Der Obst- und Gemüsestand von Sahin Temiz ist der größte und lauteste auf dem Marktplatz in Lünen. „Pfläumchen von Omas Bäumchen“ war am Dienstag (15. August) nur einer der gerufenen Verkaufssprüche. Die viele Kundschaft lässt kaum eine ruhige Minute zu. Hinsetzen und Kaffee trinken, das kennt Sahin Temiz nicht, wenn er auf dem Wochenmarkt in Lünen mit seinem Team die Kunden bedient.
Mit vier oder fünf Personen seien sie in der Regel vor Ort. Das ist bei einem Stand, der sich über so viele Meter erstreckt auch dringend notwendig. Das Gemüse auf der einen Seite und das Obst auf der anderen liegen weit auseinander. Einer seiner Mitarbeiter ist Thomas Peters. Er bewirbt gerade die Ananasschalen und die Erdbeeren, als er nebenbei sagt: „Ich mag die Arbeit, weil man mit so vielen verschiedenen Charakteren zu tun hat. Ich bin immer an der frischen Luft, das ist gut für das Immunsystem. Es hat also nur Vorteile.“

Er kennt nur den Markt
In seinem Berufsleben hat Sahin Temiz nie etwas anderes gesehen. „Ich bin immer schon als Verkäufer auf dem Markt gewesen“, sagt der Händler aus Recklinghausen. Erst als Helfer bei einem Nachbarn, dann entschied er sich vor ungefähr 15 Jahren, seinen eigenen Stand zu eröffnen.
Mal stand er in seiner Heimatstadt Recklinghausen und auch in Münster auf dem Markt, mittlerweile konzentriert er sich nur noch auf Lünen. Dreimal in der Woche steht er auf dem Marktplatz vor dem Rathaus. „Du kannst dich nicht zerteilen. Wenn du nur auf einem Markt stehst, dann machst du das auch vernünftig. Anders geht es nicht.“
Schlechte Ernte
Auch so gibt es genügend zu tun. Wie bei den meisten Markthändlern klingelt bei Sahin Temiz der Wecker, wenn andere gerade erst eingeschlafen sind. „Wir stehen jeden Tag um halb zwei auf.“ Dafür gehe es dann auch schon gegen 20 Uhr ins Bett. Ware sortieren, in den Lkw verladen, zum Markt fahren, abladen, Stand aufbauen, dekorieren, verkaufen. So lautet der routinierte Ablauf. An den Markttagen (Dienstag, Freitag, Samstag) seien er und sein Team nicht vor 16 Uhr zu Hause.
An den anderen Wochentagen gilt es, Ware einzukaufen und Preise zu vergleichen.
„Wir fahren dann zu den Bauern am Niederrhein. Da bekommen wir immer frische Produkte.“ Auch der Markthändler hat die extremen Wetterverhältnisse in diesem Jahr zu spüren bekommen.
Im Sommer komme 80 Prozent seiner Ware aus Deutschland, beispielsweise die Erdbeeren und die Heidelbeeren, die in großen Kisten ausgebreitet zum Verkauf liegen. Problem sei hingegen die „große Hitze“ in südlicheren Ländern wie Italien, Griechenland und der Türkei. „Dort ist vieles an Produkten kaputt gegangen.“ Er legt viel Wert auf eine große Auswahl. Denn die sei es, weshalb die Menschen auf den Wochenmarkt kommen.

Schwere Zeiten
Viele seiner Kunden spricht Sahin Temiz mit Vornamen an und auch ihre Sorgen sind ihm bekannt, schließlich haben die auch Einfluss auf den Wochenmarkt. Weil Benzin, Strom und Gas so teuer geworden sind, würden die Kunden nun vermehrt auf ihr Geld gucken. „Es kommen weniger Leute in die Stadt. Das ist aber nicht nur auf dem Markt der Fall. Auch die Innenstädte sind leer.“
Ob seine drei Söhne im Teenageralter, die auch auf dem Markt mithelfen, das Geschäft später mal fortführen werden, steht noch nicht fest. Nur wenn sie Lust darauf hätten, sagt Sahin Temiz. Das Marktgeschäft sei nicht für jeden etwas, insbesondere das frühe Aufstehen ist da ein Knackpunkt. „Du musst da erst hineinwachsen. Das geht nicht von heute auf morgen.“
Obwohl er seit so langer Zeit mit Obst und Gemüse arbeitet, zum Veganer sei er deshalb noch nicht geworden. „Ganz normal“ ernähre er sich. Früchte und Gemüse gebe es zu Hause aber reichlich zu essen.
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