während wir uns in die Speisekarte vertiefen, verschmelzen das Stimmengewirr von den Nachbartischen und die 80er-/90er-Jahre-Oldies aus dem Lautsprecher zu einem fröhlichen Klangteppich: ein guter Ausgangspunkt für eine kulinarische Entdeckungsreise.
Die wechselnde Monatskarte steckt ganz vorne in der Karte. Dort werde ich zwischen den Januar-Gerichten fündig und wähle - zugegeben: etwas fleischlastig - als Vorspeise Rindercarpaccio auf Rucolabett mit Parmesan, Balsamico und Olivenöl (14,90 Euro) und als Hauptgang die „Trilogie von Wildschwein, Reh und Hirsch“ in einer Rotweinsauce ah, mit Preiselbeeren, Butterspätzle und Apfelrotkohl (23,90 Euro). Mein Mann liebäugelt zwar erst mit Fisch oder mit den vegetarischen Sellerie-Schnitzeln, entscheidet sich aber dann doch für die hausgemachte Zwiebelsuppe (6,50 Euro) und das gebratene Schweinefilet im Speckmantel (24,90 Euro). Das Dessert, ein warmer Zwetschgen-Crumble (8,90 Euro), wollen wir uns teilen. Rotwein (Primitivo) und frisch gezapftes Bier begleiten uns bis dahin.
Die Speisen
„Hausgemacht“ ist keine Lüge. Die Zwiebelsuppe, die etwas später dampfend in einer steinernen Schüssel vor meinem Mann steht, besteht aus karamellisierten Zwiebeln in würziger, goldgelber Brühe. Das halb darin eingetauchte Käsebrot sieht nicht nur schön aus, sondern sorgt auch für die cremige Note. Mein Mann meint, es seien ihm etwas zu viele Zwiebeln. Ich dagegen finde, dass wir angesichts der grassierenden Erkältungswelle gar nicht genug von dem entzündungshemmenden und immunstärkenden Gemüse essen können.

Auch das Carpaccio behauptet von sich, hausgemacht zu sein. Erneut glaube ich dieser Angabe. Statt tiefroter, nahezu gleichförmiger Fertigware aus dem Großmarkt ist das dünn geschnittene, rohe Rindfleisch auf meinem Teller maserig und unterschiedlich breit: quer zur Faser aus dem Stück geschnitten, mit grobem Pfeffer und Salz gewürzt und zu einer großen Portion auf das Rucolabett geschichtet. So kann es weitergehen.

Das Wildgericht schafft es, nahtlos anzuknüpfen. Trilogie erweist sich dabei zwar als ein etwas zu blumiger Name für ein gut gewürztes Gulasch aus drei verschiedenen Fleischsorten: Reh, Hirsch und Wildschwein. Aber Namen sind Schall und Rauch, die Sauce dagegen - und darauf kommt es jetzt nur an - Piment und Nelke. Jedes Fleischstückchen zergeht auf der Zunge: einfach lecker. Der Apfelrotkohl neben den Butterspätzle hätte dagegen nicht so weich gekocht sein müssen.

Mein Mann ist mit seinem Hauptgericht rundum zufrieden. Das Schweinefilet ist zart, der Speckmantel drumherum kross. Selbst dem von ihm eher geduldeten Rahmwirsing auf dem Teller zollt er unerwartetes Lob. Tatsächlich zeigt das Gemüse mit Walnüssen einen ganz neuen Pfiff. Die gebratenen Schupfnudeln erweisen sich als passende Beilage.

Und einmal mehr zeigt sich: Nachtisch geht immer. Obwohl wir eigentlich längst satt sind, können wir nicht widerstehen, als der Zwetschgen-Crumble vor uns steht: nicht zu süß und herrlich knusprig. Ein Gericht, das jemand erfunden hat, der wusste, dass Streusel immer das beste am Kuchen sind.

Während mein Mann und ich uns das warme Dessert schmecken lassen, bleibt unseren Freunden nebenan die Freude über den schon dekorierten warmen Schokokuchen mit Vanillesauce (8,90 Euro) im wahrsten Sinne des Wortes im Halse stecken. „Die Sauce ist sauer“, sagen die beiden und verziehen das Gesicht. Auch wir kosten und kommen zum selben Schluss. Wir rufen die Bedienung, die besorgt zum Tisch eilt und etwas ratlos das zurückgewiesene Gericht in die Küche bringt. Was danach kommt, wird als Anekdote noch meinen Smalltalk beleben.
„Der Koch hat auch probiert“, sagt die nach einigen Augenblicken zurückgekehrte Kellnerin. Die Küchenhilfe habe den Kuchen versehentlich statt mit Vanillesauce mit Sauce hollandaise angerichtet. Wir prusten nur so los, als wir das hören. Selten so gelacht. Dass in der Küche alle den Fehler sehr bedauern, versichert uns die junge Frau gleich mehrfach. Dennoch kann sie unseren Freund nicht dazu bewegen, es noch einmal zu probieren mit dem Dessert - dieses Mal mit passender Sauce.

Der Service
Die junge Frau im Service ist aufmerksam und freundlich. Und das Essen kommt zügig. Angesichts des peinlichen Saucen-Fauxpas wäre aber eine persönliche Entschuldigung des Kochs oder des Wirts Nerojan Kulasingham, den hier alle Nero rufen, wohl angebracht gewesen. Allerdings hatten beide im vollbesetzten Haus alle Hände voll zu tun.
Die Atmosphäre
Warmes Licht, Möbel im Vintage-Stil und schön gedeckte Tische: Die Renovierung Ende 2024 hat die alte Gaststätte von Wethmar neu aufleben lassen, ohne den ursprünglichen Charakter zu verdrängen. Dass es in Restaurants noch Tresen gibt, an denen Gäste nur ein Getränk ordern können, ohne zu speisen, ist längst eine Ausnahme. Die Menschen im Ortsteil danken es Nero Kulasingham. Längst rufen sie ihn beim Vornamen, bringen Freunde mit und buchen Familienfeiern. Wethmar hat wieder einen gutbürgerlichen Gastro-Treffpunkt - bald auch nicht nur für die Abendstunden. Seine Gäste hätten ihn gebeten, künftig sonntags auch einen Mittagstisch anzubieten, erzählt der Wirt später. Damit wolle er im Februar beginnen. Eine andere Idee, die er auch noch umsetzen will: ein, zwei Gerichte aus seinem Heimatland Sri Lanka im Indischen Ozean anbieten.
Die Anfahrt
Das Restaurant liegt an der Münsterstraße, also an der B 54, der zentralen Verbindung zwischen Werne, Lünen und Dortmund. Parkplätze gibt es vor der Tür. Auch eine Bushaltestelle. Die Gäste aus Wethmar kommen ohnehin zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
Die Netzstimmen
Da das Restaurant gerade einmal zwei Monate geöffnet hat, gibt es im Netz erst 29 Rezensionen. Die sind durchweg positiv: 4,9 von 5 Sternen. „Gemütlicher, moderner Innenraum hinter altbekannter Fassade. Das Essen ist sehr lecker, frisch zubereitet. Wir wurden sehr zuvorkommend und freundlich bedient, besonders die persönliche Ansprache hat mich gefreut“, schreibt etwa eine Frau.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist ursprünglich am 4. Februar 2025 erschienen. Wir haben ihn erneut veröffentlicht.
Kontaktdaten: Zur A&A Krone Restaurant
- Adresse: Münsterstraße 170, Lünen
- Öffnungszeiten: Dienstags bis samstags, 16 bis 22 Uhr, sonntags, 11.30 bis 15.30 Uhr und 16.30 bis 21 Uhr.
- Reservierungen: empfohlen unter Tel. 02306/8490611