49 Seiten ist das Papier lang, mit dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Apothekern in Deutschland unter die Arme greifen will. Und auch den Patienten. Denn durch das sogenannte Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) soll langfristig die Versorgung mit Medikamenten sichergestellt werden. Und das Sterben von Apotheken aufgehalten. Vieles soll einfacher werden, die Apotheker mehr Geld bekommen.
Doch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Apothekerschaft, Hausärzte und Labore kritisieren die Reform, die im Herbst 2024 umgesetzt werden soll. Volker Brüning, Sprecher der Apotheker im Nordkreis Unna (Selm, Bergkamen, Werne, Lünen) mit Sitz in Lünen und Selm, stoßen vor allem zwei Dinge auf: die geplante apothekerlose Apotheke und die fehlende Erhöhung der Honorare für Apotheker. Seine Befürchtung ist, dass das Apothekensterben durch die Reform eher noch befeuert wird.
„Wir befürchten, dass in diesem Jahr erstmals mehr als 1000 Apotheken bundesweit zumachen werden“, sagt Brüning im Gespräch mit uns. „Die können die Kosten nicht mehr auffangen.“ Zwar steige der Umsatz durch die höheren Preise der Medikamente, aber die Apotheker werden nach verkaufter Stückzahl bezahlt. Dadurch sei man vom Umsatz entkoppelt.
Auch dass Rezepte nach etwa Holland verschickt werden können und Patienten so ihre Medikamente erhielten, sei schwierig für die deutschen Apotheken. Denn dann würden eben Packungen wegfallen, nach denen sie bezahlt werden. Hohe Fixkosten, Gehaltserhöhungen für die Mitarbeiter nach Tarif - für die Apotheker aber sieht die Reform keine wirkliche Honorarerhöhung vor, kritisiert Brüning. „Der Kostendruck ist nicht mehr zu kompensieren.“
„Keine Besserung in Sicht“
Zwar sehe die Reform finanzielle Umverteilungen vor. So will das Bundesgesundheitsministerium der ungleichmäßigen Verteilung der Packungshonorare „aufgrund stark ansteigender Arzneimittelpreise in einigen Arzneimittelsegmenten“ ausgleichen, Brüning aber sieht darin wenig konkreten Sinn. „Sie wollen kein neues Geld ins System reingeben. Dadurch ist auf absehbare Zeit keine Besserung in Sicht.“
„Es hätte eine Honorarerhöhung geben müssen, wenn auch moderat. Überall gibt es Anpassungen an die Inflation“, erklärt er. Denn die habe es in den vergangenen 10 Jahren nicht gegeben. Auch stiegen die Pharmapreise immer weiter. „Die ufern komplett aus“, so Brüning. Medikamente mit Kosten von 5000 bis 10.000 Euro seien damals eine Ausnahme gewesen. Heute sei das anders. „Muss jedes Krebsmedikament 5000 bis 10.000 Euro kosten?“ Es bräuchte europaweit einheitliche Preise sowie eine Kommission, die bewertet, wie viel ein Medikament kosten darf, so der Apotheker.
„Unterbieten sogar Amerika“
Ein weiterer Aspekt, den die Apothekerschaft ärgert, ist der der apothekerlosen Apotheken. Denn die Reform sieht vor, dass Apotheken ab Herbst ohne Apotheker vor Ort, jedoch mit einem erfahrenen Pharmazeutisch-Technischen Assistenten, betrieben werden können. Auch wenn die Bedingung dafür sei, dass ein Apotheker bei Bedarf per Telepharmazie zugeschaltet werden könne. „Selbst in Amerika muss ein Apotheker anwesend sein, das würden wir noch unterbieten“, beschwert sich Brüning. Zwar sei die Ausgabe von Betäubungsmitteln in derartigen Filialen verboten. Brüning sieht in dem Vorgehen aber dennoch ein Problem.
„Wir sehen da eben ganz klar ein trojanisches Pferd, wenn das aufgeweicht wird. Das ist dann der erste Schritt zu Mehrbesitz und Kettenbildungen. Dass dann irgendwann auch dm sagt, wir machen eine Ecke auf, da ist ein Apotheker zugeschaltet“, befürchtet Brüning. Durch diesen Schritt sollen die Apotheken Geld einsparen können. „Ich glaube nicht, dass das das Problem löst.“
„Wir ärgern uns, dass in der Coronazeit gesagt wurde: ‚Wir brauchen mehr Betten, Apotheken‘, da wurde geklatscht. Jetzt haben wir genau das Gegenteil. Betten werden abgebaut, bei Apotheken vor Ort wird in Kauf genommen, dass wir immer weniger werden. Dass die Versorgung weniger wird. Das hat es so noch nicht gegeben.“