Rechtsextremer Wolfsgruß während EM-Spiel Multikulturelles Forum in Lünen verurteilt Geste

Rechtsextremer Gruß: Multikulturelles Forum in Lünen verurteilt Geste
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Mit dem Wolfsgruß während des Europameisterschaft-Achtelfinalspiels Türkei-Österreich am Dienstag (2. Juli) in Leipzig sorgte der türkische Torschütze Melih Demiral für Empörung. Kritik kommt aus der Bundespolitik, die UEFA sperrte Demiral für zwei Spiele. Kritik wird aber auch vor Ort laut. Klare Worte dazu findet Kenan Küçük, Geschäftsführer des Multikulturellen Forums (MKF) mit Sitz in Lünen.

„Ich verurteile das Zurschaustellen ultranationalistischer und rechtsextremer Symboliken – meine Solidarität gilt allen betroffenen Gruppen, die auch beim Fußballgucken an schreckliche Taten erinnert werden, die ihren Communitys angetan wurden. Der Nationalismus und der Rassismus, der uns aktuell aus den Stadien entgegenschlägt, ist ein Zeichen dafür, wo unsere Gesellschaft und die Gesellschaften unserer Gäste stehen – und nicht nur der türkischen Mannschaft vorbehalten.“

Das sagte Kenan Küçük jetzt im Gespräch mit unserer Redaktion - und nannte zur Einordnung des Gesagten: „Dafür steht auch der albanische Nationalspieler Mirlind Daku, der aufgrund rassistischer Gesänge gegenüber Mazedonier gesperrt wurde, oder aber österreichische Fans, die ‚Ausländer raus‘ skandieren, deutsche und italienische Fans, die rechtsextreme Parolen rufen oder den Hitlergruß zeigen usw.“

Widerspruch wichtig

Die Europameisterschaft könne eben nur so weltoffen sein, wie seine Teilnehmenden, sagte Küçük weiter: „Insofern gilt für die EM das, was auch für das gesellschaftliche Miteinander insgesamt gilt: Rassistische und rechtsextreme Haltungen, Äußerungen und Taten müssen Widerspruch erfahren.“ Das Zeigen dieses Grußes auf der großen EM-Bühne - noch dazu am 31. Jahrestag des Massakers an Aleviten in der türkischen Stadt Sivas durch einen rechtsextremen Mob, der den Brandanschlag mit ebendiesem Gruß feierte – sei ganz sicher nicht nur Ausdruck der Verbundenheit mit ‚der türkischen Identität‘, sagte Küçük weiter:

„Was die Einordnung des Handzeichens etwas komplizierter macht, ist die Tatsache, dass der Nationalismus der Grauen Wölfe in der Türkei längst zur etablierten, normalisierten Politikklaviatur gehört. Auch in Deutschland beobachten wir ja spätestens seit der Gründung der AfD, wie politische Diskurse dazu führen können, dass Unsagbares sagbar, Unerhörtes normal werden kann.“ Solche Entwicklungen führten dazu, dass Narrative und Symbole sich verbreiten können und auch von anderen übernommen werden.“

Im Visier des Verfassungsschutz

Kenan Küçük: „So konnte man den Wolfsgruß in den vergangenen Jahren in der Türkei daher von verschiedensten Akteuren immer wieder zu allen möglichen Anlässen sehen. Ganz sicher ist er deshalb nicht unproblematischer geworden, steht er doch für die Überlegenheit des türkischen Islams gegenüber der gesamten Welt und für die - mitunter gewaltsame - Unterdrückung von Minderheiten.“

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Geste als Erkennungssymbol der Grauen Wölfe, den Anhängern der „Ülkücü-Bewegung“ ein. Laut dem Bundesamt handelt es sich bei der Organisation um eine rechtsextremistische Gruppierung, die sich gegen Völkerverständigung, das friedliche Zusammenleben der Völker und gegen Wertvorstellungen des Grundgesetzes richtet.

Derweil kritisierte Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) das gezeigte Zeichen scharf. „Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen. Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel“.

„Aufklärungsarbeit wichtig“

Eine fußballerische Konsequenz für Demiral sowie eine Prüfung des Verbots des Wolfsgrußes seien sicherlich wichtig, sagte Kenan Küçük: „Noch wichtiger ist meines Erachtens aber die Aufklärungsarbeit. Als Multikulturelles Forum weisen wir seit Jahren auf den Rechtsextremismus als großes Problem für unsere Gesellschaft hin und fordern dabei stets, auch Ungleichwertigkeitsideologien innerhalb der Migrationsgesellschaft im Blick zu haben.“ Denn Menschen mit türkischer Herkunft könnten in Deutschland zugleich Opfer und Täter sein: „Sie sind in unserer Gesellschaft von Rassismus und Diskriminierung betroffen, können aber selbst gegenüber Kurden, Aleviten oder Armeniern bis hin zur Gewaltbereitschaft feindlich eingestellt sein. Gleichzeitig birgt die aktuelle Diskussion die Gefahr, dass Ultranationalisten nun den türkischen Kicker als Fürsprecher aller Menschen mit Türkeibezug sowie seine Kritiker als Feinde dieser inszenieren.“