Pfarrerin Andrea Ohm verlässt Lünen „Hier habe ich kaum noch Zeit für die Menschen“

Pfarrerin Andrea Ohm verlässt Lünen: „Kaum noch Zeit für die Menschen“
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Für Pfarrerin Andrea Ohm schließt sich am kommenden Sonntag, 9. Februar, ein Kreis auf der Kanzel der Evangelischen Kirche Lünen-Süd. Dann wird sie nach 26 Jahren als Gemeindepfarrerin von diesem Dienst offiziell entpflichtet, um in den Kirchenkreis Halingerland in Ostfriesland zu wechseln. Doch zuvor wird sie am Sonntag ein letztes Mal von der Kanzel herab ihr Wort an die Gemeinde richten: Die Jahreslosung „Prüfet alles und behaltet das Gute“ wird Thema sein. „Diese Jahreslosung ist mega-passend“, freut sie sich. Von ihrer Prüfung der Dinge wird sie den Gemeindegliedern erzählen, von Veränderungen und davon, das Gute zu behalten und alles andere hinter sich zu lassen.

„Denn natürlich ist in 26 Jahren nicht immer alles gut gewesen“, sagt sie. Das Gute zu bewahren, sei wichtig im Leben; das möchte sie ihrer Gemeinde als Angebot und als Botschaft hinterlassen.

„Das Meer wird nur vier Kilometer von meinem Wohnort entfernt sein“; erklärt die Pfarrerin ihre Entscheidung, „das reizt mich sehr. Es ist eine Ecke, die ich schon von Urlauben her kenne. Und ich wollte mit meinen 61 Jahren, nach so vielen Jahren in dieser Gemeinde, noch einmal etwas Neues erfahren.“ Platz schaffen möchte sie, um auch der Gemeinde Preußen-Horstmar etwas Neues ermöglichen zu können. Denn: „Man füllt nicht neuen Wein in alte Schläuche“, zitiert sie aus der Bibel und deutet an, dass für die Gemeinde Veränderungen anstehen.

Gezielt hat sie sich auf die Stelle beworben - es sei einfach alles stimmig gewesen. „Ich gehe im Guten“, betont sie, und bin sehr dankbar für die Zeit. Ich habe mich insgesamt sehr wohlgefühlt.“

Eine um 15 Jahre jüngere Pfarrerin Ohm vor einer Liste mit Namen.
"Das Kind muss einen Namen haben": 2010 unterstützte Pfarrerin Andrea Ohm die Fusion der Gemeinden und zeigte Namensvorschläge für die zukünftige Fusionsgemeinde. © Niehaus

Vor 14 Jahren hatte die Theologin die Fusion der Gemeinden Horstmar und Preußen unterstützt. Zuvor hatte sie jeweils eine halbe Stelle in jeder der Einzelgemeinden, bevor sie mithalf, dass beide Gemeinden zusammenwuchsen.

„Außerdem habe ich zig 100-jährige Jubiläen miterlebt“, erzählt sie. Zum Beispiel das der Kirche in Horstmar oder der in Lünen-Süd. 200 Jahre Frauenhilfe hat sie gefeiert. „Einige dieser Jubiläen waren richtig groß und ich durfte sie mitgestalten“, erinnert sie sich. Auch an das Reformationsjahr 2017 erinnert sie sich gerne: Damals hatte sie ein Theaterstück zu diesem Anlass geschrieben und inszeniert. Den Frauensalon als Kooperation mit der katholischen Kirche und dem städtischen Gleichstellungsbüro hatte sie mitinitiiert. „Die Frauenarbeit war immer ein Teil meiner Arbeit“, sagt sie.

„Ich werde die Menschen vermissen“

„Vermissen werde ich vor allem die großartigen Menschen hier. Ich durfte so vielen herzlichen Menschen begegnen, die Freude und Leid erlebt haben.“

Nicht vermissen wird die gebürtige Petershagenerin „die teilweise schlechte Luft“. „Außerdem hoffe ich, wieder mehr Zeit für Seelsorge zu haben. Hier gibt es immer weniger Pfarrpersonal.“ Menschen besuchen möchte sie. Doch in Zeiten, in denen immer weniger Geistliche sich immer mehr Arbeit teilen müssen, sei das oft zeitlich gar nicht möglich. Bei 1:3000 liege aktuell der Pfarrschlüssel für Westfalen. Bald soll er sogar auf 1:4000 angehoben werden. „Ich freue mich auch darauf, dass es dort in Ostfriesland keinen Pfarrschlüssel mehr gibt“, sagt Andrea Ohm. „Ich hoffe dann wieder mehr Zeit für die Menschen zu haben.“

Auch christliches Yoga, für das sie sich hat ausbilden lassen, möchte sie in ihre neue Gemeinde einbringen. „Ich habe hier viel Raum und Zeit gehabt, den ich füllen konnte. Und jetzt kommt jemand Neues, der das macht“, sagt sie versöhnlich.

Und im Sinne ihres Predigtthemas möchte sie das Gute mit sich nehmen, das Schlechte hinter sich lassen. Außerdem nimmt sie die Jahreslosung zum Anlass, einen Appell für die bevorstehende Wahl zu formulieren: „Ich möchte dazu aufrufen, genau hinzuschauen, zu prüfen, die Folgen zu bedenken, zu bedenken, dass scheinbar leichte Lösungen keine sind, und dann das Gute zu wählen.“