Die Jahreszeit, als Apfelbäume weiß blühten, ist vorbei. Und mit Frost ist Mitte Juni, wenn die Temperaturen nahe der 30-Grad-Marke liegen, auch nicht mehr zu rechnen. Und doch lässt ein aktuelles Natur-Phänomen an beides denken: Von Weitem glauben die Betrachter in Werne-Langern blühende Bäume zu sehen.
Beim Näherkommen sieht es so aus, als habe eine bizarre Eisschicht die Kronen überzogen. Erst wer direkt vor einem Stamm steht, sieht, dass das vermeintliche Eis aus einem feinen, engmaschigen Netz klebriger Fäden besteht. Dahinter wimmelt es nur so von schmutziggelben, nackten Leibern: die Raupen der Gespinstmotte. Kein Einzelfall, wie der Blick in die Nachbarstadt Lünen zeigt.
Echtes Massen-Phänomen
„Wir haben rund 180 Hochstämme auf der Bio-Wiese am Hasenweg stehen“, sagt Klaus Papius vom Arbeitskreis für Umwelt und Heimat Lünen. Jeder dritte Baum dort auf der Fläche in Brambauer sei aktuell von Gespinsten überzogen. Auch Weißdorn sei betroffen. So extrem, sagt er, habe er das lange nicht erlebt. Ein echtes Massen-Phänomen, mit dem nach Auskunft des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) aber immer häufiger zu rechnen sei. Der Grund ist der Klimawandel. Die Falter profitierten durch die trockene und warme Witterung.
„Jetzt ist es zu spät zum Handeln“, sagt Papius. Wenn Bäume erst einmal vom Stamm bis zum höchsten Zwei eingesponnen sind, sei es zu spät. „Anfangs lassen sie sich ja noch absammeln.“ Wenn das nicht mehr geht, ließen sich auch die betroffenen Triebe der Zweige abschneiden. Der Einsatz von Chemie kommt auf der Bio-Wiese nicht in Frage. Davor warnt auch Alina Pickart, naturschutzfachliche Projektleiterin und Falter-Expertin beim Nabu.
„Bäume treiben wieder aus“
Von im Fachhandel erhältlichem Paraffinöl und anderen Spritzmitteln hält sie gar nichts. Damit würden nicht nur Gespinstmitten getötet, sondern auch Nützlinge wie Marienkäfer und Ohrenkneifer. Pickart setzt auf die natürlichen Feinde: Gartenvögel, aber auch Schlupfwespen und Raubwanzen. Sie fänden meistens einen Weg, den schützenden feien Gespinstschleier doch hier und da zu durchdringen.
Und wenn die Fressfeinde es nicht schaffen, gegen die Invasion der Raupen anzufressen, sei das auch keine Katastrophe, versichern beide, sowohl Klaus Papius aus Lünen als auch Alina Pickart aus Hamburg. „Die Bäume treiben ab Mitte Juni wieder aus“, sagt Pickart. Dann haben sich die Raupen verpuppt und hat das große Fressen ein Ende. „Die Bäumer erholen sich meist wieder“, bestätigt Papius.
Für Menschen ungefährlich
Auch wenn die Gespinste gespenstisch aussehen und Raupen-Massen für Hobby-Gärtner ekelig erscheinen: Gefährlich ist das alles nicht für Menschen, wie die Experten betonen - anders als die Raupen des Eichenprozessionsspinners (EPS) mit ihren Brennhaaren.
Am 14. Oktober kann sich jeder davon überzeugen, ob sich die Brambauer Bäume erholt haben: beim Apfelfest auf der Bio-Wiese am Hasenweg 2 mit Äpfeln und Apfelkuchen.
Bergbau: Schotterbrache in Werne-Langern wurde Schutzgebiet: „Wahnsinn, was hier alles lebt“
Lünen ohne Kiebitz, wenige Feldlerchen: „Kreisweite Entwicklung desaströs“