Prozess nach Säure-Attentat vor Bochumer Café Neue Klartext-Ansage für Lüner Angeklagten

Prozess nach Säure-Attentat: Klartext-Ansage für den Angeklagten
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Mit der Vernehmung von Polizeibeamten ist am Bochumer Schwurgericht der Prozess gegen einen mutmaßlichen Säureattentats-Helfer (37) aus Lünen fortgesetzt worden. Bevor die ersten Zeugen zu Wort kamen, sendete das Gericht eine klare Ansage in Richtung Anklagebank. Tenor: Wir sind nicht naiv.

„Machen Sie sich hier keine falschen Vorstellungen“, ermahnte Richter Volker Talarowski den Lüner Angeklagten. Das, was der 37-Jährige zuletzt mit Blick auf ihm möglicherweise drohende Gefahren aus der Rockerszene in nicht-öffentlicher Verhandlung erklärt habe, habe beim Gericht zahlreiche Fragezeichen hinterlassen.

Laut der Beihilfe-Anklage soll der Lüner den mutmaßlichen Säure-Attentäter aus Bergkamen am 30. Juni 2024 nicht nur zum Tatort nach Bochum gefahren haben. Er soll zudem zuvor auch im Internet nach den Begriffen „Schwefelsäure“ und „wie man Schwefelsäure erwerben kann“ gesucht haben. Dass der Bergkamener in Bochum einen Säureanschlag auf den Bochumer Cafébetreiber verüben wollte, soll der Lüner nicht nur gewusst, sondern auch befürwortet und unterstützt haben.

In seiner nicht-öffentlichen Aussage hatte der Lüner offensichtlich seine Google-Suche nach „Schwefelsäure“ rein informatorisch erklärt, weil er sich angeblich mit dem Gedanken getragen habe, Amphetamine selbst herzustellen.

Genau das fällt dem Schwurgericht aber schwer, zu glauben. „Sie haben nachweislich seit acht Jahren regelmäßig mit Amphetaminen zu tun“, sagte Richter Volker Talarowski dem Angeklagten und verwies auf dessen insgesamt 26 Vorstrafen, davon zahlreiche auch wegen Drogenhandels und -besitzes. Da sei es geradezu abwegig, einem weismachen zu wollen, dass man sich quasi jetzt erstmals Herstellungsfragen gestellt habe.

„Damit haben wir ein Problem“, so der Vorsitzende Richter. Und mahnte den Lüner Angeklagten, ernsthaft darüber nachzudenken, ob man es bei diesen Angaben wirklich belassen wolle.

Der Prozess um das Säure-Attentat wird vor der 7. Strafkammer des Bochumer Landgerichts (Schwurgericht) unter Vorsitz von Richter Volker Talarowski (Mitte) verhandelt.
Der Prozess um das Säure-Attentat wird vor der 7. Strafkammer des Bochumer Landgerichts (Schwurgericht) unter Vorsitz von Richter Volker Talarowski (Mitte) verhandelt. © Werner von Braunschweig

Dass der Lüner obendrein lediglich eingeräumt hatte, den inzwischen verstorbenen Bergkamener am Tattag in Bochum abgesetzt zu haben, mit dem Säure-Attentat selbst aber nichts zu tun haben will, hatte das Gericht zuletzt bereits kritisiert.

Den Schlingerkurs des 37-Jährigen auf richterliche Nachfragen, wo und mit wem er sich denn angeblich in Bochum „nur“ zum Essen getroffen habe, hatte Richter Talarowski bildlich mit einem „glitschigen Stück Seife unter der Dusche“ verglichen.

Zwei Polizeibeamte, die zuerst am Tatort vor dem Bochumer Café waren, erinnerten sich vor Gericht an chaotische Situationen. „Ein Augenzeuge ist auf uns zu gerannt und hat uns auf den mutmaßlichen Täter hingewiesen“, sagte eine Polizistin. Sofort sei man einem weglaufenden, tätowierten Mann mit Glatze hinterher geeilt.

Den Bergkamener, wie sich später herausstellte, habe man schließlich dann auch an einer nahen Kreuzung festnehmen können.

Ein Polizist berichtete zudem, dass ein anderer Augenzeuge zuvor den flüchtenden Mann in gewissem Abstand mit dem Rad verfolgt hatte. „Der Festgenommene hatte an Hose und Jacke rote Farbanhaftungen“, erinnerte sich die Polizistin. Erst später sei herausgekommen, dass das kein Blut, sondern offensichtlich Säure war.

Der Bergkamener hatte zunächst geschwiegen, später über seinen Verteidiger Fabian Reifer erklären lassen, dass er mit dem Anschlag nichts zu tun hat. Im Oktober 2024 hatte sich der 43-Jährige im Gefängnis das Leben genommen.

Racheakt aus der Rockerszene

In Auftrag gegeben wurde das Säureattentat vor dem Bochumer Café laut Anklage als ein Racheakt aus der Rockerszene. Der mutmaßliche Haupttäter aus Bergkamen wollte dadurch angeblich festes Mitglied eines Motorradrockerclubs werden. Ursprünglich auserkorenes Opfer war offenbar der Bochumer Cafébetreiber, tatsächlich verletzt wurde ein Verwechslungsopfer, ein Student.

Der Prozess wird fortgesetzt.