Pionierin der ambulanten Dialyse in Lünen Dr. Siegrid Mehnert-Aner (78) zieht sich zurück

Pionierin der Dialyse in Lünen: Dr. Siegrid Mehnert-Aner geht in Rente
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Zahlreiche Dankeskarten und Blumen von Patienten haben Dr. Siegrid Mehnert-Aner in den vergangenen Wochen erreicht. Die Pionierin der ambulanten Dialyse (Nierenersatztherapie) in Lünen und eine der dienstältesten Ärztinnen der Stadt hat sich im November mit 78 Jahren in den Ruhestand verabschiedet.

Fast 40 Jahre führte die Nierenspezialistin und Fachärztin für Innere Medizin ihre Praxis für Nephrologie mit diabetologischer Schwerpunktpraxis. „Es hat mir immer Spaß gemacht, mein Wissen an meine Patienten weiterzugeben“, sagt die Medizinerin. Viele Menschen hat sie über Jahrzehnte während der Dialyse begleitet, zahlreiche auf eine Transplantation vorbereitet und nachbetreut. Jeder Einzelne mit seiner individuellen Krankengeschichte war ihr wichtig.

Dass einer ihrer Patienten schon 34 Jahre mit derselben Spenderniere leben kann, ist ihr als etwas Besonderes in Erinnerung geblieben. Die durchschnittliche Lebensdauer von Transplantaten liegt bei etwa 15 Jahren. Oft kommt es zu Abstoßungsreaktionen, weil der Körper gegen das fremde Organ ankämpft.

Anfänge in der Villa Bäumer

Zurzeit läuft für die Praxis an der Cappenberger Straße 84-90 ein Nachbesetzungsverfahren. Es gibt mehrere Bewerber. Zwei Vertretungsärzte sind momentan dort tätig. Siegrid Mehnert-Aner wird bald Kisten packen und ihr Sprechzimmer räumen. Nicht ohne Wehmut.

Die Anfänge der Praxis liegen in der ehemaligen Villa Bäumer, nur 300 Meter vom jetzigen Standort entfernt. An der Cappenberger Straße 62 hat sich die Ärztin für Innere Medizin und Nephrologie, Hypertensiologie (Bluthochdruck) und Diabetologie am 1. Oktober 1983 niedergelassen. Es war damals die erste Dialysepraxis in Lünen. Inzwischen gibt es eine zweite in Brambauer.

In der ehemaligen Villa Bäumer an der Cappenberger Straße 62 befand sich die erste Dialysepraxis in Lünen.
In der ehemaligen Villa Bäumer an der Cappenberger Straße 62 befand sich die erste Dialysepraxis in Lünen. © Goldstein (A)

Wartezimmer, Rezeption und Untersuchungsräume befanden sich im Erdgeschoss. Im ersten Stock gab es acht Dialyseplätze. Röntgengerät und Büro waren im Keller. Schon nach drei Jahren reichte der Platz an der Cappenberger Straße 62 nicht mehr aus.

Mit dem bekannten Dortmunder Architekten Prof. Eckhard Gerber, der in Lünen auch für das WBG-Gebäude an der Kurt-Schumacher-Straße und den Bau der Landesgartenschule in Horstmar verantwortlich ist, wurde von 1989 bis 1991 ein neues Dialysezentrum mit viel Licht und Raum errichtet. In Erinnerung an den Histo- und Pathologen bekam es den Namen „Jakob-Henle-Haus“.

Im Jahr 1991 entstand dort ein Gesundheitszentrum mit den Schwerpunkten Innere Medizin, Dialyse, Diabetologie, Ernährungsberatung und podologischer Fußpflege. Auch eine Apotheke und ein Zahnarzt sind dort zu finden.

Mehr Platz bekam die Dialyse 1991 im neu gebauten Jakob-Henle-Haus an der Cappenberger Straße 90.
Mehr Platz bekam die Dialyse 1991 im neu gebauten Jakob-Henle-Haus an der Cappenberger Straße 90. © Quiring-Lategahn

Im Jakob-Henle-Haus gibt es heute 32 Dialyseplätze. Der älteste Patienten ist zurzeit 99, der jüngste 25 Jahre alt. Fünf Stunden dauert es jeweils, bis die Dialysegeräte das Blut von Giftstoffen gereinigt haben, weil die Niere diese Funktion nicht mehr übernimmt. Patienten nutzen die Zeit zum Lesen oder Fernsehen. Viele kennen sich, die Atmosphäre ist familiär. Es gibt auch Frühstück oder Abendbrot. Architekt Gerber hat das Haus so konzipiert, dass die Funktionsräume zur Straße liegen. Die Dialyseplätze haben einen weiten Blick in das Grün der Gärten.

Vor allem den Mitarbeiterinnen gilt der Dank von Siegrid Mehnert-Aner. Ohne deren tatkräftige Hilfe wäre der Betrieb nicht möglich, sagt sie. Viele begleiten sie schon eine lange Zeit. Zwei von ihnen sind mehr als 35 Jahre dabei, Susanne Bettenworth ist eine Mitarbeiterin der ersten Stunde.

Aus dem Kreis Kammin in Pommern stammt Siegrid Mehnert-Aner. Während des Studiums der Medizin in Freiburg lernte sie ihren Mann, den Mikrobiologen und Infektionsepidemiologen Dr. Franz Mehnert kennen. Freiburg galt damals als Hochburg der Nephrologie. Ein wichtiger Lehrer für Mehnert-Aner war Hans Sarre. „Sein Lehrbuch ´Nierenkrankheiten´ wurde zu meiner nephrologischen Bibel“, erinnert sie sich. Der andere wichtige Lehrer ist der Nephrologe und Ernährungsmediziner Reinhold Kluthe.

Oberärztin in Herne

Nach Promotion und Staatsexamen sammelt die junge Ärztin praktische Erfahrungen in verschiedenen Bereichen und Kliniken, darunter der Uniklinik Kantonsspital Basel. Hier arbeitet sie ein Jahr zu Forschungsarbeiten in der Diabetologischen Spezialabteilung.

Nach der Hochzeit im Sommer 1975 wechselt Siegrid Mehnert-Aner zum Uni-Klinikum, dem Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer. Zwei Jahre später kommt Sohn Ulrich zur Welt. In dem Jahr geht sie ans Marienhospital nach Herne, um ihre fachärztliche Ausbildung fortzusetzen. Weil sie auch röntgenologisch tätig sein möchte, arbeitet sie für ein Jahr in der röntgendiagnostischen und nukleramedizinischen Abteilung der Ruhr-Uni Bochum.

1980 wird sie Fachärztin für Innere Medizin und gleichzeitig Oberärztin in Herne. Drei Jahre später erhält sie die Anerkennung als Nephrologin.

Der Empfangstresen in der Dialysepraxis. Von hier aus haben die Mitarbeitenden die Dialysezimmer im Blick.
Der Empfangstresen in der Dialysepraxis: Von hier aus haben die Mitarbeitenden die Dialysezimmer im Blick. © Quiring-Lategahn

Nach Ulrich kamen die Kinder Philipp und Anna-Franziska zur Welt, die Söhne sind ebenfalls Mediziner, die Tochter ist Juristin. Mehr Zeit für die beiden Enkelkinder in der Schweiz, für Konzerte und Kunstausstellungen wünscht sich Siegrid Mehnert-Aner in ihrem Ruhestand. Sie möchte gerne reisen. Den gewohnten Weg zur Arbeit, die 300 Meter von Haus zu Haus, wird sie künftig nicht mehr nehmen.

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