Scharlach-Welle in der Region Kinderärzte aus Lünen, Selm und Werne geben Eltern Tipps

Praxen sind voll: Kinderärzte aus Lünen, Selm und Werne berichten
Lesezeit

Die Fälle von an Windpocken erkrankten Kindern sind im Kreis Unna im vergangenen Jahr angestiegen. Nach Angaben des Kreis-Gesundheitsamtes wurden in diesem Jahr bereits neun Fälle registriert. Im vergangenen Jahr waren es kreisweit 81. Und im Vor-Pandemie-Jahr 2019 waren es noch 51 Fälle.

Und auch die Zahl der Scharlach-Erkrankungen war im Februar auf einem Hoch.

Wir haben uns bei Kinderärzten in Lünen, Werne und Selm umgehört und gefragt, wie es in ihren Praxen aussieht.

Ulrike Foertsch, Kinderärztin in Selm, sagt: „Ich habe in meiner Praxis lange keine Windpocken mehr gesehen.“ Bezüglich der Scharlach-Erkrankungen hingegen habe die Zahl der Infizierten durchaus zugenommen; vor allem unter den Sechs- bis Zwölfjährigen. „Ich denke diese Häufung ist jahreszeitenbedingt und hat auch etwas damit zu tun, dass die Maskenpflicht weggefallen ist“, so die Medizinerin.

Grundsätzlich verschreibt sie ihren kleinen Patienten nicht sofort Antibiotikum. „Das ist schon seit einiger Zeit nicht mehr empfohlen“, sagt Foertsch. „Der Verlauf muss beobachtet werden. Wenn das Kind lethargisch ist und viel erbricht, würde ich es stationär einweisen.“

Wichtig sei es, die Symptome zu lindern. Zum Beispiel der extreme und anhaltende Husten. „Der ist zwar lästig aber nicht gefährlich“, so Foertsch, „und nach zwei bis drei Tagen lässt er nach.“ Schmerzmittel und eine hohe Flüssigkeitszufuhr empfiehlt sie, um dann noch einen erstaunlichen Hinweis zu geben: „Hustensäfte jeglicher Art sind quasi ohne Effekt. Manche verursachen sogar Bauchschmerzen und Übelkeit. Bei Husten reicht es völlig aus, viel zu trinken.“

Die Selmer Ärztinnen Ulrike Foertsch (l.) und Dr. Dagmar Streng sind im Moment in ihrer Gemeinschaftspraxis extrem ausgelastet.
Die Selmer Ärztinnen Ulrike Foertsch (l.) und Dr. Dagmar Streng sind im Moment in ihrer Gemeinschaftspraxis extrem ausgelastet. © Jessica Hauck

Abwarten und Tee trinken

Auch bei Dr. Christiane Ruppert in ihrer Praxis in Lünen gab es zwar im vergangenen Sommer einige Windpocken-Fälle, nicht aber aktuell. Sie sagt: „Einige ukrainische Kinder haben Windpocken mitgebracht. Dort gibt es eine andere Impfregelung, als wir sie haben.“ In Deutschland ist es üblich, Kinder im Alter von elf bis 14 Monaten gegen Windpocken impfen zu lassen.

Scharlach hingegen, sagt auch sie, trete aktuell sehr häufig auf. „Ich wüsste nicht, wann wir schon mal so viele Scharlach-Fälle in der Praxis hatten.“ Auffällig sei im Moment, dass immer wieder die gleichen Kinder mit einer Scharlach-Infektion in ihrer Praxis auftauchen. „Es kursieren einfachen viele verschiedene Varianten der Streptokokken-Bakterien, so dass sich die Kinder immer wieder neu anstecken können.“

Als Ursache sieht sie die Corona-Maßnahmen, wodurch die Abwehrkräfte auf Sparflamme gelaufen seien. „Auch das RSV-Virus, Grippe oder Rhinoviren treten im Moment häufiger auf. Die Kinder sind einfach häufiger und auch länger krank“, sagt Christiane Ruppert.

Ihr Tipp: „Abwarten und Tee trinken. Ganz wörtlich. Außer bei Scharlach. Das sollte antibiotisch behandelt werden.“ Und: „Wenn die Kinder körperlich fit sind, sollten sie wieder in die Gemeinschaftseinrichtungen geschickt werden. Auch mit Schnupfen. Denn die Verhaltensauffälligkeiten haben zugenommen und das hat viel größere Konsequenzen, als die Kinder mit Schnupfen zu schicken. Die Abwehrstoffe müssen wieder aufgebaut werden.“

30 Jahre Erfahrung

Und auch Dr. Michael Gilbert berichtet ähnliches aus seiner Kinderarzt-Praxis in Werne. „Ich hatte in diesem Jahr nicht ein einziges Kind mit Windpocken“, sagt der Mediziner. Im vergangenen Jahr war es „eine Handvoll“.

Von einer Häufung bei den Scharlach-Erkrankungen spricht auch er. „Dabei muss man allerdings genau hinschauen“, mahnt er. „Viele der Fälle sind kein Scharlach, sondern lediglich eine Streptokokken-Angina, also eine Halsentzündung.“

Scharlach erkenne man deutlich an einem zusätzlich im Leistenbereich auftretenden Ausschlag. Und nur Scharlach hat das Risiko der Folgeerkrankungen: Nieren-, Gelenk- und selten auch Herzmuskelentzündung, das durch eine Behandlung mit Antibiotika reduziert werden kann. „Das ist aber alles nicht so dramatisch“, beruhigt der Mediziner, der seit mehr als 30 Jahren tätig ist, „bisher haben wir noch jedes Kind gut versorgen können.“

Ende der Corona-Schutzverordnung : Diese Regeln gelten nun in den Kliniken in Lünen und Werne

Ruhestandswelle bei Lüner Hausärzten: Nachwuchsbedarf spitzt sich vor allem im Norden zu

Psychologe aus Werne strandet im Erdbebengebiet: Jetzt hilft er und bittet um Spenden